/ Die Bestie erwacht – Unser Schwarzes Loch glühte hell wie nie
Das zentrale Schwarze Loch unserer Heimatgalaxis – der Milchstraße – hat in diesem Jahr so hell geleuchtet wie noch nie, seit Menschen es beobachten.
Das supermassereiche Schwarze Loch Sagittarius A* ist eine gefräßige Bestie, die sich in der Mitte unserer Milchstraße befindet. Das Loch gibt den Rhythmus vor, in dem sich die Sterne der Milchstraße bewegen. Nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft hat der Himmelskörper die Masse von 4,1 Millionen Sonnen. Das Loch hat eine solche Anziehungskraft, dass andere Schwarze Löcher es umkreisen, als wären sie gewöhnliche Planeten, die um einen Stern kreisen.
Objekte, die das Schwarze Loch umkreisen, werden dabei auf extreme Geschwindigkeiten beschleunigt. Der Stern S2 umkreist Sagittarius A* innerhalb von 16,05 Erdenjahren auf einer elliptischen Bahn. Der Stern nähert sich dem Schwarzen Loch bis auf 18 Milliarden Kilometer an und wird dabei auf 27 Millionen km/h beschleunigt. Das sind 2,55 Prozent der Lichtgeschwindigkeit.
Allen Schwarzen Löchern ist gemein, dass sie die Raumzeit derart krümmen, dass Licht ganz einfach auf Nimmerwiedersehen in sie hineinfällt – ein Umstand, dem Schwarze Löcher ihre bekannteste Eigenschaft und ihren Namen zu verdanken haben. Das bedeutet allerdings nicht, dass man Schwarze Löcher nicht „beobachten“ kann. Astronomen beobachten seit Jahren die Spuren, die solche Schwarzen Löcher hinterlassen, wenn sie ihr Werk verrichten. Wenn sie etwa ganze Sterne in kleine Fetzen reißen und sie sich einverleiben, nur um noch größer und noch mächtiger zu werden.
Glühender Ring
Gerät Materie in den Malstrom eines Schwarzen Loches, dann fällt sie nicht in einer geraden Linie (das Wort „gerade“ ist in diesem Zusammenhang äußerst subjektiv) auf das Loch zu, sondern fängt an, mit hoher Geschwindigkeit um das Loch zu drehen. Durch Reibung und Gravitationseffekte erhitzt sich die Materie und beginnt zu glühen. Astronomen beobachten dann einen glühenden Ring um das nicht sichtbare Schwarze Loch – die sogenannte Akkretionsscheibe.
Am 13. Mai konnten die Forscher, die ihre Teleskope auf das Schwarze Loch gerichtet hatten, einem besonderen Ereignis beiwohnen: Das Schwarze Loch glühte heller als sonst. Astrophysikerin Andrea Ghez, Leiterin der UCLA Galactic Center Group, schrieb auf Twitter: „So etwas haben wir in den 24 Jahren, in denen wir das supermassive Schwarze Loch beobachten, noch nicht gesehen. Normalerweise ist es ein ziemlich ruhiges, kümmerliches Schwarzes Loch, das auf Diät ist. Wir wissen nicht, was der Anlass zu diesem Festmahl war.“ Die Wissenschaftler hatten in einer großen Untersuchung 13.000 Beobachtungen des Schwarzen Loches aus 133 Nächten seit 2003 verglichen. Das Glühen am 13. Mai war zweimal so hell wie das nächsthellste Ereignis. Sichtbar ist das Aufglühen des Schwarzen Loches für das menschliche Auge nicht. Die Forscher beobachten es im nahen Infrarotbereich knapp über dem sichtbaren Lichtspektrum. Ihre Entdeckung veröffentlichten die Forscher am 11. September im Fachmagazin The Astrophysical Journal Letters.
Die Wissenschaftler haben einige Vermutungen, worauf die plötzliche Aktivität zurückzuführen ist. Eine Theorie lautet, dass S2 bei seinem nahen Vorbeiflug am Schwarzen Loch 2018 die Akkretionsscheibe durcheinandergewirbelt hat. Die Beobachtung bringe die derzeitigen Modelle an ihre Grenzen, schreiben die Wissenschaftler. Eventuell müssten die Modelle überarbeitet werden, um das Verhalten des Loches besser zu verstehen. Mehr Messungen seien nötig, um herauszufinden, ob das Schwarze Loch seine Aktivität erhöht hat.
