Centrale paysanne / Der neue Präsident Christian Wester gibt sich kämpferisch
Landwirt Christian Wester (34) hat feste Standpunkte. Reflektiert diskutiert er über Werte wie Tierwohl, Wertschätzung, Respekt für den Beruf und Nachhaltigkeit. Der Alzinger ist der neue Präsident der „Centrale paysanne“.
Zum Einstreuen bei den Jungtieren ist Christian Wester (34) an diesem Morgen noch nicht gekommen. Sie haben einen eigenen Teil in dem riesigen Stall in Alzingen. Das Vieh des Milch- und Mastbetriebes lebt je nach Alter und Zweck getrennt. Das Mastvieh schaut vom linken Teil neugierig durch die Gitterstäbe. Rechts stehen oder liegen die Milchkühe. Ganz vorne erholen sich die Mutterkühe, die vor kurzem gekalbt haben.
Die Atmosphäre entspricht der Gelassenheit des Besitzers. Mahlende Kaugeräusche, Strohrascheln und ab und an ein Muhen sind die einzigen Laute. Ein Roboter räumt in der Stallgasse geräuschlos das Heu wieder vor die Münder der Kühe. Der Betrieb arbeitet konventionell, auf Leistung orientiert, vieles machen Maschinen.
Eine Kuh schiebt sich gerade in eine der zwei Kabinen der vollautomatischen Melkmaschine. Sie weiß genau, wo sie hinmuss. Richtig „eingeparkt“ bewegen sich die computergesteuerten Pfropfen des Roboters Richtung Euter. Die meisten der insgesamt 400 Tiere des Betriebes haben Sensoren an den Füßen. Die Daten verarbeitet der Melkroboter.
Beruf hat falsches Image
Die Maschinen erledigen vieles, aber nicht alles. „Die Mutterkühe liegen hier ganz vorne, damit ich sie besser im Auge habe“, zerstreut Wester eventuell aufkommende Illusionen, der konventionelle Bauer von heute programmiere nur noch seinen Maschinenpark. Er selbst ist Bauer aus Leidenschaft. Etwas anderes als das kam für ihn nie infrage.
Seit er 16 Jahre alt ist, hilft er den Eltern auf dem Hof genau wie sein Bruder. Der Abschluss vom „Lycée technique agricole“ in Ettelbrück war damals reine Formsache. Als seine Eltern den Betrieb von 100 Hektar auf 200 Hektar Weiden, Futtermittel- und Getreidefelder vergrößern, übernehmen die beiden Brüder.
Schon damals ist klar, dass der Beruf unter einem falschen Image leidet. „Wir arbeiten mit lebenden Tieren, da ist nichts mit Stalltür morgens auf und abends wieder zu“, sagt Wester. Zahlen des „Service d’économie rurale“ (SER) belegen nach seinen Angaben, dass viele Bauern 60 bis 70 Stunden die Woche arbeiten.
Wertschätzung für die Produkte fehlt
Das ist ein Teil des Problems. Wer will das noch machen, wenn die Elterngeneration in Rente geht? Die Frage stellt sich umso dringlicher, als der Respekt vor der beruflichen Lebensleistung und die Wertschätzung für die Produkte beständig abnimmt. „Die Preise für unsere Produkte sind nominal dieselben wie vor 30, 40 Jahren“, sagt Wester. Gleichzeitig sind die Kosten zur Herstellung ständig gestiegen.
Dass sich das auf die Einkommen auswirkt, ist klar. Dabei ist die Branche „systemrelevant“, sie liefert nicht mehr und nicht weniger als Mittel fürs Leben. Die brauchen alle. „Vielleicht sind wir ein Opfer unseres Erfolges.“ Sätze wie diese klingen bei dem jungen Landwirt nach langer Reflexion und intensivem Austausch mit den Kollegen.
Er spricht sie aus, ohne lange nachdenken zu müssen. „Lebensmittel sind selbstverständlich geworden“, sagt Wester. Das war bei der Gründung der Bauernzentrale 1944 nicht so. Sie ist aus dem Wunsch entstanden, die Bevölkerung nach dem Hunger im Krieg vor allem zuverlässig zu ernähren. „Seitdem haben wir Bauern es immer geschafft, qualitativ gute Lebensmittel zu liefern“, sagt er.
