Gipfelmarathon in Brüssel / Die 27 EU-Staaten diskutieren über die Pandemie und Russland
Die Corona-Pandemie sowie die Spannungen an der ukrainisch-russischen Grenze sind die Schwerpunkte des heute in Brüssel über die Bühne gehenden Gipfeltreffens der EU-Staats- und Regierungschefs. Diesem ging gestern ein Gipfel mit den sogenannten „östlichen Partnern“ voraus. Den Reigen schließen die 27 heute mit einem Euro-Gipfel ab.
Drei Gipfel in nicht einmal zwei Tagen: Wegen der steigenden Corona-Infektionszahlen und vor allem der neuen Variante Omikron wollen sich die 27 EU-Staats- und Regierungschefs nicht zu lange gemeinsam in Brüssel aufhalten, ließ der slowenische Außenminister Anze Logar gestern während einer Debatte im Europäischen Parlament in Straßburg durchblicken. Immerhin wurde bereits vor einem Jahr der französische Präsident Emmanuel Macron nach einem EU-Gipfel positiv auf das Coronavirus getestet. Die Pandemie wird die 27 jedoch vor allem auch inhaltlich beschäftigen, denn es droht mit ersten Alleingängen wieder ein Durcheinander der geltenden Regeln, was die Freizügigkeit beim Reisen in der EU anbelangt.
Mit dem am 1. Juli eingeführten (digitalen) Covid-Zertifikat wurde ein EU-weit geltendes Dokument eingeführt, das in den EU-Staaten nicht nur das Reisen, sondern auch das soziale und kulturelle Leben trotz Pandemie wieder in weitgehendem Umfang ermöglicht hat. Allerdings gibt es nun unterschiedliche Ansichten über die Gültigkeitsdauer der Covid-Zertifikate, die ausweisen, ob der Inhaber geimpft, genesen oder negativ getestet ist. In Frankreich etwa ist seit gestern für Menschen ab 65 Jahren die Gültigkeit des Zertifikats auf sieben Monate begrenzt. Es sei denn, der Inhaber hat sich einer Auffrischungsimpfung (Booster) unterzogen. Ab dem 15. Januar soll diese Regel für alle ab 18 Jahren gelten. Es wird erwartet, dass die EU-Kommission demnächst vorschlagen werde, die Gültigkeitsdauer des Zertifikats auf neun Monate festzulegen. Luxemburg habe ein Jahr vorgeschlagen, erklärte uns am Dienstag nach einer EU-Ratssitzung der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn.
Doch es gibt einen weiteren Streitpunkt, was die Covid-Zertifikate anbelangt. Denn seit dem 1. Dezember verlangt Portugal von allen Einreisenden einen negativen PCR-Test, auch von Geimpften. Das aber würden alle, die sich haben impfen lassen, nicht verstehen, gab der luxemburgische Premierminister Xavier Bettel gestern in Brüssel zu bedenken. Italien zog nun am Dienstagabend nach: Alle Einreisenden müssen einen negativen PCR-Test aufweisen. Ungeimpften müssen sich zudem in eine fünftägige Quarantäne begeben. Diese Maßnahme soll vorläufig bis zum 31. Januar gelten. Bettel erklärte gestern, dass Luxemburg wegen der vielen Grenzgänger diese zusätzlichen Anforderungen nicht wolle. Bereits am Dienstag wies die Vizepräsidentin der EU-Kommissarin, Vera Jourova, darauf hin, dass sich die EU-Mitgliedstaaten „eine Hintertür für den Fall einer sich verschlechternden epidemiologischen Situation“ bei den Diskussionen über das Covid-Zertifikat ausgehandelt hätten. Allerdings bedauerte sie, dass individuelle Entscheidungen das Vertrauen der Bürger darin, dass überall in Europa die gleichen Bedingungen herrschen würden, beeinträchtigen könnten.
Gipfeltreffen der Östlichen Partnerschaft
Doch vor dem heutigen EU-Gipfel kamen die 27 gestern Abend zum Gipfeltreffen der Östlichen Partnerschaft zusammen. Daran beteiligt waren die Staats- und Regierunschefs aus der Ukraine, Moldawien, Georgien, Armenien und Aserbaidschan. Der für den belarussischen Vertreter vorgesehene Stuhl blieb symbolisch leer. Dieses Treffen dürfte vor allem vor dem Hintergrund des russischen Truppenaufmarsches an der Ostgrenze zur Ukraine seine Wirkung nicht verfehlen. Nicht allein auch deswegen, da die Vertreter der beiden einstigen Kriegsgegner, der armenische Premierminister Nikol Paschinjan und der aserbaidschanische Präsident Ilham Alijew, viereinhalb Stunden in Brüssel miteinander diskutierten. Die EU will sich in den Ländern der Östlichen Partnerschaft auch weitgehend engagieren. Die 27 erhoffen sich, mit einem Wirtschafts- und Investmentplan von 2,3 Milliarden Euro weitere 17 Milliarden Euro an öffentlichen und privaten Investitionen zu mobilisieren, die zur Stärkung der Wirtschaft und dem grünen und digitalen Wandel in der Region beitragen sollen. Konkret sollen etwa bis zum Jahr 2030 an die 3.000 Kilometer an Straßen und Eisenbahntrassen in den östlichen Ländern gebaut oder repariert werden; in 300 Städten soll die Luftqualität verbessert werden und es wird ein Austauschprogramm für 70.000 Studenten und junge Forscher aus der Region aufgelegt.
Nach ausführlichen Gesprächen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij gestern, dürften die EU-Staats- und Regierungschefs heute ihre Warnung an die Adresse der Kremlführung erneuern, dass ein Einmarsch in die Ukraine mit „massiven Kosten“ verbunden sein werde, wie die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gestern während einer Debatte im EU-Parlament erklärte. Die Sanktionen seien bereits ausgearbeitet und die EU sei „bereit, weitere beispiellose Maßnahmen mit ernsthaften Folgen für Russland zu ergreifen“, erklärte von der Leyen. Der luxemburgische Premierminister hingegen setzt gegenüber Moskau auf Dialog. Er selbst wolle in den kommenden Tagen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin reden, um diesen zu einer Verhandlungslösung zu bewegen, sagte Xavier Bettel gestern in Brüssel. Sanktionen würden nicht helfen, um eine Lösung herbeizuführen, meinte er, versicherte aber, dass Luxemburg voll hinter dem Vorgehen der EU stehe.
Weitere Themen beim EU-Gipfel werden die weiterhin hohen Energie- und hier vor allem Gaspreise sowie die Lage der Migranten an der polnisch-belorussischen Grenze sein.
- 25. Treffen der Ramstein-Gruppe – doch die Ukraine bleibt militärisch unterversorgt - 10. Januar 2025.
- Kotau vor Trump: Meta-Chef Zuckerberg entfesselt seine sozialen Medien - 9. Januar 2025.
- Nach dem Geschacher um neue EU-Kommissare herrscht Unzufriedenheit - 21. November 2024.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können.
Melden sie sich an
Registrieren Sie sich kostenlos