Quelle von Radiowellen
Die meisten Forscher haben heute kein Problem damit, Sagittarius A* als supermassives Schwarzes Loch zu bezeichnen. Zahlreiche Arbeiten legen dies nahe. Unter anderem die NASA bezeichnet das Objekt so. Wer es etwas vorsichtiger haben will, spricht von „einer Quelle von Radiowellen im Zentrum der Milchstraße, bei der es sich nach derzeitigem Forschungsstand wahrscheinlich um ein supermassereiches Schwarzes Loch handelt“.
Die Erkenntnis, dass es Schwarze Löcher geben muss, geht auf die Arbeiten von Albert Einstein und Karl Schwarzschild zurück. Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie zeigte 1915, dass Gravitation einen Einfluss auf die Bewegung von Licht hat. 1916 entwickelte Karl Schwarzschild, aufbauend auf Einsteins Arbeiten, Formeln zur Berechnung des Verhaltens von punktförmigen Gravitationsquellen.
Anhand von Schwarzschilds Formeln lässt sich der sogenannte Schwarzschild-Radius eines jeden Objekts berechnen. Dieser sagt aus, auf welche Größe man ein Objekt zusammenquetschen müsste, damit es kollabiert und daraus ein Schwarzes Loch wird. Würde es zum Beispiel gelingen, den Jupiter in eine Kugel mit einem Durchmesser von nur 5,64 Metern zusammenzupressen, würde er sich in ein Schwarzes Loch verwandeln. Im Universum passiert dies oft auf natürlichem Wege. Wenn ein großer Stern einen Teil seiner Masse verbrannt hat und seine Energie nicht mehr ausreicht, um der eigenen Gravitation zu widerstehen, fällt er unter seiner eigenen Schwerkraft zusammen und wird zu einem Schwarzen Loch.
Gefräßige Monster
Der britische Forscher Stephen Hawking postulierte 1974, dass Schwarze Löcher nicht nur gefräßige Bestien sind, die Materie und Licht in sich aufnehmen. Nach seiner Theorie geben die Schwarzen Löcher auch Strahlung ab (Hawking-Strahlung). Dieser Effekt soll insbesondere bei kleineren Schwarzen Löchern verstärkt auftreten. Die Schwarzen Löcher „verdampfen“ regelrecht.
Die Forschung an Schwarzen Löchern ist längst nicht beendet. Zuletzt gelangen den Forschern zwei wichtige Erfolge, die auch in den Medien groß gefeiert wurden. Zum einen gelang es dem LIGO-Observatorium 2015 zum ersten Mal, Gravitationswellen nachzuweisen, die von der spektakulären Verschmelzung von zwei Schwarzen Löchern ausgingen. Zum anderen veröffentlichten Wissenschaftler im April dieses Jahres zum ersten Mal das Bild eines Schwarzen Loches, aufgenommen mithilfe des Event-Horizon-Teleskops. Wissenschaftler weltweit reagierten mit Freude und Erleichterung auf beide Ereignisse. Erleichterung deshalb, weil die Ergebnisse die vorher aufgestellten Theorien über Schwarze Löcher bestätigten.
Ganz mutige Denker schlagen vor, in ferner Zukunft Schwarze Löcher als Antrieb für Raumschiffe zu benutzen. Theoretisch kann ein kleines Schwarzes Loch nicht nur durch komprimierte Materie, sondern auch durch komprimierte Strahlung, die auf einem kleinen Punkt gebündelt wird, erzeugt werden. Ein so erzeugtes Schwarzes Loch wird als „Kugelblitz“ bezeichnet (und hat mit der gleichnamigen Lichterscheinung wenig zu tun). Die Hawking-Strahlung des Kugelblitzes könnte für den Antrieb von interstellaren Raumschiffen genutzt werden, so lautet die Idee. Da es bislang nicht gelungen ist, Schwarzen Löchern all ihre Geheimnisse abzuringen, ist ein solcher Antrieb bislang eine hoch spekulative – wenn auch interessante – Idee.
Foto: AFP/ European Southern Observatory
Das erste Foto eines Schwarzen Loches. Es handelt sich um das Supermassereiche Schwarze Loch der Galaxis M87.
Wann führen wir den Tag ohne Panikmache ein, wenigstens einen im Jahr, bitte!!!!