Editorial / Die armen Reichen
Als das Parlament im Dezember 2005 die Vermögenssteuer für Privatpersonen zugunsten einer Quellensteuer abschaffte, rieben sich die Steuerexperten vom Finanzplatz die Hände. Mit dieser Steuerbefreiung könnten innerhalb von zehn Jahren 8.000 „High-net-worth individuals“ (HNWI) aus dem Ausland nach Luxemburg gezogen werden, wurde gemutmaßt. Dabei war das Anwerben von Reichen offenbar gar nicht das Hauptanliegen des damaligen Finanzministers Luc Frieden (CSV). Genauso wenig ging es ihm darum, das Bankgeheimnis für Ansässige aufrechtzuerhalten, was mit der abgeltenden Quellensteuer kein Problem darstellte, mit der Vermögenssteuer aber schwierig geworden wäre. Deshalb stellte die CSV die 1934 eingeführte Vermögenssteuer als unerwünschtes Relikt der Nazibesatzer dar und dekretierte sie als überholt. Auf die 37 Millionen Euro, die sie dem Staat im Jahr vor ihrer Abschaffung einbrachte, konnte Luxemburg damals gut verzichten.
Als CSV und LSAP 2004 die Abschaffung der Vermögenssteuer in ihren Koalitionsvertrag schrieben, lebten in Luxemburg rund 12 Prozent der Bevölkerung an der Armutsgrenze. Seitdem ist dieser Anteil kontinuierlich gestiegen und lag vergangenes Jahr bei 17,5%. Laut Statec waren 2019 über 103.000 Menschen vom Armutsrisiko betroffen. Gleichzeitig werden die Reichen seit 2005 immer reicher. Der Abstand zwischen den sehr Wohlhabenden und den Geringverdienern steigt beständig. Das zeigen sowohl der Gini-Koeffizient als auch andere Indikatoren. Vieles deutet darauf hin, dass sich die Schere zwischen Arm und Reich wegen der Corona-Krise noch weiter öffnen und das Armutsrisiko weiter ansteigen wird.
Um den Reichtum wieder gerechter zu verteilen, sprechen sich linke Parteien seit Jahren für die Wiedereinführung der Vermögenssteuer aus. CSV-Präsident Frank Engel hatte die Idee Mitte August wieder salonfähig gemacht. Nachdem die wirtschaftsliberale Abteilung der CSV gleich widersprochen hatte und damit bei DP und ADR auf Zustimmung stieß, zeigte sich die LSAP offen für Diskussionen. „déi gréng“, die 2005 noch gegen die Abschaffung der Vermögenssteuer gewettert hatten, haben sich in den vergangenen Monaten noch gar nicht positioniert. Einzig „déi Lénk“ stellt sich bislang offen hinter die Vorschläge des CSV-Präsidenten Engel.
Die politischen Interessenvertreter der HNWI sind sich derweil einig, dass eine Vermögenssteuer nichts bringen würde. Luc Frieden, inzwischen Präsident der Handelskammer, sagte vor zwei Wochen auf RTL, eine Vermögenssteuer sei sinnlos, weil der Wert von Immobilien, Autos und Gemälden nicht ermittelt werden könne. Der frühere ABBL-Direktor und UEL-Präsident Jean-Jacques Rommes, heute Vorsitzender des Wirtschafts- und Sozialrats, drängte vor einer Woche in einem „Fräie Mikro“ auf Radio 100,7 die HNWI in die Opferrolle, als er meinte, gerade in Luxemburg würden nur die wirklich Reichen mehr Steuern bezahlen, als sie aus dem Staat herausziehen, und der Staatshaushalt sei einer der redistributivsten der Welt.
Dabei hat das Statistikamt Statec rezent in einem Bericht festgestellt, dass der Einfluss der Sozialleistungen auf die Reduzierung der Armut immer weiter sinkt. Angesichts der hohen Wohnungspreise fließen staatliche Zuschüsse oft direkt an den Vermieter oder die Bank. Konnte Luxemburg es sich 2005 vielleicht noch leisten, auf die Vermögenssteuer zu verzichten, ist ihre Wiedereinführung heute aktueller denn je. Steuergerechtigkeit ist kein Geschäft, sondern eine Solidaritätsbekundung und ein Garant für sozialen Frieden. Und den Wert von Anlagen zu ermitteln, sollte letztendlich auch kein Hindernis darstellen. Schließlich sind Immobilien, Autos, Gemälde und Wein grundsätzlich keine Spekulationsobjekte. Irgendeine Verwendung wird sich schon dafür finden.
