Editorial / Die Corona-Krise bietet die Chance, den Arbeitsalltag zu modernisieren
Das Home-Office ist eine der größten Veränderungen, die das Coronavirus für unseren Alltag mit sich gebracht hat. War Telearbeit in vielen Fällen zu Beginn des Jahres noch undenkbar, so haben als eine Konsequenz des Lockdowns 70 Prozent der Luxemburger Beschäftigten von zu Hause aus gearbeitet. Das hat Statec in einer Studie ermittelt. Besonders bei Grenzgängern schien das Steuerproblem eine unüberwindbare Hürde zu sein, die im März rasend schnell aus dem Weg geräumt wurde. Sicher steckt die Einführung des Home-Office bei vielen Unternehmen noch in den Kinderschuhen, oft fehlt es einfach an IT-Ausstattung. Und natürlich gibt es Berufssparten, bei denen Telearbeit einfach nicht möglich ist.
Die Vorteile, die dieses Format mit sich bringt, liegen aber auf der Hand: Der Arbeitsweg beschränkt sich auf die paar Meter zwischen Küche oder Badezimmer bis hin zum Computer. Durch die wegfallende Pendelei gewinnen besonders diejenigen, die sich jeden Tag durch den Berufsverkehr quälen, Stunden an reiner Freizeit hinzu. Weniger Stau bedeutet auch weniger Abgase. Das Auto ist weniger im Gebrauch und das ist wiederum ein Gewinn für unsere gebeutelte Umwelt.
Dazu lassen sich Privat- und Arbeitsleben besser aufeinander abstimmen. Geldersparnisse entstehen dadurch, dass mittags selbst gekocht, weniger Benzin verbraucht und so manche teure Arbeitskleidung nicht mehr neu angeschafft wird. Die Konzentration und Produktivität werden beim Arbeiten in den eigenen vier Wänden in vielen Fällen nachweislich gesteigert. All diese Punkte würden in der Spalte der Vorteile einer Pro- und Contra-Liste zum Home-Office stehen.
Zu den negativen Seiten auf dieser Liste zählen, und das belegt dieselbe Statec-Studie, dass sich die Kommunikation mit den Kollegen und die Zusammenarbeit schwieriger gestaltet als vorher. Für viele Alleinstehende können diese fehlenden sozialen Kontakte am Arbeitsplatz zudem eine große emotionale Belastung bedeuten. Dazu droht die Grenze zwischen Job und Freizeit zu verschwimmen und auch abends oder am Wochenende wird sich – im Gegensatz zu früher – an den Arbeitsrechner gesetzt. Für Unternehmen bedeutet Home-Office aber auch weniger Kontrolle über die Arbeitszeiten ihrer Mitarbeiter. Cafés, Restaurants und Geschäfte ihrerseits befürchten, dass sie über kurz oder lang in Schieflage geraten könnten, da ihnen zur Mittagsstunde und nach Feierabend die Gäste wegbleiben. Büroräume bekommen durch Telearbeit weniger Bedeutung und Mieteinnahmen könnten somit verloren gehen.
Eine repräsentative Umfrage im Auftrag des „Mouvement écologique“ ergab, dass zwei Drittel aller Befragten der Meinung sind, dass genau jetzt der Moment gekommen ist, eine neue Wirtschaftspolitik umzusetzen. 91 Prozent fordern, in Zukunft das Wohlbefinden des Menschen mehr in den Mittelpunkt zu stellen. Ein klares Ergebnis.
Zweifler werden jetzt sagen, dass sich jedermann und -frau Zahlen und Statistiken schönrechnen kann. Doch eins steht fest: Vielleicht haben die letzten Monate sonst nicht viel Positives gebracht, außer dass als Konsequenz auch auf staatlicher Seite darüber nachgedacht werden sollte, wie sich Home-Office langfristig in den normalen Arbeitsalltag integrieren lässt.
