/ Der Sportsoldat aus Esch: Aloyse Diederich erinnert sich an seine Zeit als Besatzer
Nach dem Zweiten Weltkrieg besetzten französische Truppen neben dem Breisgau auch Teile von Rheinland-Pfalz. Zur Überwachung der Lage wurden auch Soldaten aus Luxemburg herangezogen.
Von Guy van Hulle
So kam es, dass im Kreis Bitburg („Berberich“), das noch bis zum Wiener Kongress (1815) zu Luxemburg gehörte, auch „Jonge vun heiheem“ bis ins Jahr 1955 zum Einsatz kamen.
Die Luxemburger Armee
in der Nachkriegszeit– November 1944:
Am 30. November 1944 wird die allgemeine Wehrpflicht eingeführt.– März 1945
Vier Monate später kommt es zur Gründung der Großherzoglichen Garde. Letztere wird in den Kasernen auf dem
„Plateau Saint-Esprit“ untergebracht.– Juli 1945
Im Juli 1945 werden an den Standorten Walferdingen und Düdelingen die ersten zwei Bataillone ins Leben gerufen.– November 1945
Im November 1945 lassen sich Luxemburger Soldaten in der französischen Besatzungszone in Deutschland nieder. Luxemburger Militärs kontrollieren fortan Teile von Bitburg und Saarburg, dies bis 1955.– Dezember 1945
Ende 1945 kommt die Luxemburger Armee auf eine Mannstärke von 2.100 Soldaten.– April 1949
Luxemburg tritt dem Nordatlantikpakt (NATO) bei.– Januar 1951
Rund 100 Freiwillige der Luxemburger Armee nehmen ab dem 31. Januar 1951 bis Anfang 1953 am Koreakrieg (1950-1953) teil.– 1954
Mit der Einführung des „Groupement tactique régimentaire (GTR) kommt Luxemburg auf eine Truppenstärke von über 10.500 Soldaten – Reservisten und Gendarmen mit inbegriffen.– Oktober 1958
Die Kaserne „Grand-Duc Jean“ wird am 26. Oktober auf dem Herrenberg eingeweiht.– Juni 1959
Das „Groupement tactique régimentaire“ wird 1959 aufgelöst.– 1963
Das Luxemburger Artillerie-Bataillon wird 1963 der in Deutschland stationierten 8. US-Division angegliedert.– Juni 1967
Die Wehrpflicht wird am 22. Juni 1967 abgeschafft. Luxemburgs Streitkräfte mutieren zu einer Berufsarmee.
Zu den 119 wehrpflichtigen Rekruten des Jahrgangs 1932/33 aus dem „Ländchen“, wie die Deutschen mit einem betont wohlwollenden Unterton zu sagen pflegen, gehörte auch der inzwischen 86 Jahre alte Aloyse (und nicht Alois, wie er präzisiert) Diederich aus der Escher Mühlenstraße.
Dem Tageblatt zeigte der immer noch recht rüstige Escher „Sportsmoan“ Fotos und Dokumente aus seiner damaligen Rekrutenzeit im Kreis Bitburg, die er in zahlreichen Alben ebenso akribisch genau geordnet hat wie seine Rad- und Lauf-Sportbilder. „Et wär schued, wann déi Episod, a besonnesch déi vun de Kanonéier, a Vergiessenheet gerode géif“, so der „alte“ Sportsoldat. Die historische Tragweite der leicht vergilbten Fotos jedenfalls wird durch Diederichs Erzählungen deutlich.
Man versteht schnell, weshalb das „Nachkriegsspiel“ der Offiziere und der ihnen unterstellten „Lëtzebuerger Spunten“ damals als sehr wichtig empfunden wurde.
Aloyse Diederich der erste „Sportsoldat“
Als Aloyse Diederich Anfang 1952 das Einberufungsschreiben zum damals ganze 12 Monate dauernden Militärdienst erhielt – 1967 wurde der obligatorische Dienst an der Waffe in Luxemburg wieder abgeschafft –, war er arg verdrossen. Er wähnte sich nämlich als junger, bei der UC Esch lizenzierter Radamateur in sehr guter Form und wollte so unbedingt an den Rennen im bevorstehenden Sommer teilnehmen. Also beschloss Diederich kurzerhand, einen Antrag an die Armeeverwaltung zu stellen.
In dem bat er darum, ihn doch bitte bis zum Ende der laufenden Saison freizustellen … Überraschenderweise wurde ihm Gehör geschenkt, und so wurde der Radsportler erst zum 15. Oktober wehrpflichtig.
