Gesellschaft / Die Investitionen des Pensionsfonds: schmutzig und gefährlich
Es ist ein Widerspruch, der nur schwer nachzuvollziehen ist. Der „Fonds de compensation“ (FDC) als Finanzinstrument für zukünftig anfallende Renten im Land betreibt Green- und Social washing. Das hat die extern in Auftrag gegebene Studie zweier NGOs in Luxemburg ergeben, die am Mittwoch in der „Chambre des salariés“ vorgestellt wurde. Sie trägt den Titel „schmutzig und gefährlich“. Dabei müsste es im ureigenen FDC-Interesse sein, dies zu ändern.
Gegen den „Fonds de compensation“ (FDC) wird schon länger gepoltert. Die Nachwehen der letzten Demonstration gegen die Investitionsentscheidungen am Sitz des FDC vom 25. März sind noch nicht verklungen. Greenpeace hatte dazu aufgerufen. Andere Umweltaktivisten der Zivilgesellschaft wie „Youth for Climate“ hat das Thema ebenfalls längst erreicht. Als sie im März 2021 den Preis für besonderes Umweltengagement entgegennahmen, entlarvten sie die Investitionen des FDC entgegen aller anderslautenden Behauptungen als nicht nachhaltig und wenig zukunftsfähig.
Gleiches wiederholt die von Greenpeace und „Action solidarité Tiers Monde“ (ASTM) Ende 2021 in Auftrag gegebene Studie der Nextra Consulting GmbH aus Hamburg (D) auf 32 Seiten. Die auf Nachhaltigkeit spezialisierte Unternehmensberatung hat die Angaben des ersten Nachhaltigkeitsberichts des FDC aus dem Jahr 2020 den Bewertungen einer der wichtigsten Nachhaltigkeits-Ratingagenturen namens ISS ESG unterworfen. Die Ergebnisse sind ernüchternd und geben den Protesten nachträglich recht.
Obwohl jedes Grad Celsius für die Bekämpfung des Klimawandels wichtig ist, investiert der FDC in Fonds, die Firmen unterstützen, die den Klimawandel weiter anheizen. Wenn diese Unternehmen so weiter wirtschaften, führt das zu einer Erwärmung des Planeten von mehr als zwei Grad. Zwei Teilfonds geben sogar Geld an Firmen, die mit ihrer Geschäftspolitik sechs Grad Erwärmung in Kauf nehmen. Die Autoren kommen zu dem nüchternen Ergebnis, dass „der FDC weit von den Zielen des Pariser Klimaabkommens entfernt ist“, wie es in der Einleitung zu der Studie heißt. Luxemburg hat das Abkommen mit unterschrieben.
Klima und Menschenrechte werden vernachlässigt
Der FDC widerspricht dem auf seiner Webseite. „Die Fondsmanager des FDC führen auf individueller Basis eine detaillierte Analyse und Bewertung der Klimarisiken durch“, heißt es da. In der Zusammenfassung der Ergebnisse seines ersten Nachhaltigkeitsberichts sichert der FDC außerdem einen „Überblick über die Klimarisiken und geeignete Mittel zu deren Überwachung und Bewertung“ durch externe Dienstleister zu. Klingt gut, ist den beiden NGOs jedoch zu lasch.
„Eigentlich können die Fondsmanager machen, was sie wollen“, sagt Martina Holbach (57). Die Chemieingenieurin arbeitet seit 1988 für Greenpeace und ist spezialisiert auf den Zusammenhang Klima, Energie und Einfluss auf den Finanzsektor. „Wir sind der Meinung, dass der Finanzsektor in Luxemburg einen größeren Einfluss auf die Entwicklung des Klimas hat als das ganze Land“, sagt Holbach. Der Pensionsfonds gehört dazu. „Dem FDC fehlen Ziele wie zum Beispiel, dass die Investitionen im Einklang mit dem 1,5-Grad-Ziel sein müssen“, sagt sie.
Das betrifft auch Luxflag-gelabelte Fonds, in die der FDC investiert, was die Frage aufwirft, was das Label wert ist. Ein anderes Thema sind die Menschenrechte, womit das „Social washing“ gemeint ist. Das zeigt der Fall BHP. Der australisch-britische Rohstoffkonzern ist an „El Cerrejón“ in Kolumbien beteiligt. In einer der weltgrößten Minen wird im Tagebau Kohle gefördert. Immer wieder stand sie in der Kritik, weil indigene Völker umgesiedelt, Luft, Wasser und Vegetation verseucht wurden und Teile der 10.000 Minenarbeiter ernsthafte gesundheitliche Probleme haben.
Zweifelhafte Investitionen
Die Arbeitsbedingungen in 12-Stunden-Schichten sind weit von westlichen Standards entfernt, was Arbeitsgesundheit und -sicherheit angeht. Gewerkschaftlich organisierte Arbeiter werden systematisch eingeschüchtert oder entlassen und durch Zeitarbeiter ersetzt. Zwar stand das Bergbauunternehmen 2018 auf der Liste der Firmen, die von Investitionen des FDC ausgeschlossen sind. 2019 taucht es aber schon nicht mehr auf der Liste auf und ist auf der 2020er Ausschlussliste sowie auf der im November 2021 aktualisierten ebenfalls nicht aufgeführt.