Wachstum verschärft die Lage
Das geht lange so. So lange, bis der Wachstumsmechanismus Einzug hält. Er fängt bei der Fläche an, die notwendig ist, um die Entwicklung der Lebensmittelpreise auszugleichen. Die Preise stagnieren auf niedrigem Niveau. Höhere Erträge müssen die steigenden Kosten für die Herstellung ausgleichen. Der Konsument hat hohe Ansprüche an die Qualität.
„Lebensmittel sind in der EU streng kontrolliert, das soll in unseren Augen auch so bleiben“, sagt Wester dieses Mal in seiner Funktion als Präsident, der rund 2.000 Mitglieder vertritt. Dennoch ist der tägliche Spagat immer schwieriger geworden. In Luxemburg kommt noch eine Besonderheit hinzu.
100 Hektar sind die kritische Größe, damit heute eine Familie von der Landwirtschaft leben kann. Allein so viel Land zusammenzubekommen, ist fast unmöglich. Hohe Grundstückspreise und begrenzte Fläche in einem kleinen Land erschweren Betriebsgrößen wie im umliegenden Ausland.
Landschaftspflege ist selbstverständlich
Das aber ist die Konkurrenz, mit denen Westers Produkte und die seiner Kollegen im Supermarkt um Käufer buhlen. Dazwischen liegen dann noch die, die das Tierwohl respektieren, wie die Verpackung signalisiert. Wester kennt die Fingerzeige in Richtung konventionelle Landwirtschaft. Er schmettert sie gelassen – fachlich wie sachlich – ab.
„Es ist ein Fehler zu glauben, klein und bio ist gut, groß und konventionell ist schlecht“, sagt er. Und begründet das: „Ob die niedrigen Ställe von früher, wo der Dunst von der Decke getropft hat und die Tiere nur durch schmale Scharten das Tageslicht sehen konnten, besser waren, weiß ich nicht.“ Was er weiß ist – er hält sich an die Haltungsempfehlungen, sein Stall ist lichtdurchflutet, großzügig dimensioniert und gut belüftet.
Und der Boden? Seine Rechnung in puncto Düngung geht so: Dünger ist Pflanzennahrung. Wenn sie höhere Erträge gewährleistet und der Boden nach der Ernte so ist wie davor, hat er gut gearbeitet. „Wasser und Nitrat ist ein Zusammenspiel zwischen dem, was ich dem Boden zuführe, und dem, was die Pflanzen während des Wachstums rausholen“, sagt Wester. „Das Gleichgewicht ist das Entscheidende.“
Der Beruf Landwirt ist bedroht
Da ist er auch gleich schon bei etwas Grundsätzlichem. Landschaftspflege ist für Bauern eine Selbstverständlichkeit. Etwas, was sich quasi von selbst versteht. Sie haben das schon gemacht, bevor die Politik das Wort überhaupt ins Spiel gebracht hat. „Das von uns bearbeitete Land ist ‚Patrimoine’“, sagt der Landwirt. „Wir arbeiten damit und wollen es erhalten, schließlich ist es uns von Generation zu Generation anvertraut.“
Und Glyphosat? „Das ist eine total emotional geführte Diskussion“, sagt Wester. Er kennt keine Studie, die eindeutig belegt, dass das Düngemittel krebserregend oder genschädigend ist. „Es ist potenziell krebserregend“, hält er allen anderslautenden Aussagen entgegen. „Das sind Fertiggerichte mit Zusatzstoffen oder Alkohol auch.“
Wester ist schlagfertig, bleibt keine Antwort schuldig. Er ist authentisch und steht mit seiner ganzen Person hinter dem Wunsch, das Berufsbild Landwirt zu entstauben. Fernsehen und Alpenmilchreklame haben ganze Arbeit dabei geleistet, es idyllisch zu verklären. Und er will den Beruf retten. „Wir bekommen massive Probleme in 25 Jahren, die Produktion in Luxemburg zu gewährleisten“, sagt er. „Darüber redet nur keiner.“ Essen müssen dann aber auch immer noch alle.
