Reaktionen / Die EU und Trump: Beißhemmung in Brüssel
Seit Wochen bereitet sich die EU in Brüssel auf die zweite Amtszeit von Donald Trump vor. Man habe „defensive und offensive“ Antworten ausgearbeitet und werde sich von dem unberechenbaren Republikaner nicht vorführen lassen, versprach Industriekommissar Stéphane Séjourné.
Doch am Tag nach der Amtseinführung des neuen US-Präsidenten war davon nichts zu sehen. Die Glückwünsche, die die neue EU-Spitze nach Washington schickte, klangen nicht selbstbewusst, sondern servil und unterwürfig. Die versprochenen Antworten suchte man in Brüssel vergebens.
„Die EU freut sich darauf, eng mit Ihnen zusammenzuarbeiten“, tweetete EU-Ratspräsident António Costa. Zusammen könnten Europäer und Amerikaner mehr Wohlstand und mehr Sicherheit erreichen. „Dies ist die anhaltende Stärke der transatlantischen Partnerschaft.“ Kein Wort zu den wilden Drohungen, die Trump ausgestoßen hat. Kein Wort zu den imperialen Plänen, die der neue Präsident in Grönland hegt. Nicht einmal der Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen und der Austritt aus der Weltgesundheitsorganisation war der EU eine kritische Erwähnung wert.
Selbst die Strafzölle, die Trump gegen europäische Exporte verhängen will, waren tabu. Die EU-Finanzminister, die sich am Dienstag in Brüssel trafen, hatten sich Schweigen auferlegt. Man wolle abwarten und sich „konstruktiv mit der neuen Regierung einlassen“, so der deutsche Minister Jörg Kukies.
Bei so viel Beißhemmung richtete sich der Blick schnell auf Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Die deutsche EVP-Politikerin sei „die starke Stimme Europas“, hatte die Karlspreis-Jury in der vergangenen Woche verkündet – also würde wenigstens sie klare Worte finden? Doch auch diese Hoffnung wurde enttäuscht. Die Rede, die von der Leyen beim Weltwirtschaftsforum in Davos hielt, klang, als habe sie Kreide gefressen. Trump kam gar nicht darin vor, fast alle heiklen und strittigen Fragen wurden ausgeklammert. Nur einmal wurde sie etwas deutlicher. „Für beide Seiten steht viel auf dem Spiel“, warnte von der Leyen vor einem Handelskrieg mit den USA. „Es gibt keine anderen Volkswirtschaften in der Welt, die so eng miteinander verflochten sind wie wir.“ 3,5 Millionen Amerikaner seien bei europäischen Firmen beschäftigt.
Noch keine Einladung für von der Leyen
Höchste Priorität müsse daher genießen, frühzeitig in Kontakt zu treten, gemeinsame Interessen zu erörtern und zu Verhandlungen bereit zu sein. Als ein mögliches Thema hat von der Leyen einen Deal zum Ausbau amerikanischer Exporte von Flüssiggas (LNG) ins Spiel gebracht.
Doch bisher hat Trump die Kommissionschefin noch nicht einmal nach Washington eingeladen. Nur ihr Kabinettschef Björn Seibert hat erste Kontakte in der US-Hauptstadt geknüpft. Er versucht, eine „transatlantische Agenda“ aufzustellen – bisher aber ohne erkennbaren Erfolg.
Überraschend ist das nicht. Denn Trump ist – anders als von der Leyen – eben kein Atlantiker. Für Trump gilt „America first, world second“. Die EU hat er in seiner Antrittsrede am Montag nicht ein einziges Mal erwähnt. Auch deshalb tut sich Brüssel nun so unendlich schwer.
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