Editorial / Die European Championships müssen ihren Charme bewahren
Die European Championships in München haben nicht nur die Erwartungen der Sportler, sondern vor allem auch der Organisatoren übertroffen. An den elf Tagen, an denen das Multisportevent in der bayrischen Hauptstadt über die Bühne ging, zählten die Veranstalter über 1,2 Millionen Besucher und hatten die erhoffte Million bereits nach einer Woche erreicht. Die Stimmung, die an den Tagen der Multi-EM in München herrschte, dürfte allen Beteiligten noch lange in Erinnerung bleiben. Ob nun die Eröffnungsfeier, bei der der Olympiapark aufgrund des Zuschauerandrangs sogar geschlossen werden musste, die Triathlonwettbewerbe, bei denen auch eine für die Athleten ungewohnt lautstarke Zuschauerkulisse präsent war, oder das Olympiastadion, in dem es besonders am vergangenen Dienstag kein Halten mehr gab. Auch zu den Austragungsorten der kleineren Sportarten, die oftmals eher ein Schattendasein führen, strömten die Zuschauer hin. Das Konzept, als gemeinsame EM-Veranstaltung mehr Visibilität, mehr Zuschauer und mehr Sendezeit im Fernsehen zu erhalten, ist in München komplett aufgegangen und löste eine neue Euphoriewelle aus.
Die Stimmung, die an diesen elf Tagen in München herrschte, ähnelte einem Volksfest, denn nicht nur die traditionellen Sportfans kamen, um vom Event zu profitieren. Die Organisatoren in München hatten es perfekt verstanden, die Sportwettbewerbe mit einem breiten Kulturangebot zu kombinieren. Es sollte ein Ereignis für alle werden, und dies wurde es auch. Die Akzeptanz in der bayrischen Hauptstadt für die European Championships war groß, negative Kritik war in den letzten beiden Wochen jedenfalls nicht zu hören und so wurden auch die Rufe nach einer deutschen Olympiabewerbung zwangsläufig wieder lauter. Dabei sollte man aber nicht vergessen: Diese Multi-EM war mehr als nur eine Nummer kleiner. So kam das ZDF auf die konkreten Zahlen von 4.700 Athleten und 130 Millionen Euro Budget zurück, welches von Bund, Land und Stadt aufgewendet wurde – und zog den Vergleich zur Olympiade in Tokio, mit 11.4000 Sportlern und 13 Milliarden US-Dollar.
Was den Veranstaltern perfekt gelang, war, das Sport-Event der Stadt München sozusagen auf den Leib zu schneidern – ein Spielraum, eine Flexibilität, die sie bei den Olympischen Spielen nicht gehabt hätten, da dort alles streng reguliert ist. Die European Championships kamen gerade deshalb so gut an, weil alles eben kleiner ausfiel, authentischer und nachhaltiger wirkte. Hier passten die Olympiastätten von 1972, die größtenteils auch 50 Jahre später genutzt werden, einfach perfekt ins Bild. Bleibt zu hoffen, dass die Multisport-EM diesen erfrischenden Charme bewahren kann. Denn hinter den Kulissen brodelt es angeblich bereits: Diskussionen mit den beiden großen Sportarten Leichtathletik und Schwimmen – das nach der Premiere 2018 in München fehlte – seien entstanden, da diese nicht bereit sein sollen, so ganz auf ihr Alleinstellungsmerkmal zu verzichten. Dabei geht es um Werbepartner, Vermarktungsrechte, Mitspracherechte bei der Programmgestaltung – und vor allem Geld. Stellt sich die Frage, ob die Championships auf beide Zugpferde verzichten können. Schade wäre es jedenfalls, wenn dieses bisher so erfolgreiche Konzept, das bei Publikum und Sportlern einen enormen Anklang fand, nach zwei Auflagen schon wieder eingemottet oder neu überdacht werden müsste.
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