Danach lernte der blutjunge Diederich bald das Land kennen, in dem, wie der köstlich-kritische Erich Kästner schon Jahre vor dem deutschen Debakel warnend schrieb, dass „die Kanonen blühn“ und „unter dem Schlips Gefreitenknöpfe wachsen“. Der Pazifist Kästner hatte das Gedicht 1928 verfasst, um seine Landsleute vor der militärischen Aufrüstung zu warnen. Die zweite Metapher erklärt sich dabei wie folgt: Menschen geben vor, Zivilisten zu sein mit „Schlips“ und Anzug, doch in Wahrheit wachsen ihnen „Gefreitenknöpfe“. Ein Gefreiter stellt den untersten Dienstgrad der Armee dar: Er muss fast blind alle Befehle befolgen, da er noch keinerlei Befehlsgewalt hat.
Diederich (r.) war während seiner Militärzeit Radio-Funker
Der Drill im vorerst englischen „battle dress“ mit dem platten britischen Schüsselhelm auf dem Kopf, wurde von in England ausgebildeten Luxemburger Militärs vorgenommen und war recht anspruchsvoll. Aloyse Diederich verbrachte ein Jahr in Bitburg, während dem er als sogenannter T.S.-Radio-Funker – wie übrigens der spätere Theaterschauspieler Tun Deutsch auch – zusammen „mit einem Offizier im Jeep umherfuhr“, wie er erzählt. Mit der zivilen Bevölkerung hatte er nur selten bei den Ausgängen Kontakt und so kann er sich denn auch nicht an Zwischenfälle zwischen den Besatzern und den einheimischen Deutschen erinnern … (siehe Zeitleiste).
Aloyse Diederich posiert mit seinem „béret“ von 1952 für die Kamera
(Foto: Isabella Finzi)
Die meisten seiner Kameraden der A-Kompanie, alle ebenfalls Jahrgang 1932/33, stammten aus der Moselgegend oder aus dem „Éislék“. Diederich dagegen wurde zwar in Derenbach geboren, zog als kleiner Junge aber bereits mit seinen Eltern in die Escher Stalingrad-Straße. Er und seine Kameraden waren der Artillerie zugeordnet, wo sie sich progressiv mit den an Luxemburg abgegebenen englischen Kanonen vertraut machen mussten. Diederich traf in der Bitburger Kaserne auf einige andere Radrennfahrer, von denen der talentierte Roger „Knoggo“ Ludwig das größte Palmarès aufzuweisen hatte. So hatte der „wilde“ Knoggo Charly Gaul bei der Flèche du Sud 1951 sowie bei einigen anderen Rennen hinter sich gelassen.
Räder stellte die Armee
In Bitburg kam die Armee den Radsportlern entgegen, indem sie ihnen Rennräder zur Verfügung stellte und sie damit trainieren ließ. Aloyse Diederich kann sich noch gut erinnern, als „Knoggo“ zusammen mit Pier Weber und Paul Jucken aus einer Trainingsfahrt eine Spritztour machte und das „Ausreißertrio“ erst nach drei Tagen wieder auftauchte … Alle drei landeten im „Bing“ und mit dem Radfahren war es bei der Armee endgültig vorbei.
Nach der Militärzeit trafen sich die Kompanie-Mitglieder noch ein paar Mal zum obligaten Konveniat, doch man verlor sich immer mehr aus den Augen. Von den 119 „Gunners“ dürften laut Diederich nur noch höchstens drei bis vier am Leben sein.
1954 kam der faire und friedfertige Kämpfer „zeréck op Esch“, wo er zuvor eine Lehre als Gärtner gemacht hatte. Später wurde er Pförtner in der „Dellhéicht“-Schule. Sein privates Glück fand er ebenfalls. Seine Frau Marie-Louise starb vor gut drei Jahren, viel Zeit verbringt er mit seiner Tochter Fabienne, Gemeindesekretärin in Schifflingen.
Auch stieg er nach seiner Militärzeit wieder in den Sattel, wobei er allerdings feststellen musste, dass auf einmal verschiedene Konkurrenten, denen er vorher deutlich überlegen war, plötzlich die Nase vorn hatten. Ob dies mit den „Kamellen“ zu tun hatte, die sie in der hinteren Trikottasche mit sich führten, fragt sich „Sportkanone“ Aloyse noch heute.
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Interessant! Kenne und schätze Aloyse Diederich aus seiner Zeit als Strassenläufer, der in seinen jeweiligen Alterskategorien ausgezeichnete Resultate aufweisen kann und bis ins hohe Alter aktiv war. Wunsche ihm alles Gute und noch viele Jahre bei bester Gesundheit.