Parlament / Die „Guten“ gegen „Schmuddelkinder“: ADR initiiert Debatte über die Sanktionspolitik des Westens
Die Folgen der Sanktionspolitik des Westens gegen Russland standen im Mittelpunkt einer mehrstündigen Debatte gestern im Parlament. Auslöser war eine Interpellationsanfrage der ADR, in deren Verlauf Fernand Kartheiser auf die negativen Folgen der Sanktionen für die EU und Luxemburg einging. Eine geballte Anti-ADR-Front bemühte sich, die Argumente der konservativen Partei zu entkräften, ging dabei unter anderem auf Fragen ein, die vom Interpellanten nicht aufgeworfen worden waren. Vor allem aber herrschte Empörung über die Haltung dieser Partei, die sich als einzige Friedenspartei darstellte. Kriegstreiber, Aufwiegler, Panikmache, Scheinheiligkeit – so lauten einige der giftigen Komplimente an die Adresse des Interpellanten.
Russland ist derzeit das weltweit am stärksten von Sanktionen betroffene Land. Rund 11.000 Strafmaßnahmen sprach der sogenannte Westen nach der Krim-Krise von 2014 und vor allem nach dem Einfall Russlands in die Ukraine im Februar 2022 aus. Gleich nach Kriegsbeginn habe die ADR einen Waffenstillstand gefordert, so Fernand Kartheiser (ADR). Entsprechende Verhandlungen seien jedoch abgeblockt worden. Stattdessen folgten Sanktionen. Diese seien tendenziell unwirksam. Keines der angestrebten Ziele wurde erreicht. Sie sollten die Bevölkerung zu einem Regierungssturz bewegen. Tatsächlich aber würden 80 Prozent der Bevölkerung Putin unterstützen. Die Regierung wurde eher gestärkt als geschwächt. Zwar sei die Wirtschaftsleistung 2022 um 2,2 Prozent gesunken, aber bereits 2024 werde Russlands Wirtschaft stärker wachsen als so manches westliche Land.
Andere Schlussfolgerungen zog Kartheiser für die EU. In Europa hätten die hohen Energiepreise zu einer Abwanderung von Unternehmen und zu einem Arbeitsstellenabbau geführt. Seine Partei habe bereits 2022 vor derlei Sanktionspolitik gewarnt. Erfolgsaussichten seien von Anfang an klein gewesen. Dennoch soll diese Sanktionspolitik weitergeführt werden, weil die westlichen Regierungen ihren Misserfolg nicht eingestehen wollten. Europa hätte mehr erreicht, wenn es Friedensinitiativen ergriffen hätte. Die Sanktionen würden auch Luxemburg schaden. Dabei wies er auf die hohe Inflationsrate hin. Dies führe zu hohen Zinsen, ein Faktor, der sich negativ auf den Wohnungsmarkt auswirke. Zwar konnten die Preissteigerungen im Energiesektor dank staatlicher Stützmaßnahmen abgefedert werden, aber die Möglichkeiten des Staates seien begrenzt.
Insgesamt sah Kartheiser nur negative Folgen für Europa, das den russischen Markt verloren hat. Nun würden westliche Exporte durch eigene Produktionen und Importe aus anderen Ländern ersetzt. Insgesamt verliere der Westen an Einfluss und Autorität, insbesondere auf dem afrikanischen Kontinent. Es bilden sich neue Allianzen gegen den Westen, die zu neuen Konflikten führen würden.