Mit 68 Prozent ist Europa der wichtigste Abnehmer der Kohle. Nach Angaben des Finanzportals börse.de hat BHP 2021 einen Umsatz von 60, 82 Milliarden US-Dollar erwirtschaftet. Das ist nur ein Beispiel. Umso unverständlicher ist es, dass der Pensionsfonds auf seiner Webseite versichert, dass er im Rahmen verschiedener Regelwerke „nachhaltige Aspekte und Kriterien in seiner Investitionspolitik“ berücksichtigt. Das heißt, alles gut.
Dabei ist jetzt schon klar, dass Firmen, die ihre Geschäftspolitik nicht klima- und sozialfreundlicher gestalten, langfristig an Wert verlieren werden. Die internationalen Regelwerke für nachhaltiges und menschenrechtskonformes Wirtschaften verschärfen sich ständig. „Das birgt finanzielle Risiken für die Firmen, die alles beim Alten lassen wollen, und letztendlich auch für den FDC, der in sie investiert“, sagt Holbach. Außerdem gibt es das Risiko von Klagen, wenn die Fondsangaben im Sinne der Transparenz nicht oder nur teilweise stimmen.
Bewusstsein wächst – erfolgreiche Klagen
Das zeigt der Fall von Aktionären der Commonwealth Bank of Australia (CBA), die im August 2021 die Bank auf Zugang zu internen Dokumenten verklagt hatten. Die Dokumente beziehen sich auf die Beteiligung der Bank an mehreren Projekten, darunter eine Gaspipeline in den USA, ein Gasprojekt in Queensland, ein Gasfeld und ein Ölfeld. Die Kläger hatten die Vermutung, dass das gegen die Umwelt- und Sozialpolitik der Bank verstößt. Ein Gericht gab den Klägern recht, wie aus Unterlagen des Sabin Center for Climate Change Law der Columbia University New York hervorgeht.
Die am Mittwoch präsentierte Analyse meldet 282 Fälle von 196 Unternehmen im Portfolio des luxemburgischen Pensionsfonds, die nicht mit der gebotenen Sorgfalt auf die Einhaltung der Menschenrechte geachtet haben oder dies noch tun. 30 davon sind Banken. Ein weiterer Fall ist der des mittlerweile 27 Jahre alten Australiers Mark McVeigh, der 2018 als Mitglied gegen den „Retail Employees Superannuation Trust“ (REST), einen milliardenschweren Pensionsfonds, geklagt hatte.
Als 23-jähriger Ökologiestudent warf er REST vor, bei den Investitionen nicht mit Sorgfalt, Geschick und Gewissenhaftigkeit gehandelt zu haben. Er habe die Risiken des Klimawandels für die Investitionen des Fonds nicht angemessen berücksichtigt. Der Prozess endete in einem Vergleich, in dem REST anerkennen musste, „dass der Klimawandel ein wesentliches, direktes und aktuelles finanzielles Risiko“ für den Fonds darstellt. Pensionsfonds haben treuhänderische Pflichten, weshalb REST weiterhin zusicherte, „diese Probleme aktiv zu identifizieren und zu managen“.
Das berichtet Equity Generation Lawyers, eine auf australisches Klimarecht spezialisierte Anwaltskanzlei in Melbourne. Der Kommentar des Direktors der Equity-Kanzlei lässt tief blicken. „Es ist klar, dass die Verantwortung bei den Vorstandsmitgliedern liegt und das Management des Klimarisikos nicht wegdelegiert werden kann“, sagte er nach dem Prozess. Deswegen fordern die beiden luxemburgischen NGOs nicht mehr und nicht weniger als eine Aktualisierung des Gesetzes von 2004, auf dem der FDC basiert. Dort sollen verstärkt Kriterien der Nachhaltigkeit und der Menschenrechte Einzug halten. Und sie fordern die Beteiligung der Zivilgesellschaft bei Entscheidungen betreffend die Investitionsstrategie des Fonds. Schließlich zahlen dort alle Arbeitnehmer der freien Wirtschaft in Luxemburg ein.
Der Pensionsfonds (FDC)
Jeder Arbeitnehmer der freien Wirtschaft und jeder Selbständige in Luxemburg zahlt in die staatliche Rentenversicherung („Caisse nationale d’assurance pension“, kurz CNAP) ein. Diese verteilt das Geld an die anspruchsberechtigten Rentner. Was übrig bleibt, fließt in den „Fonds de compensation“ (FDC). Laut FDC-Webseite verfügt der Fonds über Reserven in Höhe von 22,9 Milliarden Euro. Der FDC verwaltet dieses Geld, das in Zukunft für die Zahlung von Renten verwendet werden soll. Er legt es über Fonds in verschiedene Unternehmensaktien und Staatsanleihen in aller Welt an. Im Verwaltungsrat des Pensionsfonds sitzen neben Regierungs- und Arbeitgebervertretern auch Vertreter der Arbeitnehmer, sprich Gewerkschaften und „Chambre des salariés“.
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