Leitartikel / Der Notaufnahme-Skandal: ein neues Gesundheitssystem
Die vor etlichen Jahren von Kranken- auf Gesundheitskasse umbenannte zentrale Stelle im Luxemburger Gesundheitswesen hat keine Geldsorgen. Im Gegenteil, die Institution konnte nach größeren Reformen in den letzten Jahren Rücklagen bilden, der kumulierte Überschuss belief sich laut Generalbericht der sozialen Sicherheit im Jahr 2018 auf 582,1 Millionen Euro. Die finanzielle Reserve betrug fast ein Drittel der jährlichen Ausgaben, Tendenz steigend.
Die Krankenhausreform der letzten Jahre, die sich im Spitalplan niederschlägt, ist quasi abgeschlossen; die Konzentrationsphase, die zu mächtigen Gruppen führte, ist vorbei, die Kämpfe zwischen diesen Krankenhausgruppen um Spezialisierungen in Kompetenzzentren ebenfalls. Zuletzt noch konnte sich das CHEM, das bis 2026 ein nagelneues Spitalzentrum in Esch bauen wird, die Umweltmedizin sichern, die übergangsweise wohl in Niederkorn einen provisorischen Standort finden wird.
Den Krankenhäusern scheint es zurzeit also auch wirtschaftlich hervorragend zu gehen: So zählte das CHL nach eigenen Angaben im Jahr 2018 170.272 Patienten, das ist eine Steigerung um 3 Prozent im Vergleich zu 2017. Das „Centre hospitalier“ verfügt über 2.348 Mitarbeiter. 43.493 Kinder wurden in der Notaufnahme des CHL behandelt, also durchschnittlich 120 pro Tag; die finanzielle Bilanz des Krankenhauses ist hervorragend.
Was der Bericht allerdings verschweigt, sind die Details dieser Zahlen sowie die Abläufe, die eher an Zustände in Drittweltländern erinnern, als dass sie einer modernen Klinik in einem der reichsten Länder dieses Planeten würdig wären. Gleich mehrere Fälle wurden uns dieser Tage zugetragen, von Eltern oder Großeltern, die mit Säuglingen in der „Urgence“ der Kinderklinik vorstellig wurden, weil ihr Kinderarzt entweder keine freien Termine mehr anbot oder die Praxis eben gerade dann geschlossen war, als die Babys fieberten, und zwischen vier und fünf Stunden im von quengelnden, weil kranken Kindern überfüllten Wartesaal auf eine Behandlung warten mussten.
Ähnliches im Escher CHEM. Nach einem Verkehrsunfall mit der Ambulanz eingeliefert, werden Patienten schon mal mehr als zwei Stunden in einem Gang geparkt, wo Gespräche und Gelächter der Krankenpfleger, deren Pausenraum gleich neben besagtem Gang liegt, zwar aufbauend wirken könnten, dennoch kaum von Schmerzen befreien. Dass die Betroffenen nach Röntgen-Abstecher und kurzem Kontakt mit einem Arzt ohne Schmerzmittel nach Hause geschickt werden, mag nach kriegsmedizinischen Vorgaben in Ordnung sein, entspricht aber nicht den Erwartungen an das – siehe oben – reiche Gesundheitssystem Luxemburgs.
Die Offensiven und Versprechen der vorherigen Gesundheitsministerin in Sachen Notaufnahme und Wartezeiten haben offensichtlich rein gar nichts gebracht; die Lage ist schlimmer als je zuvor.
Die in der AMMD organisierte Ärzteschaft bestätigte unlängst die Krise des nationalen Gesundheitssystems. Selbst wenn weniger Patienten die Krankenhäuser bei kleineren Gesundheitsproblemen aufsuchen würden, bliebe der allgemeine Ärztemangel, der sich ohne Gegensteuern in den kommenden Jahren verschärfen wird, ein dramatisches Problem. Bei manchen Spezialisten betragen die Wartezeiten auf einen Termin jetzt bereits mehrere Monate. Die Ärztevereinigung schlägt ein alternatives Gesundheitssystem mit dezentralen ambulanten Zentren vor, die dem wissenschaftlichen Fortschritt der Medizin gerecht würden und die Arbeitsbedingungen der Ärzte, die zurzeit nur noch unter Zwang und somit wenig motiviert in den Krankenhäusern Dienst leisten, verbessern würden. Die neue Gesundheitsministerin sollte sich die Vorschläge genauer anschauen, denn das aktuelle System steht offensichtlich kurz vor dem Kollaps.
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Ein „alternatives Gesundheitssystem“ würde den allgemeinen Ärztemangel also beheben? Wie?
Wohlgemerkt, „allgemein“ heißt doch, dass überall Ärzte fehlen und nicht nur für Notdienste.
Also würde ein „alternatives Gesundheitssystem“ das Problem wohl eher verschärfen, denn damit würden noch weniger Ärzte für Notdienste zur Verfügung stehen. Oder verstehe ich da was falsch?
Ärzte in Luxemburg ausbilden. Und zwar die vollen 11-12 jahre. Je früher wir beginnen desto besser.
Es ist doch wohl jedem klar dass Luxemburg endlich einen vollkommenen Arztausbildung haben muss in Belval, zumindest mal in der Allgemeinmedizin, wir können uns nicht darauf verlassen dass unsere Nachbarländer gütiger weise uns die Ärzte noch weiter so ausbilden werden, pro Arzt kostet einen Uni-Ausbildung bis zu 100.000 Euro pro Kopf im Jahr….aber wenn wir Geld in den Weltraum verplempern könnte man auch das Geld in Belval in Mediziner Ausbildung investieren, der ROI wäre zumindest sicherer…in
Vielleicht sollte man,ähnlich wie bei Apotheken,die Landärzte wieder mit einspannen und einen Notdienst in jedem Kanton einrichten um die Spitäler zu entlasten. Wenn eine Glühbirne defekt ist,rennt man ja auch nicht gleich zum Elektroingenieur.Der Elektriker um die Ecke kann das auch.
So aber läuft beim Landarzt ab 19.00 und an Wochenenden ein Beantworter: “ Bitte rufen sie 112 an.“
@Jacques Zeyen
„Vielleicht sollte man,ähnlich wie bei Apotheken,die Landärzte wieder mit einspannen“
Apotheken? Sonntags muss ich entweder nach Rümelingen oder Wasserbillig, ohne Auto ist das kaum möglich.
Die Ärzte winken auch dankend ab.
Wir brauchen _angestellte_ Ärzte im Schichtbetrieb, keine Freiberufler.
Léit sollen emol erem mei an Centre Medical goen dei elo iwerall obgematt gin, amplaz vir all Blödsinn gleich an Urgence an bei de Spezialist ze laffen.