Pandemie / Der Tausendsassa: Wie Gastronom Renzo Bellanima die Krise meistert
Mit geschlossenen Lokalen, Sperrstunden und Kontrollen der Gäste ist die Gastronomie ein Bereich, der von der Pandemie besonders hart getroffen wurde. Wie viele seiner Kollegen in der Branche hat auch der Inhaber des Restaurants „Delirio Culinario“ in Luxemburg-Stadt, Renzo Bellanima, weiterhin mit den Herausforderungen der Krise zu kämpfen. Er trotzt diesen mit Entschlossenheit und kreativen Ideen.
Eben stand er noch an der Kaffeemaschine und schon sitzt man bei einer dampfenden Tasse Milchkaffee mit Renzo Bellanima an einem Tisch und bekommt auf einem Laptop das Angebot seiner Plattform für Essenslieferungen gezeigt. Der Besitzer des Restaurants „Delirio Culinario“ in der rue du Fossé in der Hauptstadt von Luxemburg fackelt nicht lange. Auf eine sympathische Art wirkt der 45-Jährige direkt und pragmatisch. Eigenschaften, die dem gelernten Gastronomen sicherlich bei der Bewältigung der anhaltenden Krise helfen und bereits geholfen haben.
Denn als sich im März 2020 das Virus auch im Großherzogtum ausbreitet und erstmals einen Lockdown, geschlossene Lokale sowie Unsicherheit mit sich bringt, bewahrt Renzo Bellanima einen kühlen Kopf, wie er erzählt: „Manche bekamen Panik und in verschiedenen Betrieben wollte das Personal nicht mehr arbeiten. Ich kenne welche, die liefern seit 30 Jahren aus und die mussten in dieser Zeit ganz schließen.“ Im „Delirio Culinario“ allerdings wird weiterhin ein Lieferservice angeboten. „Wir hatten einen Ansturm an Bestellungen und mussten zwei zusätzliche Autos kaufen. Der Barmann, der Tellerwäscher – jeder half beim Ausliefern.“
Als Premierminister Xavier Bettel bei einer Pressekonferenz dann davon spricht, dass man sich in der Krise neu erfinden müsse, tut Renzo Bellanima genau das. Der in Luxemburg geborene Sohn italienischer Eltern, der im hauptstädtischen „Lycée Technique de Bonnevoie (LTB)“ den Beruf des Gastronomen gelernt hat und schon im jungen Alter im Restaurant seiner Mutter aushalf, weitet am Anfang der Krise das Essensangebot im eigenen Lokal aus: Ab April 2020 bereiten die Köche neben Nudeln und Pizzen nun unter anderem auch Panzerotti und sogar Burger sowie Fajitas zu. Da das Restaurant zu diesem Zeitpunkt nur für Lieferungen geöffnet ist, haben der Inhaber und seine Mitarbeiter Zeit dafür, Neues auszuprobieren.
Kreative Gerichte
Zusammen stehen sie in der Küche: „Man muss ja wissen, wie man es macht, wie man beispielsweise die Fajitas faltet. Für die Gewürze bin ich dann einfach hier auf den Markt gegangen und habe mir eine Mischung zusammenstellen lassen. Das Rezept ist natürlich geheim“, lacht Renzo Bellanima und deutet in Richtung des „Knuedler“, wo normalerweise Händler ihre Ware anbieten. Beim Erstellen der neuen Speisekarten lässt der Unternehmer seiner Fantasie freien Lauf: In Anlehnung an das für seinen Käse bekannte italienische Aostatal wird beispielsweise der Burger mit vier verschiedenen Käsesorten „Burger Aosta“ getauft.
