Sieben Kilometer Baustelle / Deswegen fahren die Züge nicht: Ein Blick auf die neue CFL-Strecke
Es ist ein riesiges Projekt: Die neue Zugstrecke zwischen Bettemburg und Luxemburg-Stadt soll die Bahn verlässlicher und pünktlicher machen. Ab 2027 wird die Neubaustrecke in Betrieb genommen. Bis dahin muss die bestehende Strecke noch regelmäßig geschlossen werden. Die CFL verspricht sich viel vom Projekt – und hat die Presse am Mittwoch zu einer ausführlichen Führung der Baustellen eingeladen.
Hinter Hügeln und Wäldern verbirgt sich eine der größten Baustellen Luxemburgs. Bauarbeiter schuften seit Jahren an einem Projekt, das sich über sieben Kilometer von Bettemburg nach Luxemburg-Stadt erstreckt: die Neubaustrecke (NBS) der CFL. Dabei handelt es sich um eine komplett neue Eisenbahnlinie, die die bereits bestehende Verbindung zwischen Bettemburg und Luxemburg-Stadt entlasten soll. Die Schienen haben zwar den gleichen Start- und Schlusspunkt, verlaufen allerdings für den größten Teil auf unterschiedlichen Seiten der A3. Das Budget beträgt 407 Millionen Euro, der Baubeginn war im Januar 2016 und die schrittweise Inbetriebnahme ist für 2027 geplant.
Geschlossene Zugstrecke
Während der Sommerferien fahren wegen der Bauarbeiten keine Züge zwischen Bettemburg und Luxemburg-Stadt. Bis zum 11. August wird auch der Bahnhof in Bettemburg nicht angefahren. Die CFL setzt dafür auf mehr als 100 Ersatzbusse und 200 Busfahrer, um 800 Fahrten pro Tag durchzuführen. Dies hat anfänglich zu Problemen in unter anderem Thionville geführt. Doch: Die Kapazität könne nicht erhöht werden. „Es sind nicht mehr Busfahrer und Busse während dieser Zeit verfügbar – die Betreiber haben ebenfalls Mitarbeiter, die im Urlaub sind“, sagte CFL-Generaldirektor Marc Wengler am Mittwoch der Presse. Die CFL greift während der Schulferien auch auf Schulbusfahrer zurück. Wengler gibt allerdings zu: „Am Anfang hatten wir ein paar Probleme, aber mittlerweile sind die Kunden eher zufrieden. Natürlich können wir die Kapazität und den Komfort der Züge nicht komplett mit Bussen ersetzen. Es gibt leider Unannehmlichkeiten, aber wir tun unser Bestes, um einen guten Service zu bieten.“
Die Arbeiten an der Strecke Bettemburg – Luxemburg-Stadt sind allerdings wichtig für das Mobilitätskonzept Luxemburgs, sie ist nämlich das am meisten befahrene Teilstück des Landes. Die CFL verspricht sich durch die zwei getrennten Teilstücke eine verbesserte Pünktlichkeit, ein zuverlässigeres Angebot und die Möglichkeit, der zunehmenden Nachfrage aus dem Süden des Landes gerecht zu werden. „Wir befinden uns in einer Nachhol-Periode“, sagte ein CFL-Pressesprecher. Das Unternehmen überprüfe momentan unter anderem, ob die Züge aus Düdelingen nach Abschluss der Arbeiten öfter nach Luxemburg-Stadt fahren können. Und: Züge aus der französischen Region „Sillon Lorrain“ (Thionville, Metz, Nancy und Épinal) sollen in Zukunft nur über die neue Strecke fahren – die voraussichtlich im Mai 2026 an das bestehende Netz angeschlossen wird.
Jede Linie soll einen eigenen Bahnsteig im hauptstädtischen Bahnhof erhalten, was unter anderem durch die Vergrößerungsarbeiten am hauptstädtischen Bahnhof möglich ist. Diese sollen bis 2025 abgeschlossen sein. Hier betragen die Kosten laut CFL 171 Millionen Euro. Auch am Bahnhof Howald wird momentan gearbeitet. Dieser multimodale Knotenpunkt erhält bis September 2025 einen zusätzlichen Bahnsteig und mehrere neue Gleise – wovon eins nur für Güterzüge vorgesehen ist, damit diese den Personennahverkehr nicht stören. „Ein Projekt wie die Neubaustrecke ist wirklich abhängig von den Hauptknotenpunkten – das sind die Bettemburger, Howalder und hauptstädtischen Bahnhöfe“, so der Pressesprecher. Deswegen werden zusätzlich zu der Strecke auch alle drei Bahnhöfe umgebaut.
