Kalborn / Speiseöl aus dem Ourtal: Wie Pionier Norbert Eilenbecker neue Wege einschlug – mit Erfolg
Wer nach hochwertigen Speiseölen sucht, findet sie in den Regalen von Luxemburgs größter Lebensmittelkette. Die Etiketten mit dem Schriftzug „Ourdaller“ fallen zwischen bekannten Marken auf. Salatöle aus Luxemburg? Die Geschichte hinter den Produkten ist eine von unbeirrbarer Hartnäckigkeit und dem Glauben, das Richtige zu tun. Ohne den persönlichen Einsatz von fünf Familien ist sie nicht denkbar, eine davon ist die von Norbert Eilenbecker.
„Ich bin mit Abstand nicht die Hauptfigur“, ist so ein Satz, der Norbert Eilenbecker (73) wie auf den Leib geschnitten ist. Es ist eine charmante Untertreibung für die umtriebige Energie, mit der er sich schon oft in seinem Leben auf unbekannten Boden begeben hat. Er sagt ihn, als er darauf angesprochen wird, dass das Landwirtschaftsministerium ihn nach der „Foire agricole“ in einer Presseerklärung erwähnt.
Er findet sich dort im Kreis von Landwirten und Weinbauern wieder, die in Kreisläufen denken, nah an der Natur arbeiten wollen und den Mut haben, Neues zu probieren. Mit seinen Pressen, Säuberungs- und Trocknungsanlagen in Kalborn ist er mittlerweile ein gefragter Ansprechpartner. Kollegen aus Landwirtschaft und Weinbau, die Neues probieren, sich aber die teuren Anschaffungen noch nicht leisten können, suchen seine Hilfe. Immer wieder hilft er in der Vergangenheit und bis heute landwirtschaftlichen „Start-ups“ aus Luxemburg und dem nahen Belgien dabei, Innovationen weiterzutreiben.
Regionale Produkte aufwerten
Im jüngsten Falls spricht die Jungwinzerin Corinne Kox ihn an. Sie will aus Trester, einem Abfallprodukt der Weinproduktion, zukünftig Traubenkernöl gewinnen. Innovationen sind bekanntes Terrain für den Éisleker Landwirt. Vor 30 Jahren ist die Idee, aus den Körnern von Hanf, Mohn, Lein, Sonnenblumen und Raps Öle pressen zu wollen, genauso innovativ. Eilenbecker ist einer der fünf Landwirte, die sich damals in einer Genossenschaft zusammenfinden, um das Vorhaben in Angriff zu nehmen.
Er stammt aus einem alteingesessenen Landwirtschaftsbetrieb. 1535 wird der Hof erstmals erwähnt, lange ist er ein für das Land typischer Milchviehbetrieb. Landwirtschaft prägt die Landschaft und Gesellschaft des Nordens. Die Gründung des Naturparks Our ist ein Einschnitt. Nicht nur Eilenbecker, sondern auch andere Landwirte der Region wittern die Chance, ihre regionalen Produkte über den Naturpark aufzuwerten. Schon damals wollen die Bauern ihr Image aufwerten, das Ourtal ist eine Lebensmittelkammer des Landes. Die Rohstoffe kommen aus der Region. Eilenbecker und vier andere Familien erweitern die Palette.
Senf, Buchweizenmehl und Öle kommen hinzu. Mit dem Buchweizen bringt Eilenbecker ab Mitte der 90er Jahre sogar eine alte Kulturpflanze ins Ösling zurück, die in Vergessenheit geraten war. Das Getreide ist vor allem bei Menschen, die unter der Darmkrankheit Zöliakie leiden, beliebt, weil es glutenfrei ist. Das spricht sich herum. Wenn demnächst Besucher auf der Schobermesse zwischen den Spielen eine „Galette bretonne“ probieren, essen sie Pfannkuchen mit Buchweizenmehl aus dem Ourtal. Ebenfalls Mitte der 90er Jahre beginnt Eilenbecker, mit Hanf zu experimentieren. Seine Milchwirtschaft soll ein zweites Standbein bekommen.
Anfängliche Rückschläge
Es ist alles neu – und völlig unbekannt. „Das war spannend“, sagt er. „Wir konnten uns gar nichts unter der Pflanze vorstellen und das hat mich gereizt.“ Was in Worten so leicht daherkommt, ist ein von viel Idealismus geprägtes Wagnis. Die ersten Etiketten gestalten Schüler des Diekircher Lycée. Geerntete Körner müssen schon mal von der Landstraße gesaugt werden, weil der Transporter bei Glatteis von der Straße abkommt. Damals wird mangels eigener Ausstattung noch in der Nähe von Trier gepresst. Zur Pionierstimmung gehören Rückschläge.
Die anfängliche Idee, aus Hanf auch Fasern für die Textilindustrie herzustellen, scheitert. Hanf ist eine der stärksten Naturfasern, die es gibt. Deswegen sind die ersten Jeans, heute ein unabdinglicher Bestandteil der Modeindustrie, begehrte Arbeitshosen. Aus Hanf gewonnenes Segeltuch gilt als unverwüstlich. Allein die Maschinen zu finden, die die Fasern und später die Körner von der Pflanze trennen und pressen, ist ein Abenteuer quer durch die Großregion.
Auch die Idee, die regionalen Produkte in einer Gastronomie gleich zur Verkostung anzubieten und daraus Essen zu kochen, gerät zum Fiasko. „Heute denke ich, wir waren damals unserer Zeit zu weit voraus“, sagt Eilenbecker. Fünf Jahre betreiben die Genossen aus dem Ourtal mit viel Engagement den Cornelyshaff im benachbarten Heinerscheid. 2005 müssen sie aufgeben. Dabei klang das Projekt mit eigener Brauerei, Käserei und Restaurant vielversprechend und war weit gedacht. Es mangelte an Unterstützung – finanziell wie ideell.
40.000 Liter jährlich
Aufgeben aber war keine Option. Auf kleiner Flamme geht es vorübergehend in Eilenbeckers Milchkammer weiter. Vier Jahre später, im Jahr 2009, gibt Eilenbecker die Milchviehwirtschaft auf seinem Hof endgültig auf, investiert erneut und setzt ganz auf die Öle. Der Maschinenpark für die Produktion wird größer und professioneller. Platz ist da, der Kuhstall steht leer und ein neues Öl, das CBD-Öl, kommt hinzu.
Ein weiterer Landwirt schließt sich der Genossenschaft an. Das Risiko hat sich gelohnt. Heute verlassen 40.000 Liter Speiseöle jährlich den Hof in Kalborn. „Wir schreiben schwarze Zahlen“, sagt Eilenbecker. Die Genossenschaft „Ourdaller“ funktioniert. Selbst während der Ukraine-Krise, als Speiseöle plötzlich Mangelware sind, kann sie liefern. Die Sturheit und Hartnäckigkeit haben sich ausgezahlt – der Glaube an die Idee sowieso.
Kaltgepresste Speiseöle und Gesundheit
Nach Angaben der „Ourdaller“ werden die Körner für die jeweiligen Öle „kaltgespresst“, d.h. mechanisch und unter 40 Grad. Dabei bleiben die Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren und die mehrfach ungesättigten Fettsäuren erhalten, die der menschliche Körper braucht, sowie die Vitamine, die in den Pflanzen vorkommen. Die Öle gelten als sehr gesund, sind aber nur für den Einsatz in der kalten Küche gedacht, mit Ausnahme von Rapsöl. Am besten werden sie dunkel und trocken gelagert.
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