Tourismus / Die Derenbacher Villa Franzen: Ferienhaus mit ungewöhnlicher Geschichte
„Villa Franzen”: so ein Name für ein Ferienhaus verheißt einiges. Die Verheißung könnte mit Lounge, teuren Edelmöbeln, Marmorböden und einem Piano vor Edelkulisse weitergehen. Das Derenbacher Feriendomizil ist das genaue Gegenteil. Es verströmt Charme und individuell gestaltete Gemütlichkeit mit Schwimmbad. Die Geschichte des Hauses ist eng verbunden mit der Lebensgeschichte der Besitzerin.
Das seit September 2023 geöffnete, große Ferienhaus im Norden des Landes gibt es schon lange, aber mit einer anderen Bestimmung. Die Fotos von den früheren Feiern der Kegelmannschaften hängen noch im heutigen Esszimmer, dem ehemaligen Gastraum. Sie kommen in den 70er und 80er Jahren gerne, genauso wie andere, um in dem ehemaligen Restaurant zu essen. Frühschoppen, Mittagstisch, Kaffee und Kuchen am Nachmittag, Abendessen … – und die Kegler wechseln sich damals über den Tag verteilt ab.
Das hölzerne Inventar, wo damals Gläser, Karaffen, Besteck und Geschirr untergebracht waren, hängt noch im heutigen Esszimmer und erinnert an diese Zeiten. „Wir konnten gar nicht schnell genug abräumen und eindecken, da kamen schon die nächsten Gäste“, erinnert sich Liette Schmitz. Die 57-Jährige ist die Eigentümerin des rund 450 Quadratmeter großen Gebäudes und bekochte damals die Restaurantbesucher viele Jahre lang.
Sie ist gelernte Hotelfachfrau mit einem Abschluss der Diekircher „École d’hôtellerie et de tourisme du Luxembourg“. Ihre zugewandte Art verrät den Umgang mit Gästen, zupacken kann sie sowieso. „Manchmal waren es hundert Essen am Tag“, sagt sie. Sie bewerkstelligte das zu der Zeit alles alleine mit einer Küchenhilfe. Dabei war eigentlich alles ganz anders geplant. Seit ihrem Ur-Urgroßvater Franz ist ihre Familie in dem Dorf ansässig.
Es sollte eigentlich ein Stall werden
Franz lässt sich 1870 im Haus neben dem Ferienhaus als Bauunternehmer nieder und betreibt im Nebenerwerb Landwirtschaft. Heute erinnert der Name des Feriendomizils an ihn. Drei Generationen später baut Liettes Vater am Platz des heutigen Ferienhauses einen Stall. Ein tragischer Unfall macht den Wunsch, die Landwirtschaft zu vergrößern, zunichte. Er stürzt beim Eindecken vom Dach und bleibt querschnittsgelähmt zurück. Das war 1970.
Liettes Eltern machen das Beste daraus. Aus dem „Stall“ entsteht bis 1974 eine behindertengerechte Wohnung mit Café und Kegelbahn, das sie betreiben. Die Landwirtschaft ist passé, die Tiere werden verkauft. Kegler, Hochzeiten, Taufen, Beerdigungen und Gäste, die etwas essen möchten, der Zulauf ist rege. 1991 kommt deshalb ein zweiter Gastraum für rund 50 Gäste mit größerer Küche hinzu.
Heute sind dort die sieben Zimmer für die Gäste (jeweils mit eigenem Bad) untergebracht. Nach ihrem Abschluss in Diekirch steigt Liette 1999 voll ins Geschäft ein. Ihre „Röstis“ sind legendär. Sie bringt sie von einem Arbeitsaufenthalt im Schweizer Wallis mit, wo sie erste Erfahrungen sammelt. Als sie 2006 heiratet, kommt die Landwirtschaft wieder in ihr Leben.
Vom Restaurant zum Ferienhaus
Ihr Mann ist Bauer. Der Gasthof wird verpachtet. Nach seinem Tod 2014 wiederholt sich die Familiengeschichte. Auch Liette muss die Tiere verkaufen, gibt die Landwirtschaft, die sie mit ihrem Mann betrieben hat, auf. 2018 ist auch Schluss mit den Verpachtungen an andere für das Restaurant in Derenbach. Sie macht durchweg schlechte Erfahrungen.
„Alle wollten weniger arbeiten und mehr verdienen“, sagt sie, die die Arbeit kennt. Das Haus steht ein paar Jahre leer, bis sie jemand auf die Idee bringt, ein Ferienhaus daraus zu machen. Heute verspricht die Villa „Vakanz mat Famill a Frënn an enger gemittlecher Ambiance“, wie es auf der Visitenkarte heißt. Kein Zimmer gleicht dem anderen.
Liette sammelt und restauriert Vintagemöbel für die Einrichtung. „Als ich fertig war, dachte ich, ich könnte das Haus auch Villa Kunterbunt nennen“, sagt sie. Es sind häufig Familien, die mit mehreren Generationen aus den Niederlanden, Belgien oder Deutschland anreisen, um die Ruhe und Natur in dem kleinen Dorf zu genießen. Liette ist wieder im Tourismus tätig – nicht ohne eine gewisse Begeisterung.
„Ich lerne viele neue Leute kennen und wenn sie hier zufrieden wegfahren, macht es richtig Spaß”, sagt sie. Die Geschichte des Hauses hat sie als kleine Chronologie für die Gäste aufbereitet. Fragen nach der Geschichte gibt es immer wieder. Gäbe es einen Werbeslogan für die Villa Franzen, ginge der in Liettes Version so: „Kommen Sie nach Derenbach, hier gibt es nichts.“
„Doch“, möchte man dem entgegenhalten. „Es gibt die Villa Franzen.“
Die Villa Franzen
Die Villa Franzen bietet neben dem Platz für bis zu 17 Gästen ein beheiztes Schwimmbad, Garten mit Terrasse und BBQ, einen Spielsaal mit Tischkicker, Darts, Pingpong-Tisch und eine Bar für Getränke. Das Haus ist über die Agentur casapilot.com buchbar. Adresse: 10, Schleefstrooss, 9645 Derenbach. Infos: 621 374 707.
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