Editorial / Die Immobilienkrise benötigt auch kurzfristige Lösungen
„Falls sich diese Beschleunigung fortsetzt, dürften sich die Wohnungspreise innerhalb von fünf Jahren verdoppeln.“ Dieser Satz stand letzte Woche in einem Tageblatt-Artikel zur Steigerung der Immobilienpreise im vergangenen Jahr. Diese Verdopplung ist eine mögliche Entwicklung, die mehr als reines Kopfschütteln auslösen sollte. Eigentlich sollte ein Dach über dem Kopf in unserem Land das Selbstverständlichste der Welt sein.
Die Corona-Krise hat einen weiteren Problemherd in Luxemburg weiter angeheizt: Die Immobilienpreise sind im ersten Jahr der Pandemie erneut kräftig gestiegen. Das zeigen die Daten des Statec, die vor kurzem veröffentlicht wurden. Sogar der Rekordanstieg von 2019 wurde übertroffen. Der Preisanstieg lag im letzten Jahr bei 14,5 Prozent. 2019 waren es im Schnitt 10,2 Prozent und ein Jahr davor lag die Steigerung bei „nur“ 7 Prozent. Die Zahlen zeigen dazu, dass Appartementwohnungen mehr zugelegt haben als Häuser.
Laut „Deloitte Property Index 2020“ ist Luxemburg der teuerste Immobilienmarkt Europas. Dieser Index des Beratungsunternehmens vergleicht Wohnungspreise in 66 europäischen Städten. Bei den Mietpreisen sieht es nicht viel besser aus. In Luxemburg-Stadt werden höhere Mieten verlangt als in den Innenstädten von Paris oder London. Die Anzahl der Mieter, die über 40 Prozent ihres Einkommens für das Wohnen aufbringen müssen, hat sich zwischen 2010 und 2017 fast verdoppelt. Das trifft, wie so oft, vor allem einkommensschwache Haushalte. Doch längst hat die Krise jene erreicht, deren Einkommen über dem Mindestlohn liegt.
Solche Preissteigerungen sind gut für diejenigen, die bereits Eigentümer sind. Doch wer mit seinem ersten Arbeitsvertrag in der Tasche nach einem eigenen Zuhause sucht, muss einen langen Atem, eine gute Internetverbindung und eine Portion Glück haben. Zu viele Bewerber wollen genau das eine Objekt. Gute Angebote sind so schnell reserviert, dass nicht mal jeder Interessierte seinen Besichtigungstermin wahrnehmen kann. Vielen bleibt nichts anderes übrig, als ins nahe Ausland zu ziehen.
Die Gründe für das Fehlen von bezahlbarem Wohnraum sind vielfältig. So manches Baugrundstück liegt seit Jahrzehnten brach, bereits bestehender Wohnraum steht viel zu lange leer und nationale wie internationale Investoren treiben die Preise weiter an. Daran wird sich nichts ändern, solange solch hohe Summen gefordert werden dürfen und sie weiterhin jemand auf den Tisch legt.
Der Mieterschutz möchte bei seinen Demonstrationen, wie am vergangenen Samstag, auf diese negativen Entwicklungen aufmerksam machen. Den Demonstranten reichen die geplanten Änderungen von der Politik, wie der „Pacte logement 2.0“ oder beim Mietgesetz, nicht aus.
Dabei fehlt es schon seit Jahren und auch in diesem Moment an bezahlbarem Wohnraum. Die Wartelisten bei sozialen Trägern und den lokalen und staatlichen Ämtern sind voll.
Gefragt sind demnach kurzfristige Lösungen, um den Wohnungssuchenden eine schnelle Hilfe anbieten zu können. Andere Wohnformen, wie Wohngemeinschaften, können Abhilfe schaffen. Anstatt dass Grundstücke für Jahrzehnte brachliegen, könnten sie für ein paar Jahre verpachtet werden, denn Modulhäuser sind bereits nach einer kurzen Bauzeit bezugsfertig. Nicht zuletzt sind auch die jetzigen Eigentümer gefragt, die leerstehenden Wohnraum besitzen und nicht nur auf Gewinn aus sind: Durch die Vermietung an soziale Träger und „Offices sociaux“ kann schnell dringend benötigter Wohnraum bereitgestellt werden.
Weitere Gründe:
– Zwischen dem 31.Dezember 2014 und dem 1.Januar 2015 wurden Neubauten zum Eigenbedarf über Nacht 2% teurer (Mehrwertsteuererhöhung) und ein Teil der faveur fiscale 3% fielen weg.
– Ab 2015 gab es den ermässigten Steuersatz für Neubauten von Mietobjekten nicht mehr, was dazu führte, dass jede einzelne neugebaute Wohnung durch den Wegfall der TVA logement auf einen Schlag 41.200 Euro teurer wurde. Die Erhöhung der MwSt. kam natürlich auch in diesem Fall dazu.
– Ab 2017 mussten Neubauten die Klasse AAA aufweisen, was erhebliche Mehrkosten bedeutet (ich bin nicht dagegen, aber die Unkosten sind nun mal Tatsache).
– Das Umweltministerium ist so mächtig geworden, seit déi Gréng am Ruder sind, dass man einen ordentlich gefüllten Geldbeutel haben muß, um die langen Wartezeiten bis zur Baugenehmigung auszuhalten (die Wartezeiten haben sich anscheinend verdoppelt und waren vorher schon nicht kurz).
Ich wollte diese Regierung ein zweites Mal, weil frischer Wind durch die Regierungsgänge geblasen wurde und unter anderem endlich zeitgemäße Gesetze fürs Privatleben und die Kirchen geschaffen wurden. Und die Corona-Krise haben sie besser als andere gehandhabt (soweit es der Wissensstand zuließ), aber in der Wohnungspolitik haben sie schmählich versagt, sogar vieles viel schlimmer gemacht.
Der Pacte logement 2 wird wieder das Gegenteil erreichen, denn er wagt sich nicht an das fundamentale Problem:
zu wenige Wohnungen für viele Menschen (trop de demande et pas d’offre).
P.S. Glücklich die, die vor 10 Jahren gekauft haben.
Solange:
– der Staat mit dem eigenen Wohnungsbau bummelt,
– Genehmigungen Ewigkeiten brauchen,
– die Gemeinden nur wenige Wohnungen pro Hektar genehmigen,
– Wohnungen in Residenzen trotz steigender Single-Haushalte nicht kleiner gebaut werden dürfen,
– und, und, und, …
wird das Angebot sich nicht erhöhen und die jüngeren Einwohner werden immer mehr ins Grenzgebiet ausweichen müssen – oder im Hotel Mamma bleiben.
Wir haben die teuersten Wohnungen und sind das glücklichste
Volk !! Auch unsere Politiker sind die Besten.
Ich bin Arzt und wohne in einer Mietwohnung in Luxemburg. Mein Einkommen erlaubt mir nicht, hier Immobilien zu kaufen, und wenn die Mieten weiter steigen, muss ich höchstwahrscheinlich in ein anderes Land ziehen und dort arbeiten (um nicht wertvolle Zeit in Stau auf der Autobahn zu verbringen). Braucht Luxemburg nicht sowohl Ärzte als auch Banker und Ingenieure?