Editorial / Die Integritätsagentur braucht es besser heute als morgen
„Es besteht Nachholbedarf.“ Die Worte des Direktors der nationalen Anti-Doping-Agentur (ALAD) aus dem Tageblatt-Interview Mitte August sprechen Bände. Loïc Hoscheit sprach damit die geplante Reform des Luxemburger Sportmodells an: Aus der ALAD soll, wie es im Koalitionsvertrag vorgesehen ist, eine Agentur für Integrität im Sport werden. Neben den klassischen Untersuchungen im Bereich der Dopingvergehen werden demnach in Zukunft auch Manipulation, Korruption sowie alle Arten der Gewalt im Sport, etwa körperlich, psychisch, sexuell oder psychologisch, sowie jegliche Form von Rassismus zu den Themen gehören, mit denen sich die Agentur befassen wird – und gegebenenfalls auch Konsequenzen aussprechen wird. Während dieser Übergang von der reinen Doping-Agentur zur Integritätsagentur in vielen Ländern bereits vorangeschritten ist, steckt Luxemburg bei „Safeguarding“ und Co. noch in den Kinderschuhen.
Doch ein Anfang wurde gemacht. Während der Olympischen Spiele in Paris hatte das Olympische Komitee mit Michelle Tousch eine Juristin als Safeguarding-Beauftragte akkreditiert: Zu ihrem Aufgabenfeld vor Ort gehörte der tägliche Schutz der Athleten – vor übergriffigen Zuschauern und Fans bis hin zu aufdringlichen Journalisten. Während Sportler X das Bad in der Menge und den Rummel um seine Person genießt, benötigt Sportler Y eher Abstand und Ruhe. Es handelt sich also um eine sehr individuelle Interpretation und hängt von den jeweiligen Charakteren ab.
Nun haben die Spitzensportler bereits eine Anlaufstelle für ihre Sorgen – doch im Jugend- und Breitensport würden in Luxemburg weitere 200.000 Menschen, mit Lizenz oder ohne, in den Radius einer Integritätsagentur fallen. Dass die Betriebsaufnahme eines Kontrollorgans längst überfällig ist, lässt sich (noch) nicht an Statistiken festmachen. Es wäre allerdings utopisch zu glauben, dass der Luxemburger Sport in Social-Media-Zeiten eine Mobbing-freie und saubere Zone sei. Erst im vergangenen Herbst kam es in Rümelingen bei einem Ehrenpromotionsspiel zu Tumulten: Damals soll ein Spieler rassistisch beleidigt worden sein, weshalb Zuschauer und Spieler aneinandergerieten. Im Mai waren wiederum Affen-Laute auf den Tribünen bei einem Fußball-Pokalspiel in Hostert zu hören. Dies sind nur zwei Beispiele, die an die Öffentlichkeit geraten sind. Doch wie sieht es hinter verschlossenen Türen aus? Wie können Kinder vor etwaigen Übergriffen geschützt werden? Wie können Schiedsrichter und Trainer vor Angriffen geschützt werden? Eine von der ALAD durchgeführte Studie soll nun etwas mehr Licht ins Dunkel bringen – und zumindest kleine Erkenntnisse über den „Gesundheitszustand“ des Luxemburger Sports liefern.
In der Schweiz wurden 2023 bei der Untersuchungsstelle beispielsweise 374-mal mögliche Ethikverstöße gemeldet. Ein Erfolg – der das Vertrauen der Sportler unterstreicht. Aber auch finanzielle Konsequenzen hat. Wie blick.ch meldete, wurde das Budget um über 360.000 Franken (etwa 380.000 Euro) überschritten.
An den Finanzen, sprich den von der ALAD geforderten personellen Ressourcen, darf dieses Projekt jetzt nicht mehr scheitern – wenn man Sport und Bewegung auf Regierungsebene (richtigerweise!) als Grundstein einer gesunden Gesellschaft vermarkten will. Die Integritätsagentur braucht es besser heute als morgen.
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