Den neuen Gerichten wird eine italienische Note verliehen. Und doch passen die Snacks nicht so richtig zur Karte des etablierten Restaurants, in dem auch Politiker oft zu Gast sind – wie Renzo Bellanima nicht ohne Stolz berichtet. „Die Kunden finden das etwas seltsam, wenn beim Italiener plötzlich Burger angeboten werden“, erklärt er weiter. Deshalb greift er in der Pandemie zu einem kleinen Marketing-Trick und eröffnet separat zu seinem Hauptlokal sozusagen virtuelle Restaurants. Er entwickelt neue Marken, wie er es formuliert: So können seitdem bei „Hamburgeria Gourmet“ beispielsweise amerikanische Spezialitäten mit italienischem Touch oder bei „La Maison du Dessert“ ausschließlich Nachspeisen wie Panna Cotta, Tiramisu und Co. bestellt werden.
Zubereitet wird alles in der Küche des „Delirio Culinario“, von wo aus es auch zu den Kunden gefahren wird. Abgewickelt werden die Bestellungen über die Plattform livrando.lu, die Renzo Bellanima bereits vor rund sechs Jahren mit einem Geschäftspartner gegründet hat. Etwa 100 Restaurants – vor allem reale Lokale, aber eben auch die neuen, virtuellen Gaststätten von Renzo Bellanima – sind auf der Webseite und in der dazugehörigen App registriert und werden dem Nutzer je nach Standort angezeigt. Dieser kann dann bei einem Restaurant in der Nähe bestellen. Mit der Technik der Webseite kommt der Unternehmer inzwischen gut zurecht. „Mittlerweile weiß ich, wie ich eine Speisekarte online setze. Ich lerne gerne dazu“, stellt der Mann fest, der von sich selbst sagt, ein Tausendsassa zu sein.
Pandemie mit Folgen
Seit 28 Jahren arbeitet Renzo Bellanima in der Gastronomie und hat sich in den vergangenen zwei Jahren den Herausforderungen der Krise gestellt. Und doch hat das Geschäft gelitten: Der Umsatz ist trotz erfolgreichem Lieferservice gesunken. Wo einst im Durchschnitt 120 Essen pro Tag – an den Wochenenden auch mal mehr als 200 – serviert wurden, seien es aktuell etwa 40. Fragt man den Restaurantbetreiber nach dem schwersten Zeitpunkt der Pandemie, lautet die prompte Antwort: „Der ist jetzt. Die Situation ist katastrophal, da kaum Menschen unterwegs sind.“ Er führt das auf das Homeoffice, aber auch auf die Bauarbeiten an Parkhäusern in der Stadt zurück.
Ein Problem sei auch der aktuelle Personalmangel in der Branche, da viele sich wegen der großen Unsicherheiten einen anderen Beruf gesucht hätten. Dass das Team von Renzo Bellanima derzeit vollständig ist, liegt auch daran, dass bei ausbleibenden Gästen nicht so viele Mitarbeiter gebraucht werden. Ganz still wird der ansonsten so energiegeladene Mann und sagt dann auch geradeheraus: „Ob man bei alldem weitermachen will, ist schwer zu beantworten. Uns wurde der Boden unter den Füßen weggerissen und für die Zukunft bleiben noch viele Fragezeichen.“ Gleichzeitig habe das Restaurant ihm immer viel Freude und Zufriedenheit gebracht, fügt Renzo Bellanima mit einem etwas traurigen Lächeln hinzu.
Um im nächsten Moment schon wieder etwas heiterer von seinem nächsten Projekt zu erzählen: Über die bestehende Plattform sollen künftig nämlich auch andere Lieferdienste angeboten werden – beispielsweise für Blumen. So werden dann Bestellungen von Läden abgewickelt, die keinen eigenen Lieferservice haben. Demnach wird sich das Angebot dann nicht mehr nur auf die Gastronomie beschränken. Man merkt Renzo Bellanima die Begeisterung an, als er davon erzählt. Und deshalb zweifelt man auch nicht daran, als er zum Abschied sagt: „Wir werden versuchen, weiterzumachen.“ Er wird das tun. Auf seine Art und Weise.
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