Kein Blankoscheck für Aggressoren
Keine Sanktionen gegen Russland zu ergreifen, wäre der Ausstellung eines Blankoschecks für jede Art Aggressor gleichgekommen, so mehrere Abgeordnete. Als Erster äußerte sich Claude Wiseler (CSV) zu Kartheisers Äußerungen. Die ADR gebe dem Westen und der Ukraine die Schuld am Krieg. Für Friedensverhandlungen brauche man jemanden, der Frieden wolle. Aber Putin sei ein Kriegszyniker, der Morden und Vergewaltigungen gutheiße. „Wenn die Russen aufhören, zu schießen, ist der Krieg vorbei; wenn die Ukraine aufhört, dann ist das Land verloren.“
Hätte man keine Sanktionen ergriffen, wie die ADR sich dies wünscht, hätte man ein Zeichen gesetzt, dass den Mächtigen alles erlaubt ist, echauffierte sich Wiseler. Es brauche Jahre, bis Sanktionen greifen. Sie würden die russische Wirtschaft schwächen. Es sei unsinnig, bereits nach einem Jahr eine Bilanz zu ziehen. Gleichzeitig musste Wiseler zugeben, dass die Strafmaßnahmen nicht so viel bewirkt hätten, wie anfangs gedacht. Zum BIP-Wachstum in Russland würde auch die massiv angekurbelte Waffenproduktion beitragen. Die Autoindustrie sei jedoch ihrerseits um 60 Prozent eingebrochen, die Luftfahrtindustrie geschwächt worden. Aus vielen anderen Sektoren würden keine Angaben vorliegen. Unklar sei, was die russische Bevölkerung angesichts der eingeschränkten Meinungsfreiheit denke. Auch Luxemburg leide unter den Sanktionen. Am meisten aber würden die Ukrainer leiden.
Die ADR akzeptiere, dass die Autonomie eines Volkes verletzt werde. Es sei ganz schlimm, was Kartheiser gesagt habe. Das sei eines Parlaments unwürdig, empörte sich Gusty Graas (DP). Er nannte Kartheiser einen Kriegstreiber, warf ihm Beschwichtigungspolitik gegenüber Putin vor, bemühte Parallelen zum unrühmlichen Münchner Abkommen von 1938 zwischen Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Italien, mit dem die Tschechoslowakei das Sudetenland an Deutschland abtreten musste, was aber Hitler nicht davon abhielt, sich ein Jahr später den Rest der Tschechoslowakei einzuverleiben und den Zweiten Weltkrieg loszutreten.
Wie auch andere Redner forderte Graas weitere Waffenlieferungen an die Ukraine und zusätzliche Sanktionen. Der Beitrittsantrag der Ukraine in die NATO könne nicht ignoriert werden, auch wenn das Land an Russland grenzt. Man brauche eine starke NATO und Luxemburgs Beitrag sollte angehoben werden.
Die ADR gebe sich als Friedenstaube, als ob die anderen Parteien sich kein Ende des brutalen Krieges wünschten. Ja zu einem Frieden, aber zu einem gerechten, so der sozialistische Fraktionsvorsitzende Yves Cruchten (LSAP). Zynisch sei es, nur über die Nachteile für Luxemburg zu reden. Auf ukrainischer Seite seien über 100.000 Soldaten, auf russischer Seite über 180.000 getötet oder verletzt worden. Die russische Seite würde insbesondere die Zivilbevölkerung als Zielscheibe nehmen. Russland ziele auf zivile Infrastruktur, würde Schulen und Krankenhäuser bombardieren. Russland führt einen barbarischen Krieg gegen das ukrainische Volk. „Sollten wir uns mit einem Blick auf die Zapfsäule begnügen?“, fragte er.
Ziel der Rechtsparteien sei es, Zweifel an der Wirksamkeit der Sanktionen zu säen. Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) habe dazu beigetragen, monierte Stéphanie Empain („déi gréng“). Die IWF-Prognosen für Russland seien optimistischer als jene für den Euroraum, doch der IWF erhebe nicht selbst die Daten. Russland halte sich nicht an die Regeln und verschweige Daten. Der IWF hat sich zum Helfer der russischen Propaganda gemacht. Dabei würden die Sanktionen Russland hart treffen. Zwar hätten sie bisher noch zu keinem Stimmungsumschwung beigetragen, doch würden sie wie schleichendes Gift wirken. Auch Empain sprach sich resolut für weitere militärische Aufrüstung der Ukraine und eine stramme Sanktionspolitik aus. Die Politik „Wandel durch Handel“ sei gescheitert. Die aktuelle EU-Haltung wertete sie auch als ein klares Signal an China.
