gewerkschaftsfront.lu / Die De-facto-Einheitsgewerkschaft: OGBL und LCGB intensivieren Zusammenarbeit
OGBL und LCGB haben die Schnauze voll. Als Antwort auf die zunehmend neoliberalen „Attacken“ der Regierung haben die beiden Gewerkschaften entschieden, sich zusammenzuschließen und eine gemeinsame Front im Interesse der Arbeitnehmer zu bilden.
Die beiden Gewerkschaftspräsidenten Nora Back (OGBL) und Patrick Dury (LCGB) wirken gefasst und entschlossen. Den Schritt, den die beiden Gewerkschaften an diesem Dienstagmorgen auf einer Pressekonferenz in den Räumlichkeiten der CSL ankündigen, ist historisch. „Es ist keine Überraschung, wenn ich Ihnen sage, dass der OGBL und der LCGB als zwei national repräsentative Gewerkschaften Angriffe ertragen, wie wir sie seitens Regierung und Patronat nicht erlebt haben“, begrüßt Back die anwesenden Journalisten mit entsprechend martialischen Worten. Es würden „Attacken aufs Rückgrat“ der Arbeitnehmer, auf die Löhne, Arbeitszeiten, Renten gefahren. „Ein Rundumschlag der Regierung“, resümiert Back. Dem treten die Gewerkschaften nun mit einer Offenlegung von Dokumenten entgegen: der Kommunikation zwischen Gewerkschaften und Ministerium, das Avant-projet des Aktionsplans.
„OGBL und LCGB arbeiten zusammen, basierend auf den Prinzipien der sozialen Gerechtigkeit“, sagt auch Dury. Das seien leider Fremdwörter für Premierminister Luc Frieden und Arbeitsminister Georges Mischo (beide CSV). „Die gewerkschaftlichen Rechte und Freiheiten, die Errungenschaften der Arbeitnehmer aus dem Privatsektor sind infrage gestellt.“ Man wehre sich gegen den Versuch seitens der Regierung, eine „soziale Apartheid“ in Luxemburg einzuführen. „Die Gewerkschaftsfront lehnt einen Abriss des Sozialmodells ab.“ Insgesamt müsse sich die Regierung auf eine „neue Qualität des Widerstandes“ einstellen.
Widersprüche des Georges Mischo
Der Ursprung des Konfliktes liegt in der Sitzung des 8. Oktobers, „Comité permanent du travail et de l’emploi“ (CPTE), die die Gewerkschaften aus Protest frühzeitig verlassen hatten. Seitdem haben sich die Gräben zwischen Regierung und Patronat einerseits und den Gewerkschaften andererseits nur noch vertieft. „Es ist schlimm, dass es überhaupt so weit kommen musste“, sagt Nora Back zur Motion in der Chamber, die den Gewerkschaften das exklusive Verhandlungsrecht bei Kollektivverträgen zugesteht. Bei einer ersten Abstimmung im November stimmten CSV und DP noch gegen die Motion, ehe sie in der vergangenen Woche nun doch dafür stimmten. „Jedoch sind die inhaltlichen Kompetenzen beim Verhandeln der Kollektivverträge noch nicht geklärt“, warnt Back.
Nebst Dissens hinsichtlich der Kollektivverträge hat die Regierung zahlreiche Reformen in puncto Sonntagsarbeit, Mindestlohn, Liberalisierung der Öffnungszeiten und Renten angekündigt – und das alles am CPTE vorbei. „Die Struktur des CPTE ist der Schlüssel zum Luxemburger Sozialmodell“, sagt Dury. Und in dieser Struktur sei es mit der neuen Regierung zu einem Paradigmenwechsel gekommen. Der Gesetzesentwurf zum Mindestlohn sei überhaupt nicht im CPTE diskutiert worden. „Es gab Zeiten, in denen von Anfang an kooperiert wurde.“
„Plan d’action“ vs. Gesetzgebung
Womit wieder die Sitzung des 8. Oktobers in Erinnerung gerufen werden muss. Denn bereits im März hatten die Gewerkschaften Vorschläge gemacht – „keiner davon wurden von Arbeitsminister Georges Mischo übernommen“, sagt Dury. Die Sitzung, die eigentlich bereits für den 24. September einberaumt worden war, wurde auf Bitten der Gewerkschaften verschoben, weil das Arbeitsministerium sein „Avant-projet plan d’action national pour promouvoir la négociation collective“ erst eine Woche zuvor, am 17. September, hatte zukommen lassen. In einem gemeinsamen Brief, datiert auf den 19. September, wandten sich die Gewerkschaften ans Arbeitsministerium und sprachen nach einer ersten Lektüre des Textes, dass dieser keinesfalls eine „Diskussionsbasis zur Reform des legislativen Rahmens rund um die Kollektivverträge“ darstelle.
