Grenzkontrollen / Deutschland weist 32 Menschen zurück – aber nur zwei kommen in Luxemburg an
Verschwunden in der Sauer? 32 Menschen hat Deutschland im Zuge der Grenzkontrollen an Luxemburg zurückgewiesen. Aber nur zwei kamen im Großherzogtum an.
Sie sollen dem „Schutz der inneren Sicherheit“ und der „Reduzierung irregulärer Migration“ dienen. Seit dem 16. September kontrolliert Deutschland seine Außengrenzen. An der zu Luxemburg sind sogar zwei permanente Checkpoints aufgebaut. Einer kurz hinter dem Grenzübergang bei Schengen auf der Autobahn nach Saarbrücken. Und einer auf der Hauptpendlerstrecke von Deutschland nach Luxemburg: auf der A64 bei Trier.
Zum Job der Polizisten an der Grenze gehört auch, Personen die Einreise zu verweigern. Ein Sprecher der Trierer Polizei-Inspektion erklärte in der Vergangenheit, bei wem das passiert: Menschen, die „keine Voraussetzung erfüllen, kein Visum, keinen Aufenthaltstitel, oder eine Einreisesperre haben.“ Wenn solche Menschen „nachweislich aus Luxemburg“ kommen, dann könnten sie auch dorthin zurückgewiesen werden, sagt der Sprecher. „Dann macht die Polizei dort ihre Arbeit.“
Konkret läuft so eine Überstellung nach Luxemburg laut dem Sprecher so ab: Die betroffenen Personen werden auf die Bundespolizeiwache nach Trier gebracht. Dort werden die erkennungsdienstlichen Maßnahmen gemacht – also Fingerabdrücke abgenommen, Fotos gemacht. Von der Inspektion gehe es dann nach Wasserbilligerbrück. „Da ist dann die Übergabe.“ Das Ganze geschehe immer in Rücksprache mit der Luxemburger Polizei.
32 überstellte Personen
Ob es um die Rücksprachen zwischen den beiden Polizeibehörden so gut bestellt ist, darf bezweifelt werden. Denn die Bundespolizei will allein im Zeitraum zwischen 16. September und 30. September „32 Zurückweisungen an die Luxemburger Kollegen“ gemacht haben. Das erklären sowohl die Trierer Bundespolizei-Inspektion als auch die zuständige Direktion in Koblenz Anfang Oktober auf Tageblatt-Nachfrage.
Das Problem: Auf Luxemburger Seite weiß man nur von wesentlich weniger Fällen. Die Luxemburger Polizei erklärte am 4. Oktober gegenüber dem Tageblatt: „Seit Beginn der derzeitigen Kontrollen seitens der deutschen Polizei wurde eine Person an die Luxemburger Polizei übergeben.“ Am 15. Oktober erklärte Luxemburgs Innenminister Léon Gloden in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage: „Seit der Ankündigung der deutschen Kontrollen wurden zwei Personen an die ‚Police grand-ducale’ übergeben.“ Beide konnten das Kommissariat übrigens wieder verlassen. Wohin? Diese Frage vom Tageblatt bleibt unbeantwortet.
Die Differenz im transnationalen Zahlenwerk ist aber so oder so erstaunlich. Zwei versus 32 – wo sind die verbleibenden 30 Personen? Das hat das Tageblatt sowohl das Luxemburger Innenministerium als auch die deutsche Bundespolizei bereits vor Wochen gefragt. Die Antwort: blieb bis jetzt aus. Sowohl die Luxemburger als auch die deutschen Behörden zögerten eine Stellungnahme immer wieder hinaus. Das letzte Signal der Bundespolizei kam nach einem abermaligen Anruf in Koblenz am 18. Oktober. Die Frage müsse auf „Direktionsebene“ geklärt werden.
Seitdem herrscht Stille. Weiß die Polizei etwa trotz Kontrollaktion nicht, was an den Grenzen passiert?
Gibt es überhaupt eine rechtliche Grundlage?
Dass die deutschen Behörden eine offizielle Presseanfrage unbeantwortet lassen, ist unüblich. Das Informationsfreiheitsgesetz ist im Nachbarland ungleich stärker als in Luxemburg. Dass die Tageblatt-Anfrage ignoriert wird, könnte aber nicht nur am grenzüberschreitenden Zahlensalat hängen – sondern auch am zweiten Teil der Frage. Denn egal, ob es nun zwei oder 32 waren – die Luxemburger Regierung zweifelt offenbar an der Legalität der Zurückweisungen. „Wie schon mehrmals betont, ist für uns der Respekt des legalen Rahmens maßgebend“, schreibt der Sprecher der Luxemburger Polizei in seiner Antwort am 4. Oktober.
