Labour-Parteitag / Der neue Premierminister verspricht „nationale Erneuerung“ – warnt aber vor Schwierigkeiten
Er werde eine moderne Reformregierung für eine „nationale Erneuerung“ leiten – mit diesem Versprechen hat sich Keir Starmer am Dienstag an die Briten gewandt.
Knapp drei Monate nach seinem Erdrutschsieg bei der Unterhauswahl beschrieb der Premierminister auf dem Jahrestreffen seiner Labour-Party in Liverpool die Insel als vielerorts „von wenig mehr als gutem Willen“ zusammengehaltene Gemeinschaft. Für die tief verwurzelten Probleme des Landes nach 14 Jahren konservativer Regierungen gebe es „keine einfachen Antworten“, betonte der 62-Jährige und bat um Geduld: „Kurzfristigen Schwierigkeiten“ werde längerfristig eine Erneuerung folgen, „von der wir alle profitieren: Es gibt Licht am Ende des Tunnels“.
Starmer hat turbulente Wochen hinter sich. Nach seinem Amtsantritt Anfang Juli nahm der frischgebackene Chef der ersten Labour-Regierung seit 2010 an mehreren internationalen Gipfeln teil, koordinierte im August die Reaktion der Sicherheitskräfte auf die rassistischen Unruhen. Erhielt er dafür zunächst viel Beifall, häufte sich in diesem Monat die Kritik: Im Machtzentrum der Downing Street gehe zu wenig voran, auch sei die Rhetorik der Regierung zu negativ, um Privatinvestoren anzulocken und damit das ersehnte Wirtschaftswachstum zu erreichen. Bei zu viel Pessimismus bestehe die Gefahr einer „sich selbst erfüllenden Prophezeiung“, warnt Neville Hill von der Beraterfirma Hybrid Economics.
Diese Einwände ebenso wie die harte Kritik an allzu laxem Umgang mit geldwerten Leistungen – Starmer selbst musste sich als „Schnorrerkönig“ verhöhnen lassen – haben bei den Delegierten Spuren hinterlassen. Zwar herrschte bei den Veranstaltungen zu Sachthemen am Rande des Parteitags, den sogenannten „fringe meetings“, großer Andrang. Doch überschäumende Begeisterung angesichts des überwältigenden Wahlsieges blieb in der Beatles-Stadt aus. „Die Leute sind sich nicht sicher“, resümiert ein Veteran solcher Jahrestreffen die Stimmung vor Ort.
Natürlich gebe es Freude über die Rückkehr an die Macht, analysiert die Labour-nahe PR-Expertin Scarlett MccGwire. Doch habe die bisherige Performance der jungen Regierung Zweifel an deren Kompetenz, eigentlich eines von Starmers Kernargumenten im Wahlkampf, ausgelöst. „Den Medien muss man mehr anbieten als eine Aufzählung der bereits in die Wege geleiteten Gesetzesvorhaben.“
„Fünf Aufgaben“
Diese Auflistung erledigte Starmer in seiner Rede: eine Reform des Planungsrechts zur Beschleunigung von Bauvorhaben; eine neue Behörde zur Koordinierung der Grenzkontrollen; erste Schritte auf dem Weg zur Rück-Verstaatlichung der privatisierten Eisenbahnen; die Modernisierung des Oberhauses. „Und dabei haben wir gerade erst angefangen“, sagte der Premierminister mit Blick auf die nicht einmal drei Monate seiner Amtszeit. Wie die Finanzministerin am Montag wies auch der Regierungschef auf positive Aspekte des Landes hin, beispielsweise die hervorragend beleumundeten Universitäten oder die profitablen Unternehmen der Chemie- und Pharmaindustrie.
Starmer sprach ausdrücklich auch schwierige Themen an. Wer sich eine funktionierende Strafjustiz wünsche, müsse bereit sein, in der Nähe neuer Gefängnisse zu leben. Günstigeren Strom gebe es nicht ohne neue Oberleitungsmasten. Und die Kehrseite des Kampfes gegen irreguläre Einwanderung sei: „Manche Menschen werden Asyl bekommen.“
Der Labour-Chef erinnerte das Land an die „fünf Aufgaben“, die er seiner Regierung gestellt hat: mehr Wachstum, weniger durchlässige Grenzen, gezielte Förderung für Kinder, mehr Energie aus erneuerbaren Quellen sowie eine nachdrückliche Verbesserung des Gesundheitssystems NHS. Letztere könne unter anderem durch ein Ende der seit mehr als zwei Jahren schwelenden Arbeitskämpfe im Sektor erreicht werden, argumentiert Labour und begründet damit den überaus großzügigen Tarifabschluss für Klinikärzte. Deren Gehälter sollen binnen zwei Jahren um gut 20 Prozent steigen.
Mit dieser Regelung haben Schatzkanzlerin Reeves und Gesundheitsminister Wesley Streeting allerdings Begehrlichkeiten geweckt: Mitten in die Rede der Finanzministerin am Montag platzte die Nachricht, dass die gewerkschaftlich organisierten Mitglieder des Pflegepersonals gegen ein Angebot von 5,5 Prozent mehr Lohn und Gehalt entschieden haben. Gewerkschaftsführerin Nicola Ranger wies unverblümt auf den viel besseren Tarifabschluss für Ärzte hin: Man erwarte „viel mehr“ von der Regierung.
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