Die „Centrale paysanne“
Die „Centrale paysanne“ ist nach eigenen Angaben die älteste und größte Berufsorganisation der Bauern, Winzer und Gärtner. Ihren etwas mehr als 2.000 Mitgliedern bietet sie Dienstleistungen wie landwirtschaftliche Buchführung und juristische und allgemeine Beratung an. Sie gibt die Zeitung „De Letzeburger Bauer“ heraus und betreibt Versuchsfelder in Zusammenarbeit mit dem „Lycée technique agricole“ (LTA). Mehr Informationen gibt es auf www.centralepaysanne.lu.
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Klingt alles irgendwie romantisch. Aber kann ein fühlendes Lebewesen MastVIEH sein, ein Produkt? Wo bleibt das Tierwohl, wenn die Kälber sofort nach der Geburt von der Kuh getrennt werden?
Ich kann Fleisch essen einfach nicht mit meinem Gewissen vereinbaren.
Colette
Et kann een net so’en datt ee Bauer konventionell schaft wann seng Dei’eren 24/24 am Stall stinn, nemmen Gen Soya an soss Trockenfudder krei’en, an net wessen waat eng greng Wiss ass !
Daat ass keng Dei’erengerecht Viehhaltung !
Et gëtt Zäit, dass 1000-1500 vun eisen Hobbybaueren ophéieren.
Nëmme 4% géifen iwwerliewen ouni déi 70-80 Zorte Subventiounen vun der EU.
Sou kann et net viru goen.
@ Verona :Ech sinn eischter geigensaetzeger Meenung !
Mei‘ gro’uss Betrieber bedeit och nach mei‘ Veih am Stall 24/24, manner dei’erengerecht Haltung. Mei‘ Monokulturen, mei’Herbiziden an Pestiziden spretzen . . . . . , mei‘ deck Maschinnen dei‘ den Buedem nach mei‘ futti machen, . . .
Ech sinn eischter fir kleng, iwerschaulech Betrieber . An d’Preisser fir den Bauer mussen un d’Hierstellungskaeschten gekoppelt sinn, an deen Preis mussen mir Konsumenten och bereed sinn ze bezuehlen !
Oder wellt dir och fir den halwen Lohn schaffen go’en ?
@Colette: Wie ich Ihnen Ihre Wahl lasse sich vegetarisch, vegan zu ernähren , überlassen Sie bitte mir , anderen Menschen die Wahl sich von Fleisch zu ernähren.Das Einzige was mein Gewissen bei solchen Diskussionen beunruhigt , ist wie der Weg zur Ökodiktatur vehement mit allen Mitteln durchgesetzt werden will, so vehement ich mich dann auch mit allen Mitteln wehren werde.
Verona
Die Landwirte würden auf alle Subventionen verzichten wenn sie f ür ihre Produkte die Herstellungskosten sowie einen kleinen Gewinn vom Konsumenten bezahlt bekämen. Dann müsste der Konsument aber die Hälfte seines Einkommens für Lebensmittel ausgeben. Das wäre dann der Kollaps für unsere Oekonomie. Wer könnte dann sich noch Reisen, Handys, Autos usw in dem Umfang leisten wie wir das heute gewohnt sind. Also überlebt unsere Wirtschaft nur wenn die Landwirtschaft subventioniert wird. Ich bin einverstanden dass die Landwirtschaft sich anpassen muss (Klima,Biodieversität Tierwohl) .Das geht aber nur wenn das fair geschieht Es geht nicht dass durch diese Anpassungen anfallenden Kosten alleine durch die Landwirtschaft getragen werden müssen.
@Et geet dueren : die Wahl Fleisch zu essen = die Wahl den Planeten zu zerstören. Danke, nach usn die Sintflut
@Claude:Das sagen gerade jene die Meinungfreiheit,Toleranz,Solidarität , demokratische Freiheiten predigen und ihr Diktat anderen Menschen aufzwingen.