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Bei Vermögenssteuer oder Quellensteuer wird man sein Geld im Ausland anlegen.
„Deshalb stellte die CSV die 1934 eingeführte Vermögenssteuer als unerwünschtes Relikt der Nazibesatzer dar und dekretierte sie als überholt.“
Um die Bauern zu schonen wurde die Nazibesatzer-Grundsteuer von der CSV aber beibehalten.
Ich finde nicht, dass es den Steuerbeamten etwas angeht, welche Armbanduhr ich trage oder wieviel Wein ich im Keller habe. Und wie weit geht das? Wird der Staat dann auch irgendwann wissen wollen, ob ich Victory Secret oder banale Baumwollunterwäsche im Schrank habe?
Ich bin nicht grundsätzlich gegen eine Vermögenssteuer, aber Wein, Gemälde sind Güter, die zur Intimsphäre gehören und den Staat nichts angehen, ausser es gehört zu meinem Beruf.
Ausserdem: dann sind die Steuern beim Staat, was noch lange nicht heißt, dass sie in den Taschen der Armen landen. Wieviele Marmorpaläste wurden schon mit unseren Steuergeldern gebaut?
Und – sehr wichtig – wie fühlen sich mittellosere Menschen, wenn sie dauernd Almosen anfragen müssen? Für viele ist es demütigend. Ausserdem macht es Angst.
Fairer wäre es, grundsätzlich Mindestlohn bis zum qualifizierten Mindestlohn inklusive nicht zu besteuern, und – wieso nicht, Sozialabgaben wie Kranken- und Pensionskasse in diesen Fällen über die eingenommenen Steuern zu zahlen, statt sie vom Lohn abzuziehen.
Und – diese unsäglichen 33% Steuern auf der zweiten Steuerkarte sollten für niedrige Einkommen abgeschafft werden. Sie treffen hauptsächlich Arbeiter, die sich einen zweiten Arbeitgeber suchen, weil sie sich was aufbauen wollen. Viele wissen nicht mal, dass sie das Geld möglicherweise zurückgezahlt bekommen würden, wenn sie einen Décompte oder eine Steuererklärung einreichen oder sie scheuen sich davor, solche Dokumente auszufüllen.
Und, und, und … es gibt viele Möglichkeiten, die kein Schlangestehen beim Office social nötig machen (oder jahrelanges Warten auf den Fond du Logement).
Richtig, Steuergerechtigkeit ist kein Geschäft , sondern eine Solidaritätsbekundung und ein Garant für sozialen Frieden. Dieser Satz sagt alles aus und kann zutreffender nicht sein. Doch in Sachen Solidarität happert’s hierzulande gewaltig. Und diese egoistische Einstellung führt unweigerlich, früher oder später, ins Verderben. Aber was soll’s? Nach uns die Sintflut! Wenn’s mir schlecht geht, soll’s dem Nachbarn nicht besser gehen.
Wetten, dass man nach dieser „Steuerdiskussion“ die Mittelklasse äußerst hart besteuern wird. Reichtum beginnt ja laut vielen Politikern bei 60000€ Einkommen pro Jahr. Das ist auch das einzige, das etwas bringt, denn die Superreichen zahlen nichts, und die Armen können nichts zahlen. Am Ende sind alle arm, außer den Superreichen, und die haben inzwischen gepackt und sind verschwunden. Übrigens hat Frieden diesmal teilweise recht, denn z.B. Gold kann man sehr einfach verstecken. Nach dem Ende der Sowjetunion tauchten auch plötzlich Unmengen von Gold aus den Gärten oder Toiletten in den Ostblockländern auf, und plötzlich gab es Oligarchen.
Wow, wir hatten jahrelang einen Finanzminister der nicht mal den Preis eines Autos rausfinden kann.
@DanV
„Ich finde nicht, dass es den Steuerbeamten etwas angeht, welche Armbanduhr ich trage oder wieviel Wein ich im Keller habe.“
Ihre Uhr und Ihr Wein sind dem Beamten egal.
Wo Sie das Geld für die Uhr und den Wein her haben und ob Sie es versteuert haben ist das Einzige was die interessiert.
Außer sie setzen den Wein und die Uhr auch noch von der Steuer ab. 😁