Und dieser legale Rahmen wird von Luxemburg offenbar anders interpretiert als von Deutschland. „Trifft die deutsche Polizei bei der Einreise eine Person aus einem Drittstaat an, die illegal einzureisen versucht, so sind die Behörden des Landes, über welches die versuchte Einreise stattfand – in diesem Fall Luxemburg – nicht zuständig“, schreibt der Polizeisprecher. Auch wenn Luxemburg laut dem Dublin-Verfahren für die Person zuständig wäre: „Eine Ad-hoc-‚Übergabe’ kann trotzdem nicht stattfinden, da die entsprechende Prozedur zwischen den jeweiligen Immigrationsbehörden einzuhalten wäre.“
Luxemburg agiert im Respekt vor dem legalen Rahmen und ist demnach nicht zuständig für Drittstaatler, die versuchen, illegal nach Deutschland einzureisenInnenminister
Auch Léon Gloden selbst scheint über Kontrollen, Zurückweisungen – und die Kommunikation der Deutschen – nicht glücklich zu sein. In einer seiner Antworten auf die unzähligen Anfragen aus dem Parlament zu dem Thema erklärt der CSV-Politiker: Über die zwei genannten Fälle hinaus sei „Luxemburg nicht von den deutschen Behörden in Kenntnis gesetzt worden, wie viele Personen sie eventuell an der Grenze zurückgewiesen haben.“
„Klare Prozeduren“
Gloden führt in einer anderen Antwort auch noch einmal aus, wie das Prozedere seiner Meinung nach ablaufen solle: „Wenn eine Person im Kontext einer Binnengrenzkontrolle internationalen Schutz anfragt, dann muss diese Person in einer ersten Phase von Deutschland aufgenommen werde und analysiert werden, ob Deutschland oder ein anderes Land für die Anfrage zuständig ist.“ Wenn Luxemburg dann auf Basis des Dublin-III-Abkommens zuständig sei, dann gebe es „klare Prozeduren, die eingehalten werden müssen, um die Person zu überstellen“.
Falls die Person aber keinen Antrag auf internationalen Schutz – also Asyl – stelle, dann „ermöglicht der neue Schengen-Grenzkodex, ein bilaterales Abkommen zwischen zwei Ländern abzuschließen, um die Betroffenen im Rahmen einer Polizei-Kooperation wieder zurückzuholen“, schreibt Gloden. Nur: „Es besteht kein Abkommen zwischen Luxemburg und Deutschland.“ Luxemburgs Innenminister sagt in dieser Antwort auch: „Luxemburg agiert im Respekt vor dem legalen Rahmen und ist demnach nicht zuständig für Drittstaatler, die versuchen, illegal nach Deutschland einzureisen.“
Grenze in den Köpfen
In Deutschland machen sich jenseits der Grenzregionen offenbar nicht viele Entscheider Gedanken über die Auswirkung der Kontrollen auf das Zusammenleben in der Großregion, ihre Erfolgsbilanz oder ihre Legalität. Erst Ende vergangener Woche plädierte die Ministerpräsidentenkonferenz, also das Zusammentreffen der deutschen Länderchefs, für eine Fortsetzung der Kontrollen über die angekündigten sechs Monate hinaus.
Es ist, als könnte man Glodens Zähneknirschen darüber bis fast zum Parkplatz „Dicke Buche“ hören, dort wo die deutschen Grenzpolizisten an der Luxemburg-Autobahn stehen. Am Montag erklärte er: „Ich möchte betonen, dass ich die Kontrollen an den Binnengrenzen des Schengen-Raums missbillige und eine Verstärkung der Kontrollen an den Außengrenzen fordere.“ Es müsse verhindert werden, dass in den Köpfen der Menschen wieder Grenzen geschaffen werden.
Während der Kontrollen zur Fußball-EM im Sommer wurden im Grenzabschnitt zu Luxemburg übrigens „157 Personen unmittelbar an der Grenze zurückgewiesen“, schreibt die Bundespolizei.
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