Editorial / Der Weg aus der Krise heraus ist noch immer nicht zu erkennen
Die Zahl der aktiven Infektionen hat laut Corona-Rückblick der vergangenen Woche im Großherzogtum einen neuen Höchstwert erreicht: 28.767 Menschen hatten das Coronavirus. Das sind fast fünf Prozent der Luxemburger Bevölkerung. Gleichzeitig befanden sich laut „Retrospektive“ 67 Menschen mit dem Coronavirus im Krankenhaus – die meisten ungeimpft. Mit 19 Covid-19-Patienten auf der Intensivstation bleibt die Lage also stabil. Doch: „Rund 100 Personen sind von Isolierung oder Quarantäne betroffen, was dazu geführt hat, dass Personal zurückgerufen bzw. Urlaub annulliert werden musste“, sagte ein Sprecher der „Hôpitaux Robert Schuman“ am Dienstagabend dem Tageblatt gegenüber.
Die hohen Infektionszahlen fangen also langsam, aber sicher an, an den Personalbeständen zu knabbern – auch in anderen Betrieben. Glücklicherweise ist die Situation noch nicht so schlimm, dass essenzielle Dienstleistungen ausgefallen sind. Aber die Arbeitgeber blicken trotzdem besorgt auf die Krankenscheine, die jeden Tag im Briefkasten landen. Die Hoffnung einer ungefährlichen Durchseuchung ist also auch mit der Omikron-Variante nicht realistisch.
Auch der Chef der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus, hat vergangene Woche eindringlich vor einer Verharmlosung von Omikron gewarnt. „Omikron mag im Durchschnitt weniger schwerwiegend sein, aber die Erzählung, dass es sich um eine harmlose Krankheit handelt, ist irreführend (…) und kostet mehr Leben“, sagte der WHO-Chef. Vor allem, weil die zweifache Impfung nur bedingt vor einer Ansteckung mit der Omikron-Variante schützt – nach einem Booster liegt der Schutz zwischen 50 und 70 Prozent. Das sagte schon der Epidemiologe Joël Mossong von der Gesundheitsinspektion Anfang Januar dem Tageblatt gegenüber. Trotzdem schützt die Impfung natürlich vor schweren Verläufen – das kann nicht oft genug wiederholt werden.
Dann stellt sich nun die Frage: Wann können wir endlich wieder ein Leben wie vor der Pandemie führen? Wann können wir ohne Maske, ohne Covid-Check und ohne Angst vor dem Virus mit Freunden im Café sitzen und über die vergangene Krise philosophieren? Wenn die Impfung nicht mehr so wirkt, wie das am Anfang der Fall war, können auch die anfänglichen Rechnungen der Herdenimmunität nicht mehr als Maßstab für die Aufhebung des Krisenzustandes gelten. Es fehlt momentan also eine klare Ziellinie, auf die man hinarbeiten kann.
Eins ist allerdings klar: Solange die Zahl der Menschen in Isolation und Quarantäne nicht sinkt, kann die Regierung es nicht riskieren, die Maßnahmen zu lockern und so das Funktionieren der Krankenhäuser – und der Wirtschaft – aufs Spiel zu setzen. Das Motto bleibt also „warten“. Doch auf was? Eine höhere Impfquote? Leere Krankenhausbetten? Einen neuen Impfstoff gegen Omikron? Die Sehnsucht nach Normalität macht ungeduldig.
In Großbritannien und Dänemark steht die Aufhebung der Corona-Einschränkungen vor der Tür. Ob das die richtige Entscheidung ist, sei dahingestellt. Vor allem kann man ihre Situation nicht mit der unseren vergleichen. Trotzdem kommt man nach zwei Jahren Pandemie nicht drum herum, sehnsüchtig in Richtung Norden zu schauen. Vor allem, weil für das Großherzogtum noch kein Ende in Sicht zu sein scheint.
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„Wann können wir ohne Maske, ohne Covid-Check und ohne Angst vor dem Virus mit Freunden im Café sitzen und über die vergangene Krise philosophieren?“ Ich sitze jetzt schon bei Freunden, und wir reden über Wohnungskrise, Geldnot, Kaufkraft, Gehälter, Stau, Immobilienpreise, Ukraine, CO2, Gaspreise, Steuerreform, Spekulationssteuer, Bevölkerungswachstum und natürlich Auswanderziele. Nur Covid wird nie erwähnt.