Im Antwortschreiben des Ministeriums am darauffolgenden Tag widerspricht sich Arbeitsminister Georges Mischo dann innerhalb weniger Zeilen selbst. So schreibt Arbeitsminister Mischo zum den Gewerkschaften zugesandten Dokument: „En effet, il est sensé constituer une base de discussion pour le plan d’action que nous sommes obligés de mettre en place“. Wenige Zeilen später dann: „Quant à votre reproche que cet ‚avant-projet ne constitue aucunement une base de discussion pour réformer le cadre légal‘, […] je me dois de vous répondre que cela n’est effectivement pas l’ambition de ce document.“ Wohl wissend, dass im entsprechenden Aktionsplan „légiférer“ in Kapitel V., „stratégies et/ou actions“, angeführt wird. Wenn Arbeitsminister Georges Mischo demnach immer davon sprach, dass nicht etwa ein Gesetz, sondern ein nationaler Aktionsplan im CPTE zur Debatte stand, dann ist das ganz genau nur die halbe Wahrheit.
Zudem beanstanden die Gewerkschaften, dass das Arbeitspapier aus dem Ministerium keineswegs wertneutral sei, sondern lediglich der Delegitimierung der Gewerkschaften diene. Teilweise falsche Zahlen und Fehler im „historique“: „Das ist eine sehr einseitige Darstellung“, sagt Dury.
„Auer tickt, Zäit leeft“
Die Regierung sei in ihrer Kommunikation nach außen hin immer wieder offen für einen „Dialog“ und besonders der Premierminister habe sich immer „eine Hintertür offen gelassen“, so die Vorwürfe der Gewerkschaften. „Wenn ‚konsultieren‘ bedeutet, zuzuhören und dann doch eigenwillig entscheiden zu wollen, dann ist der Sozialdialog am Ende“, konstatiert Patrick Dury. „Die Gewerkschaften sind die Einzigen, die am Sozialmodell und damit am sozialen Frieden interessiert sind.“
„D’Auer tickt, d’Zäit leeft“, meint der LCGB-Präsident. Gemeint ist damit der von Luc Frieden einberufene Sozialtisch. Seit der Ankündigung Mitte Januar habe man nichts mehr vonseiten der Regierung gehört. Auf einen Brief der vergangenen Woche habe man nicht mal eine Empfangsbestätigung bekommen. „Wir machen einen Appell an die Regierung, dies so schnell es geht zu organisieren“, sagt auch Nora Back. „Wir können nicht einfach zurück zum Tagesgeschäft.“ Wichtig sei auch, dass die Gesetzesprojekte, die seitens der Regierung auf den Instanzenweg gebracht wurden, vorerst eingefroren werden. „Wenn weiter legiferiert wird, macht das alles keinen Sinn.“
EUCO gibt Gewerkschaften recht
Unterdessen haben sich die Gewerkschaften zusammen mit dem Europäischen Gewerkschaftsbund an die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gewandt. Diese bestätigten die Gewerkschaften in ihrer Argumentation bezüglich der EU-Direktive zum Mindestlohn, in der auch die Kollektivverträge abgehandelt werden. „In the Commission’s view […] it implies, that only collective agreements concluded by trade unions should be taken into account […]“, steht im Antwortschreiben der EU-Kommission.
Apropos Mindestlohn: „Das Gesetzesprojekt zum Mindestlohn wurde nicht einmal für ein Gutachten an die ‚Chambre des salariés‘ geschickt“, monieren die beiden Gewerkschaftspräsidenten. Fest steht aber: „Wir bündeln unsere Kräfte auf denen Dossiers, die uns momentan beschäftigen“, sagt Dury. OGBL und LCGB hätten schnell reagiert und eine öffentlichtkeitswirksame Front errichtet – mit einer „Effizienz, die einem CEO gefallen müsste.“ Ob die informelle Zusammenarbeit in Zukunft anders strukturiert werde, sei nicht auszuschließen. „Wir haben aber jetzt andere Prioritäten setzen müssen.“
Die Prioritäten beinhalten dann auch erste Zusammenkünfte der Handelssyndikate der beiden Gewerkschaften zu einer gemeinsamen Versammlung in den kommenden Tagen sowie Informationskampagnen im gesamten Sektor. Für den 28. Juni kündigen der OGBL und der LCGB eine gemeinsame Großaktion an. Details wollen die Gewerkschaftspräsidenten noch keine nennen. Wohl auch, um sich einen Handlungsspielraum, je nach Ausgang des Sozialtisches, zu wahren. „Fünf Monate hat die Regierung jetzt Zeit, die Kurve zu kriegen“, lautet die Botschaft von OGBL/CGB.
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