Editorial / Die Gewerkschaften kommen gut gerüstet aus den Sozialwahlen
Letztendlich konnte es bei den Sozialwahlen nur Sieger geben. Es sehe nach einem großen Sieg des OGBL aus, sagte am Wahlabend dessen Präsidentin Nora Back. In der Tat unterstrich die größte Gewerkschaft des Landes ihre dominante Position, indem sie den Großteil ihrer Delegiertenmandate verteidigte. In vielen Betrieben behielt sie die Oberhand oder baute sogar ihren Vorsprung aus. Ebenfalls zufrieden zeigte sich der LCGB. Allerdings hat auch die Zahl der gewählten unabhängigen Kandidaten zugenommen, ein zweischneidiges Schwert.
Die Bedeutung der Sozialwahlen liegt auf der Hand: Schließlich handelt es sich um einen Urnengang, bei dem alle Arbeitnehmer und Rentner Luxemburgs ihre Stimme abgeben können, unabhängig von Nationalität und Wohnort – Nora Back sprach von „der größten demokratischen Wahl im Land“. Auch LCGB-Präsident Patrick Dury betonte die Besonderheit der Sozialwahlen im Vergleich zu Chamber-Wahlen. Das Ausländerwahlrecht wurde bei Parlamentswahlen beim Referendum 2015 abgelehnt – das durch das damalige Negativvotum zementierte Demokratiedefizit wirkt bis heute als Makel nach.
Gut gerüstet zu sein für die Herausforderungen von Gegenwart und Zukunft ist nötiger denn je. Nicht nur, weil nach wie vor in einigen Wirtschaftszweigen viel zu wenige Arbeitnehmer durch Kollektivverträge abgesichert sind, etwa im Handelssektor oder im Hotel- und Gaststättengewerbe. Der Deckungsgrad der Kollektivverträge lag zu Beginn des Jahres bei 59 Prozent in der Gesamtwirtschaft und bei 53 Prozent im Privatsektor. Das ist noch weit entfernt von dem Deckungsgrad von 80 Prozent, den eine europäische Richtlinie vorschreibt.
Arbeitsrecht, Pensionsreform, Steuerreform, Wohnungsbaukrise und die Frage der sozialen Ungleichheit – es steht etliches an, was in naher Zukunft beantwortet und gelöst werden muss. Die Vertreter von OGBL, LCGB und CGFP trafen sich am Anfang des Monats mit Premierminister Luc Frieden, nachdem sich die Gewerkschaften darüber beklagt hatten, nicht zum „Logementsdësch“ eingeladen worden zu sein. Das Gespräch sei „konstruktiv“ gewesen, hieß es später, es blieb jedoch ohne konkrete Resultate.
So oder so brauchen die Gewerkschaften bei der wirtschaftsliberalen Ausrichtung der Regierung ein gutes Rüstzeug. Allgemein herrscht in Europa ein zunehmend konservativer bis autoritärer Zeitgeist in den Machtzentralen. Die große Gefahr für die Demokratien droht jedoch am stärksten von den rechtspopulistischen bis rechtsextremen Parteien. Die Rechten positionieren sich oftmals gegen wohlfahrtsstaatliche Organisationsformen. Der Aufstieg dieser Parteien bleibt auch für die Gewerkschaften nicht ohne Folgen, wie eine jüngste Studie der deutschen gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung zeigt.
Die durch den Rechtspopulismus geförderte „wohlstandschauvinistische Orientierung“ ist aus mehreren Gründen höchst problematisch, wenn etwa die Solidarität der Beschäftigten erodiert und paternalistische, antiegalitäre und antidemokratische Einstellungen zunehmen – und damit die Legitimation von Gewerkschaften infrage gestellt wird. Nicht zuletzt geht es den Rechtspopulisten darum, den Einfluss der Gewerkschaften zu beschneiden. Umso mehr müssen diese zusammenhalten und eine Einheit bilden.
Dass sich das langfristige, unermüdliche Engagement für die Arbeitnehmerschaft auszahlt, belegt die Geschichte. Die politischen Parteien können sich daran ein Beispiel nehmen, nicht zuletzt jene mit traditioneller Affinität zu den Gewerkschaften. Die Stärke der Letzteren, die Verteidigung ihrer Errungenschaften und ihre Fortschrittlichkeit, ist nichts anderes als ein Dienst an der sozialen Kohäsion – ein Dienst an der Demokratie.
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