Vereinbarung zugestimmt / Die EU-Institutionen bekommen ein Ethikgremium
Das Europäische Parlament (EP) hat am letzten Sitzungstag dieser Legislaturperiode der Schaffung eines interinstitutionellen Gremiums für ethischen Normen zugestimmt.
Ende des Jahres 2022 flog im Zuge von Razzien der belgischen Polizei in Brüssel ein Korruptionsskandal auf, der fortan als „Katargate“ bezeichnet wurde und an dem u.a. die damalige EP-Vizepräsidentin und griechische EP-Abgeordnete Eva Kaili beteiligt war. Sie und andere Beschuldigte sollen hunderttausende Euro aus dem Golfemirat Katar entgegengenommen haben. Der Fall löste eine Diskussion über das ethische Verhalten der EP-Abgeordneten aus und der Ruf nach einer Ethikbehörde wurde lauter. Das EP hatte bereits in einer Resolution im September 2021 die Einrichtung eines solchen Gremiums gefordert. Die Kommission legte schließlich m Juni vorigen Jahres einen entsprechenden Vorschlag vor.
„Politik darf nicht käuflich sein“, sagte der EP-Berichterstatter, der Grünen-Politiker Daniel Freund, während der Debatte am Donnerstag und wies darauf hin, dass mit dem neuen Gremium vor allem Praktiken unterhalb der Schwelle der strafrechtlichen Verfolgung ins Visier genommen werden: nicht angemeldete Nebenjobs von EP-Abgeordneten, Drehtürwechsel – mit denen schnelle Wechsel vom Politikerdasein in lukrative Positionen in der Privatwirtschaft umschrieben werden –, unlautere Einflussnahmen von Lobbyisten oder von Drittstaaten finanzierte Luxusreisen. „Der Ruf dieses Hauses, der Ruf der Europäischen Union hat gelitten. Damit muss endlich Schluss sein“, so der deutsche Grünen-Politiker.
An dem Ethikgremium sollten sich acht EU-Institutionen und -Einrichtungen beteiligen, neben dem EP der EU-Rat, die Kommission, der Gerichtshof, die Europäische Zentralbank, der Europäische Rechnungshof, der Wirtschafts- und Sozialausschuss sowie der Ausschuss der Regionen. Eventuell würde die Europäische Investitionsbank später dazustoßen. Allerdings ist der Rat bereits abgesprungen, was von den EP-Abgeordneten gestern bedauert wurde. EU-Kommissar Virginjus Sinkevicius forderte die Mitgliedstaaten auf, dies zu überdenken.
Das Gremium, dem neben Vertretern der beteiligten Organe auch unabhängige Experten angehören sollen, hat die Aufgabe, ethische Normen festzulegen und deren Auslegung zu klären. Zudem soll es sich mit der Bestandsaufnahme und dem Austausch von bewährten Verfahren befassen. Die insgesamt fünf unabhängigen Sachverständigen führen auf Ersuchen eines der Organe Untersuchungen durch und geben eine unverbindliche Empfehlung ab. Das Gremium kann keine Strafen verhängen.
Konservative und Rechte stimmen dagegen
Zwar gibt es in den verschiedenen EU-Institutionen bereits Regeln zur Transparenz oder Verhaltensregeln, etwa wenn Tätigkeiten nach dem Mandatsende angenommen werden. Die sind meist besser als jene in den Mitgliedstaaten. Doch es mangele an der Durchsetzung dieser Regeln, bedauerte Daniel Freund.
Das EP ist jedoch hinsichtlich des neuen Ethikgremiums gespalten, was sich auch am Abstmmungsergebnis ablesen lässt. 301 EP-Abgeordnete stimmten dafür, 216 dagegen bei 23 Enthaltungen. Gegen die Schaffung des Ethikgremiums stimmten vor allem konservative sowie rechte und rechtsextreme Abgeordnete; die Fraktionen der Sozialdemokraten, Liberalen, Grünen und Linken unterstützten hingegen den Vorschlag. Aus Luxemburg stimmten lediglich die EVP-Abgeordneten Isabel Wiseler-Lima und Martine Kemp dagegen.
Er sei „schockiert“, sagte denn auch der EVP-Abgeordnete Sven Simon während der Debatte. Die interinstitutionelle Vereinbarung sei „schlecht“ verhandelt worden und sei ein Verstoß gegen das Prinzip der Gewaltenteilung. Simon meinte, die Unabhängigkeit des Parlamentarismus stehe auf dem Spiel, da es einem Gremium erlaubt werde, „frei gewählte Volksvertreter zu disziplinieren“. Dem widersprach Daniel Freund, der darauf hinwies, dass das Gremium lediglich „Empfehlungen“ abgebe. Es sei daher „Unfug“, zu sagen, andere Institutionen würden das EP kontrollieren.
Nun müssen die beteiligten Parteien die Vereinbarung nur noch unterzeichnen, damit sie in Kraft treten kann. Nach drei Jahren soll diese überprüft und wenn nötig verbessert werden.
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