Parlament / Die Grünen ziehen Bilanz nach erstem Oppositionsjahr seit einer Dekade
Sam Tanson und „déi gréng“ sind nach eigenen Angaben nach zehn Jahren Regierungsbeteiligung in der Opposition angekommen. Die Arbeit von CSV und DP sehen die Grünen eher kritisch – vor allem „weil die gestärkt werden, die bereits viel haben“.
Die Grünen sind in der Opposition angekommen. So sieht es jedenfalls Sam Tanson, die die Medienvertreter am Montag auf der alljährlichen Pressekonferenz zur parlamentarischen Bilanz von „déi gréng“ vor der Sommerpause begrüßte. Tatsächlich haben die Grünen sich auf ihren Plätzen auf der Oppositionsbank schnell zurechtgefunden und sind in den vergangenen Monaten durch pointiert scharfe Kritik und auch dem einen oder anderen Lob an der Regierungsarbeit aufgefallen. „Die neue Regierung hat mit der Einladung der Zivilgesellschaft zu den Koalitionsgesprächen gut angefangen“, sagte Sam Tanson am Montag. Anschließend habe sich aber gezeigt, warum die Kontrollfunktion der Chamber so wichtig sei. „Mit dem Bettelverbot, dem Kleinreden der Klima- und Umweltkrise und dem Maßnahmenpaket im Logement werden vor allem die Starken, die bereits viel haben, noch einmal gestärkt.“
Die vergangenen Wochen und Monate hätten dann auch gezeigt, dass das institutionelle Miteinander zwischen Chamber und Regierung nicht immer reibungslos funktioniere. „Erst wurde der Koalitionsvertrag nicht veröffentlicht, Anfragen an die Minister wurden nicht beantwortet, Live-Übertragungen einiger Chamber-Kommissionen blockiert …“, zählte Tanson auf. Das sei zwar nicht alles die Schuld der Regierung. Dass Verbesserungsbedarf bestehe, hätten aber auch Abgeordnete der Mehrheitsparteien erkannt – auch wenn eine entsprechende Motion in der Chamber nicht mitgestimmt wurde.
Stotterstart
Dass die neue Regierung erste Anfangsschwierigkeiten hatte, wollte die Grünen-Abgeordnete nicht zu hoch hängen. „Es ist nicht anormal, dass noch nicht viel Konkretes vorliegt“, so Tanson. Besonders im Logement warte man aber weiterhin auf die bereits mehrfach angekündigten konkreten Maßnahmenpakete. Unklar sei unter anderem, zu welchen Bedingungen die Private Public Partnerships zustande kommen sollen. „Vieles sieht mir nach einer Vollkaskoversicherung für Privatinvestoren aus“, sagte Tanson. Elementare Dossiers wie die Grundsteuer, Leerstandssteuer und Mobilisierungssteuer würden hingegen liegen bleiben. Kritisch sah Tanson auch die umwelt- und klimapolitischen Maßnahmen im Logement-Bereich. Man dürfe nicht in eine Situation kommen, in der die Artenvielfalt reduziert werde.
Besorgniserregend fand die Grünen-Abgeordnete, dass die neue Regierung einige ihrer Maßnahmen mit aller Macht durchgedrückt habe. „Das Bettelverbot wurde entgegen der Meinung zahlreicher Juristen gebilligt“, sagte Tanson. Das neue Mietgesetz werde kommende Woche ohne den vom ehemaligen Grünen-Minister Henri Kox vorgesehenen Mietendeckel gestimmt. Und: „Die Logement-Politik kommt vor allem den Investoren zugute.“ Tanson hoffte dann auch, dass die Reform des Jugendschutz-Gesetzes, zu dem seit 13 Monaten ein Gutachten des Staatsrates vorliegt, demnächst vorankomme.
Symbolpolitik
Wenig angetan zeigen sich die Grünen von der neuen Gemeindepolizei. Ein sichtbares Armband als Unterscheidungsmerkmal sei nur eine „Gemeindepolizei light“, wenn man an die Versprechen aus dem Wahlkampf zurückdenke. Dass die Polizei verstärkt in den Ortschaften patrouillieren könne, sei zudem einzig und allein der Rekrutierungsoffensive der vorherigen Grünen-Minister zu verdanken gewesen.
Insgesamt, so das Resümee, betreibe die Regierung eine Politik, „die nur ein paar Wenigen in der Gesellschaft in die Taschen spielt – in der Hoffnung, dass etwas nach unten abtropft“. Das sei in einem internationalen politischen Umfeld sehr gewagt, wenngleich man hoffe, dass die Regierung in ihrem Optimismus recht behalte. Angesichts des Vormarsches der extremen Rechten warnte die Grünen-Abgeordnete aber vor einer weiteren Zersplitterung. „Über all dem schwebt die Klimakrise“, sagte Tanson. Man könne die Krisen nicht alle in Luxemburg lösen. „Wir müssen diesen Krisen finanzpolitisch vorbauen und umweltpolitisch eine Vorreiterrolle spielen.“ Schlussendlich aber gebe es nur eine echte Brandmauer gegen die extremen Kräfte: „Wir müssen darauf achten, dass die Schere zwischen Arm und Reich nicht weiter auseinander geht.“
Sam Tanson nahm die Pressekonferenz auch zum Anlass, den scheidenden Grünen-Abgeordneten François Bausch zu würdigen. Nur wenige Politiker hätten Luxemburg dermaßen geprägt wie der ehemalige Mobilitäts- und Verteidigungsminister, so Tanson.
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