Mehr als nur Schienen
Die Neubaustrecke besteht allerdings nicht nur aus Schienen. Zum Projekt gehören mehrere verschiedene Baustellen: Eine Unterführung für 1,3 Millionen Euro (siehe Grafik Punkt 9), eine Fahrradbrücke für 6,8 Millionen Euro (7), eine Autobrücke für 5,8 Millionen Euro (5), eine ferngesteuerte Kontrollstation für vier Millionen Euro (4) und eine weitere, kleinere Autobrücke für 3,9 Millionen Euro (3). Eine weitere Brücke (2) ermöglicht es dem Straßenverkehr auf der N31 in Livingen, die Zugstrecke zu überqueren. Diese Baustelle kostet 10,4 Millionen Euro, beinhaltet einen Fahrradweg und soll 2024 abgeschlossen sein.
Auffallend sind allerdings die größeren Projekte – allen voran die Bowstring-Brücke (8), die 2022 auf ihren Platz gehoben wurde. Sie ist 40 Meter hoch, 200 Meter lang und wiegt 12.500 Tonnen. Der Bau fing 2019 an und die Arbeiten sind noch nicht abgeschlossen. Kostenpunkt: 28,5 Millionen Euro.
„Es ist eines der größten Bauprojekte in Europa in der Kategorie einer Bowstring-Brücke“, erklärt ein sichtlich begeisterter Rui Raimundo, Projektleiter der NBS. Das Statikmodell sei einzigartig. „Bis zum Zeitpunkt, als wir die Brücke auf ihren Platz gelegt haben, hatten wir keine hundertprozentige Garantie für die statische Funktionsfähigkeit.“ Die Brücke müsse viel Gewicht sowie die Beschleunigung und das Bremsen eines Zuges aushalten. Zum Bau der Metallbrücke mussten laut Raimundo außerdem speziell ausgebildete Schweißer mit einem Zertifikat des höchsten Grades aus dem Ausland eingestellt werden. Sie haben insgesamt knapp 30 Tonnen Schweißdraht auf der Baustelle verarbeitet.
Hammelsprünge und andere Wildtiere
Eine weitere Großbaustelle liegt direkt neben dem Bettemburger Bahnhof. Dort trennt sich nämlich die neue von der bereits bestehenden Zugstrecke. Die Betonkonstruktion heißt „Saut-de-mouton“ (1). Der Grund: Die NBS verläuft zum Teil über den alten Schienen. Die Arbeiten fingen 2018 an und fanden 2021 ihren Abschluss. Ein Fahrradweg führt unter dem 26,2 Millionen teuren „Hammelsprung“ hindurch.
Die Neubaustrecke ist ein riesiges Projekt – und stellt dementsprechend auch einen großen Eingriff in die Natur dar. Zur Kompensation solcher Bauvorhaben gibt es in Luxemburg das Ökopunkte-System – die NBS hat fünf Millionen davon auf ihrem Konto. Würde die CFL nicht die entsprechenden Kompensationsmaßnahmen ergreifen, müsste das Unternehmen also fünf Millionen Euro an den Staat bezahlen. Das wird laut Rui Raimundo allerdings nicht nötig sein. Die Pläne zur Kompensation stehen schon.
Zum einen hat die CFL eine Wildtierpassage über die A3 (siehe Grafik Punkt 6) von 11,7 Millionen Euro gebaut. Sie ist 72 Meter lang, 51 Meter breit und zehn Meter hoch. Die begrünte Brücke verbindet das „Fennerholz“ auf der Hesperingen-Seite mit dem Wassereinzugsgebiet auf der Kockelscheuer-Seite. Das Bauwerk steht seit 2021. Dafür wurden der CFL 140.000 Ökopunkte gutgeschrieben. Mehr Punkte gibt es allerdings für die Renaturierung der Alzette – 1,5 Millionen davon erhält das Unternehmen dafür. Hinzu kommen noch etliche neu gepflanzte Wälder, Hecken und begrünte Streifen neben der neuen Eisenbahnstrecke.
Bis es so weit ist, muss die CFL die bestehende Zugstrecke zwischen Bettemburg und Luxemburg-Stadt noch mehrmals schließen. Nächstes Jahr wird dort während der Oster- und Sommerferien kein Zug fahren – 2026 und 2027 nur während der Sommerferien. Nach dem Abschluss der Arbeiten wird sich der Zugverkehr laut CFL allerdings wesentlich verbessern.
Die Neubaustrecke in Zahlen
– Zwei mal sieben Kilometer millimetergenau verlegte Gleise
– Eine Million Kubikmeter Erdreich terrassiert
– 70.000 Tonnen Schotter auf sieben Kilometer verteilt
– Acht Brückenbauten, von denen vier die A3 überspannen
– 3.000 Basaltsäulen zur Verstärkung des Bodens zwischen dem „Saut-de-mouton“ und der „Aire de Berchem“.
– 150 Kilometer Signal-, Funk- und Weichenkabel verlegt/gespannt
– 188 von 362 Oberleitungsmasten wurden bereits installiert, 14 Kilometer Oberleitungen müssen noch abgerollt werden
– 13 Rückhaltebecken mit einer Gesamtkapazität von 4.750 Kubikmetern Wasser
– Mehr als 20 Unternehmen, die insgesamt mehr als 800 Mitarbeiter mobilisieren, haben teilgenommen
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