„180-Grad-Kehrtwende“ / Der Wolf im Visier: Sein Schutzstatus soll herabgestuft werden
Luxemburg stimmt dem Antrag der EU-Kommission zu, den Schutzstatus des Wolfs herabzustufen. Ein Problem mit Wölfen gibt es in Luxemburg jedoch nicht. Die CSV-DP-Regierung hat genau wie die EU-Kommission eine „180-Grad-Kehrtwendung“ zu diesem Thema hingelegt.
Der Schutzstatus des Wolfs steht diese Woche auf der Tagesordnung der EU. Bisher hat sich Luxemburg gegen eine Herabstufung von „streng geschützt“ auf „geschützt“ ausgesprochen. Doch dies wird sich ändern. Wie Agrarministerin Martine Hansen (CSV) auf Tageblatt-Nachfrage bestätigt, wird der Schutzstatus des Wolfs in Luxemburg heruntergestuft werden. Das Umweltministerium, das eigentlich für diese Frage zuständig ist, schweige aktuell zu diesem Thema, man wolle derzeit dazu nicht kommunizieren, berichtet der Radiosender 100,7.
Hansen betont, dass der Wolf im Falle einer Herabstufung weiterhin geschützt bleibe. Es sei ein Fakt, dass es in manchen Ländern ein Problem gebe, sagt die Ministerin. Luxemburg würde sich nun solidarisch mit diesen Ländern zeigen und wäre dafür, dass der Wolf vom hohen Schutzstatus auf den Status „geschützt“ zurückgestuft werde. Für Luxemburg ändere sich damit jedoch nichts, da es hierzulande kein Problem gebe, sagt die Ministerin.
„Solidarität finde ich keine gültige Entschuldigung in diesem Fall“, betont die frühere Umweltministerin Joëlle Welfring („déi gréng“) im Gespräch mit dem Tageblatt. Sie sehe faktisch nicht ein, warum man auf EU-Level handeln müsse. Es gebe weder in Luxemburg noch auf europäischer Ebene zurzeit einen Grund, den Schutzstatus des Wolfs zu ändern. Denn, da sind sich Welfring und Hansen einig: Luxemburg habe kein Problem. Gesetzmäßig dürften hierzulande Wölfe beseitigt werden, wenn sie eine Gefahr für Mensch oder Tier darstellten. Wenn ein Wolf ein Herdentier von einem Bauer töte, gebe es neben präventiven Maßnahmen auch die finanzielle Unterstützung vom Staat – das bedeute, dass sowohl rechtlich als auch finanziell keine Ursache bestünde, den Schutzstatus zu ändern.
„Nicht besonders glaubwürdig“
Welfring zeigt sich zudem überrascht über den Sinneswandel des aktuellen Umweltministers Serge Wilmes (CSV). Noch vor kurzer Zeit hätte er ihr versichert, sich verstärkt für den Umwelt- und Naturschutz einzusetzen. Nun würde man sehen, wer einen stärkeren Einfluss hätte, wenn es darauf ankomme. Welfring bezeichnet dies als „nicht besonders glaubwürdig“. Auch Martine Hansens Verhalten findet die frühere Umweltministerin fraglich: In der letzten Legislaturperiode hätte Hansen gesagt, man müsse faktenbasiert handeln: „Das hat sie hier nicht gemacht“, sagt Welfring und stellt auch die Relation zwischen dem Umwelt- und dem Agrarministerium infrage. „Jetzt auf einmal wird es verändert – wenn man Umweltminister ist, muss man einem gewissen Druck standhalten“, meint Welfring.
Zudem betont Welfring die Wichtigkeit der Wölfe für die Biodiversität und auch für die wirtschaftliche Entwicklung. „Sie sind ein wertvoller Teil des Biodiversitätsgleichgewichts.“ Denn Fakt sei, dass es in Luxemburg ein Problem mit der Überbevölkerung von Schwarz- und Rotwild gebe – also Wildschweinen, Hirschen und Rehen. Die Jäger könnten ihre Abschießpläne dadurch nicht immer einhalten. Mit dem Wolf habe man ein Raubtier, welches dabei helfen könne, diese Populationen in Schach zu halten. Dies betont auch die Präsidentin des „Mouvement écologique“ (Mouveco). Blanche Weber betont gegenüber dem Tageblatt die bedeutende Rolle des Wolfs in unserer Natur: „Wölfe ernähren sich erwiesenermaßen zu über 90 Prozent von Rehen und Wildschweinen. Nutztiere stellen weniger als 1 Prozent ihres Nahrungsbedarfes dar, was bedeutet, dass die wirtschaftlichen Folgen demnach begrenzt sind.“ Zudem betont Weber, dass es keine wissenschaftlichen Kriterien gebe, die ein Umdenken rechtfertigen würden. Dem Mouveco sei bewusst, dass Wölfe regional für Probleme sorgen können, dafür gebe es jedoch auch Lösungen.