Ohne Alternative
Für Nathalie Oberweis („déi Lénk“) waren Sanktionen angesichts des Völkerrechtsbruchs durch Russland alternativlos. Doch hätten sie nicht den erwarteten politischen Effekt. „Man kann das größte Land nicht wie eine Karibikinsel blockieren.“ Sie forderte eine Konfiskation der eingefrorenen russischen Vermögenswerte, um sie für den Aufbau der Ukraine zu nutzen. Sven Clement (Piratepartei) erinnerte insbesondere an die ersten Leidtragenden des Krieges. Auch als Flüchtlinge befinden sich die Ukrainer und Ukrainerinnen in einer unsicheren Situation, sagte er und erinnerte dabei an das Schicksal der ukrainischen Familie, die ihre Wohnung in Diekirch verlassen muss. Der Krieg treffe auch die sozial Schwachen in Luxemburg. Ihnen müsse sofort unkompliziert und unbürokratisch geholfen werden.
Außenminister Jean Asselborn (LSAP) zufolge gingen Kartheisers Aussagen unter die politisch-ethische Gürtellinie. Das sei Le Pen- und AFD-Gedankengut, was dieses Hauses unwürdig sei. Seit Ende des Zweiten Weltkrieges habe kein Abgeordneter solche rechtsextreme Reden gehalten. Alle wollten eine diplomatische Lösung. Auch 2014 habe man auf eine diplomatische Lösung der Krim-Frage gehofft. Man sei jedoch getäuscht worden.
Nach der Krim-Annexion sei man mit Sanktionen zaghaft gewesen, glaubte man doch, schnell zu normalen Verhältnissen zurückkehren zu können.
Asselborn zufolge sei bereits vor dem Krieg der Austausch mit Russland bescheiden gewesen. Die Schließung des Luftraums hatte Folgen für Cargolux. Zur Unterstützung von Betrieben, die in Russland wirkten, wurde mit der Handelskammer ein Helpdesk als Anlaufstelle eingerichtet. Er erinnerte an die drei Solidarpakete, die innerhalb von zwölf Monaten geschnürt wurden, um Bürger und Betriebe vor den Folgen des Krieges zu schützen.
Eine ADR-Motion, die von Luxemburg fordert, für eine Friedenskonferenz einzutreten, wurde lediglich von den Abgeordneten von „déi Lénk“ mitgetragen. Abgelehnt wurde auch eine zweite Motion, die für ein Ende der Sanktionspolitik plädiert.
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Den UNO Menschenrechtsrat fuerdert souguer d’oofschaafen vun den Eegesäitegen Sanktiounen !! A/HRC/52/L.18-The negative impact of unilateral coercive measures on the enjoymemt of human rights war mei méi Kloer ausgangen!! Do gesäit ee wéi ons Chamber, weider Vasallen spillen!! Mir soll
Keen méi eng Lektioun iwwer Recht an Onrecht ginn. Ech wënschen Mir dass juddfereen an der Geschicht zu Verantwortung gezunn gett!!
@Jeff / „Eingebracht wurde die Resolution von Aserbaidschan im Namen der Bewegung der Blockfreien Staaten.“
An zu denen déi Yes gesoot gehéieren bestëmmt och d’Ukrainer, awer och aner Demokratien?
@Grober J-P
Ah ok, wann Ech Iech richteg verstinn, ass Demokratie just wann et am Interessen vum Westen ass, a wann et net dem Westen senge Virstellungen entsprécht, dann sinn et alles Diktaturen a Putin Unhänger.
Hei ass Resultat vun der Ofstëmmung
33 Staaten haben dafür gestimmt: Algerien, Argentinien, Bangladesch, Benin, Bolivien, Chile, China, Costa Rica, Elfenbeinküste, Eritrea, Gabun, Gambia, Honduras, Indien, Kamerun, Katar, Kasachstan, Kirgisistan, Kuba, Malawi, Malaysia, Malediven, Marokko, Nepal, Pakistan, Paraguay, Senegal, Somalia, Südafrika, Sudan, Usbekistan, Vereinigte Arabische Emirate und Vietnam.
13 dagegen : Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Georgien, Litauen, Luxemburg, Montenegro, Rumänien, Tschechien, Ukraine, Großbritannien und die USA, und ein Staat (Mexiko) hat sich enthalten