Das Innenministerium scheint zumindest auf Gemeindeebene erste Schritte in diese Richtung zu gehen. Doch auch für die Beschäftigten im Privatsektor müssen klare Regeln geschaffen werden. Warum also nicht die Möglichkeit anbieten, an mindestens zwei Tagen pro Woche von zu Hause aus zu arbeiten, der Lockdown hat schließlich gezeigt, dass es machbar ist.
Wie kann, soll ein Indutriearbeiter denn im Home-Office arbeiten können ? Auch ja, bei uns gibt es nur mehr Büro-Angestellte, noch. Das wird für uns in Zukunft zum Problem werden, wetten ?
Hm…stmmt: alles was in einem Büro „gearbeitet“ wird, kann von überall verrichtet werden. Wie der andere „Aender“ aber schon festgestellt hat: Industriearbeiter werden nie von zu Hause arbeiten, Handwerker auch nicht, jedenfalls nicht in ihrem eigenen zu Hause..
Trotzdem sollten die Möglichkeiten ausgeschöpft weren, sinnloses Gependele abzuschaffen, was indirekt auch dazu führt, daß jene, die in Bereichen arbeiten, wo physische Präsenz unabdinglich ist vielleicht auch schneller zur Arbeit kommen, wäre doch die gesamte Transportinfrastruktur weniger belastet.
Blauäugig wie ich bin denke ich auch, daß soziale Gefüge wieder lokaler werden: Tante Emma Laden, Bäcker, Metzger um die Ecke…kommunales Leben eben..
Obwohl es auch in die andere Richtung gehen kann: totale soziale Isolierung, manche werden nie mehr rausgehen, Lieferdienste (irgendwann auch vollautomatisiert) bringen alles direkt ins Haus, die Menschheit wird total virtuell. Passiert aber auch so schon…
Und große Gegenwehr wird wohl von Großgrundbesitzern kommen, die ihre schönen funkelnden Bürogebäude nicht mehr verpachten können (ein Weg aus der Wohnungskrise?), und von Großkantinenbetreibern, die so hochspezialisiert auf von der eigenen Küche abgetrennten Pendlern angewiesen sind…
Und wie auch immer Home-Officeing ausgebaut wird, im zuge der „digitalisierung“ und „automatisierung“wird es immer weniger „Arbeit“ geben, alles wird effizient von wenigen organisiert und ausgeführt..
Über bedingungslose Grundeinkommen sollte nachgedacht werden.
Oder vielleicht, sorry für die böse geschichtliche Anlehnung, über mehr Menschen in der primären Produktion von Lebensmitteln.
Auf dem Papier mag die Idee des „Home Office“ vielleicht gut aussehen. Genauer betrachtet erweist sie sich für viele betroffenen Arbeitnehmer als Narrengold. Rein theoretisch können Büroarbeiten von zu Hause getätigt werden. Für den für Luxemburg ausschlaggebenden Bereich der Finanzindustrie bedingt das allerdings die Gewährleistung des Bank- und Betriebsgeheimnisses, die möglicherweise nur mit verstärkter Kontroll- und Überwachungsmassnahmen der betroffenen Angestellten aufrecht zu erhalten ist – und das auch im Bereich der Privatsphäre und der bislang sakrosanten vier Wände des Mitarbeiters. Vorbei dann mit „my home is my castle“… Und was wenn Mitbewohner des selben Haushaltes bei verschiedenen konkurrierenden Betrieben angestellt sind und von Daheim arbeiten – in Luxemburg sicher keine Seltenheit? Wie kann z.B. die Vertraulichkeit von Telekonferenzen gewahrt bleiben? Langfristig werden vor allem die Arbeitgeber die grössten Gewinner des Homeoffice sein: Sie sparen massiv Kosten, die Zersplitterung und Atomisierung des Personals wird zu rein hierarchischen Betriebsstrukturen führen (top down) und eine weitreichende Optimisierung der Arbeitsabläufe an die Bedürfnisse der Maschinen in die Wege leiten, und als Konsequenz Personaleinsparungen – oder Outsourcing – im grossen Stil ermöglichen…