Tilly Metz, Mitglied der Grünen/EFA-Fraktion, bedauert „zutiefst“, dass die Luxemburger Regierung sich für die Schwächung des Schutzstatus des Wolfs ausgesprochen hat. „Anstatt den Abschuss von Wölfen ohne ausreichende wissenschaftliche Begründung zu genehmigen, sollte vielmehr in den Herdenschutz investiert werden, um eine friedliche Koexistenz zwischen Wölfen und Landwirtschaft zu gewährleisten“, schreibt die Grünen-Abgeordnete in einer Pressemeldung. Nach gut 100 Jahren wurde 2017 der erste Wolf in Luxemburg gesichtet. Metz bezeichnet dies als einen „großen Erfolg für den europäischen Artenschutz“. „Die Lockerung des Schutzstatus wäre ein großer Rückschritt.“ Auch die Piraten bedauern in einer Pressemeldung die Entscheidung der Luxemburger Regierung und positionieren sich „klar gegen die politische Entscheidung der CSV-Minister, dass der Wolf in Zukunft einfacher geschossen werden kann“. Es sei eine Entscheidung, die „nach Hinterzimmergesprächen mit den europäischen Parteikollegen der CSV getroffen wurde“.
Lockerung könnte andere Tiere gefährden
Der Wolf ist in der gesamten EU streng geschützt. Die Europäische Kommission stimmt am Mittwoch über einen Antrag ab, der diesen Schutzstatus herabsetzen könnte – was die Jagd auf Wölfe erleichtern würde. Seit Monaten bemüht sich die Kommission um Unterstützung für diesen Vorschlag. Mehrere EU-Länder, darunter skandinavische Staaten, Italien und die Slowakei, befürworten ihn, während andere, wie Deutschland, noch unentschlossen sind.
Es stelle sich die Frage, ob der Abschuss von Problemwölfen Weidetiere besser schützen würde, sagt Daniela Freyer, Diplom-Biologin und Mitbegründerin von Pro Wildlife dem Deutschlandfunk. In dem Vorschlag der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gehe es darum, eine reguläre Bejagung zu erlauben – und das würde zum Schutz überhaupt nichts beitragen. Studien würden zeigen, dass mehr Abschüsse nicht zu weniger Weidetierrissen führten. Was benötigt werde, sei ein besserer Schutz der Weidetiere, sagt Freyer. Doch auch die Aufklärung in den verschiedenen Mitgliedstaaten müsse ausgebaut werden, um ein Miteinander von Mensch und Wolf zu erreichen.
Die Lockerung des Schutzstatus könnte zudem auch andere Säugetiere gefährden, sagt Freyer. Bisher habe noch nie ein Kommissionspräsident in einem internationalen Forum vorgeschlagen, das Schutzniveau einer bedrohten Art zu senken. Würde der Wolfsschutz nun aus rein politischer Motivation gelockert werden, könnte das einen erheblichen negativen Präzedenzfall für den Arten- und Naturschutz in Europa setzen und auch zu einer Abschwächung der Schutzbestimmung für andere Arten führen, warnt Freyer. Einige EU-Länder würden bereits jetzt fordern, auch den Schutzstatus von Tieren wie Braunbären und Luchsen zu schwächen, was zu einer generellen Aufweichung des Artenschutzes führen könnte.
Die EU-Kommission hat den Antrag im Dezember 2023 gemacht. In der Vergangenheit hat die EU jedoch mehrfach gegen eine Lockerung des Wolfsschutzes gestimmt. Die EU-Kommission habe eine „180-Grad-Kehrtwende“ hingelegt, sagt Freyer. Sie ergreife nun Partei vor allem für die Bauern und Jäger, die schon lange einen Abschuss der Wölfe fördern.
Entscheidung vielleicht am Donnerstag
Bisher hat sich Luxemburg immer für einen kompletten Schutz des Wolfs eingesetzt. Im März betonte Umweltminister Serge Wilmes (CSV) in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage noch, dass der Wolf eine bedeutende Rolle für die Biodiversität und die Gesundheit der Wälder spiele. Zudem wies er darauf hin, dass genügend rechtliche Möglichkeiten bestünden, um bei Bedarf problematische Wölfe zu töten.
Blanche Weber, Präsidentin des „Mouvement écologique“, weist darauf hin, dass das Votum für die Population des Wolfes weltweit entscheidend sein wird: „Es geht hier um die Bedeutung, die Arten und Lebensräumen – unserer natürlichen Umwelt und dem menschlichen Lebensraum – EU-weit eingeräumt wird und nicht darum, welche Politik Luxemburg in unserem Land verfolgen will“. Und dabei stelle sich die Frage, ob sich Luxemburg in der Rolle sieht, europaweit für die Werte der Biodiversität einzutreten oder nicht, schreibt Weber.
Der Schutzstatus des Wolfs wird am Mittwoch von den Botschaftern der 27 EU-Länder diskutiert. Eine definitive Entscheidung über den Schutzstatus des Wolfs könnte laut 100,7 am Donnerstag fallen.
Protestaktion am Dienstag
Das „Mouvement écologique“ wird zusammen mit der „natur&ëmwelt asbl.“ am Dienstagmorgen vor dem Ministerium für Umwelt, Klima und Biodiversität eine Protestkundgebung zu dieser Problematik abhalten. „Wir erwarten eindeutig, dass Luxemburg bei seiner bisherigen Haltung bleibt und sich für den höchstmöglichen Schutz des Wolfes einsetzt“, schreibt „Méco“-Präsidentin Blanche Weber.
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