Luxemburg / Die Initiative „Pipapo“ setzt sich für eine offene und sichere Partykultur ein
„Pipapo” arbeitet an einer offeneren und sicheren Partykultur. Bekannt ist der Verein vor allem wegen seines Angebots der Drogenanalyse auf Festivals. In diesem Jahr hat er sein Angebot um „Safer Night” erweitert. Wo viele Menschen zusammenkommen, gibt es leicht Grenzüberschreitungen. Ansprechpartner vor Ort wollen solche Vorfälle vermeiden helfen und begleiten Betroffene.
Usina, E-Lake, Unexpected, Francofolies und im Club Mirador: Zum ersten Mal waren dort dieses Jahr „Peers“, so nennen die Pipapo-Mitarbeiter ihre Freiwilligen mit den lilafarbenen Westen und der Aufschrift „Awareness-Team“, unterwegs. „Awareness” steht im Englischen für „Bewusstsein“. Bezogen auf die Party- und Festivalszene will Pipapo mit diesem Konzept ein Bewusstsein für Regeln schaffen.
Alle Gäste – egal, welcher Hautfarbe oder sexuellen Orientierung – sollen sich im Nachtleben sicher und unbeschwert fühlen können. Es geht um eine gleichberechtigte und inklusive Partykultur. Das Bewusstsein für Respekt und Toleranz sind weitere Eckpfeiler der Arbeit des Vereins, um soziale Ausgrenzung zu verhindern. Das Konzept „Safer Party“ oder „Awareness“ ist für die meisten noch recht neu, obwohl es das im Ausland schon länger gibt.
Die Reaktionen darauf sind überwiegend positiv. „Viele sind froh, dass es das jetzt auch in Luxemburg gibt“, sagt Alex Loverre (39). Der Psychologe hat sich im Verlauf seiner Ausbildung auf Gruppendynamiken spezialisiert. Als reine Prävention will er die Arbeit der „Pipapo“-Freiwilligen nicht sehen. Ihre Mission ist vielmehr „Schadensbegrenzung“, wie er sagt.
Sensibilität für Diskriminierungen
Anmache durch die Security, weil die Kleidung nicht ins Bild passt, ein anderes Aussehen oder das Gefühl, nicht so sein zu können, wie man ist, oder nicht auf die WCs zu gehören, die auf „Damen“ und „Herren“ zugeschnitten sind: Die queere Community ist ständig damit konfrontiert. Nicht nur sie, obwohl sich in den letzten Jahren viel verändert hat.
Die Aufmerksamkeit gegenüber jedweder Form von Diskriminierung gegenüber Minderheiten ist gewachsen. Schwarze sind „people of colour“, und es gibt den „Black Lives Matter“-Aktivismus. Menschen, die sich nicht den Normen weiblich oder männlich zugehörig fühlen, haben eine Interessensvertretung, die LGBTI-Community. Reicht das? Die Antwort ist Nein.
Nachts und gerade in der Masse von Festivals verschieben sich oftmals Grenzen im zwischenmenschlichen Umgang. Loverre nennt es „Freiräume“, die in diesen Situationen entstehen. Pipapo will das Bewusstsein dafür schärfen, dass auch in diesen Freiräumen Werte und Regeln gelten – auf Veranstalter- wie Gästeseite. Schon im Vorfeld einer Veranstaltung führen die sieben „Pipapo“-Mitarbeiter Gespräche mit dem Veranstalter und den Security- wie Serviceteams.
Die „Pipapo“-Peers sind Anlaufstellen
Auf den Events selbst sind die „Peers” Anlaufstellen in Situationen, in denen es zu Diskriminierung oder Rassismus kommt. „Wenn uns jemand anspricht, weil er oder sie in Schwierigkeiten kam, hinterfragen wir nicht”, sagt Loverre. „Wir fragen, was er oder sie in diesem Moment braucht”. Sei es, dass der Verursacher des Platzes verwiesen wird, sei es, dass der Belästigte sich einfach irgendwohin flüchten kann, wo das nicht wieder vorkommen kann.
„Pipapo“ richtet im Rahmen seiner Arbeit vor Ort den „Lila Point“ ein, eine Schutzzone für die, die unangenehme Situationen hinter sich haben. Neben Sensibilisierung geht es um Schutz. Das Sicherheitsbedürfnis ist gewachsen – nicht nur bei Minderheiten. „Es betrifft jeden”, sagt Loverre aus Erfahrung. Unter Männern existieren hauptsächlich Ängste, in Schlägereien verwickelt zu werden. Bei den Frauen ist es differenzierter. Es ist die Angst, etwas ins Glas zu bekommen, was nicht hineingehört, oder dass das berühmte „Nein“ nicht akzeptiert wird.
Fehlender Konsens für Regeln
Queere Menschen fürchten vor allem, körperlich bedroht zu werden, weil sie anders sind. Das sind die Erfahrungen von diesem Jahr und es sind bekannte gesellschaftliche Probleme. Mit „Me too“ hat vieles davon zwar eine breite Öffentlichkeit erreicht, die Probleme existieren aber trotzdem weiter. Und gerade im Nachtleben suchen viele eine Abwechslung zum Alltag.
Mit einer Besonderheit: „Die Regeln sind heute nicht mehr klar festgelegt und es gibt keinen Konsens zwischen den Leuten, wenn sie in Partysituationen mit den Regeln spielen”, sagt Dr. Carlos Paulos (52). Der Verhaltenspsychologe ist einer der Gründer von Pipapo und Mit-Initiator der Einführung des Konzepts von „Awareness“. „Wir leben in einer Zeit, in der an Strukturen gerüttelt wird“, sagt er zur gesamtgesellschaftlichen Lage. Die Arbeit von Pipapo ist eine Reaktion darauf.
Das Projekt Safer Night
Das Projekt ist durch eine europaweite Vernetzung Gleichgesinnter entstanden. Die ASBL 4motion, von der die Idee zu Pipapo stammt, ist Teil des europäischen Netzwerks CrissCross, dem weitere sieben NGOs in vier Ländern angehören. Alle haben u.a. einen Schwerpunkt auf der Bekämpfung von sozialer Ausgrenzung. Ziel ist ein sozialer Wandel, der ein Zusammenleben auf der Grundlage eines integrativen und wohlwollenden Ansatzes hervorbringt.
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