Raumfahrt / Die junge Generation fordert eine Mond-Charta
Die junge Generation meldet sich zu Wort – mit der Forderung nach Benimmregeln für das Leben und Arbeiten auf dem Mond. Der Verein „Space Generation Advisory Council“ fordert eine Mond-Charta.
Der Mond rückt wieder in greifbare Nähe. Immer öfter nehmen Mission den Erdtrabanten ins Visier. Einige Unternehmen, wie iSpace mit Sitz in Luxemburg, verschreiben sich gänzlich den Rohstoffen, die es dort gibt. Die USA haben sich in den Kopf gesetzt, nach Jahren der Abwesenheit wieder Astronauten, und zum ersten Mal eine Astronautin, dorthin zu schicken.
Jetzt hat sich die junge Generation zu Wort gemeldet, mit der Forderung nach Benimmregeln für das Leben und Arbeiten auf dem Mond. Die Nichtregierungsorganisation „Space Generation Advisory Council“ (SGAC) fordert in einem rezenten Bericht die Schaffung einer Mond-Charta, die in Zukunft als festes Fundament für Abkommen und Gesetze dienen kann.
Bei dem Verein handelt es sich um eine internationale Organisation, die den Anspruch hat, Studierende und junge Berufstätige von 18 bis 35 Jahren mit einem Interesse am Weltall vor den Vereinten Nationen zu vertreten.
Die Idee sei im letzten Jahr entstanden, erklärt Antonino Salmeri. Der Jurist beschäftigt sich mit Weltraumrecht, am SES-Lehrstuhl der Universität und mit der Unterstützung des Luxembourg National Research Fund. Beim SGAC leitet Salmeri die Gruppe, die den Bericht verfasst hat: Das „Effective and Adaptive Governance for a Lunar Ecosystem (Eagle) Action Team“. Zu diesem Zeitpunkt wurde viel über die Regulierung im Weltall gesprochen. Unter anderem hatten im Oktober die USA, Luxemburg und sechs weitere Nationen die Artemis-Vereinbarung unterschrieben, in der sich die Länder im Hinblick auf zukünftige gemeinsame Missionen zum Mond auf grundlegende Prinzipien geeinigt hatten. „Mir ist aufgefallen, dass die Stimme der jungen Generation gefehlt hat“, so Salmeri.
Immer wieder sei die Rede von einer nachhaltigen Aktivität im Weltall. „Für mich bedeutet das, dass man an die nächste Generation denkt“, so der Jurist. Deshalb sei es für jeden Staat, jede Firma und jede Organisation, die vorhabe, eine Aktivität auf dem Mond in einer nachhaltigen Art und Weise zu entwickeln, wichtig, die junge Generation einzubeziehen, so Salmeri. Mit dem Bericht habe die Organisation das weltweit einzige Dokument geschaffen, in dem sich die junge Generation zum Thema Mond äußert.
Auf der Erde steht der Nachhaltigkeitsgedanke in enger Verbindung mit Klima- und Umweltschutz. Welche Bedeutung hat dieser Begriff auf dem Mond? „Obwohl es große Unterschiede gibt, sehen wir Parallelen zur Klimabewegung auf der Erde. Am Ende geht es darum, sich verantwortungsbewusst zu verhalten. Es geht darum, nicht nur an die eigenen Interessen zu denken, sondern auch an die Interessen von denen, die nach einem kommen.“ Deshalb wollen die Mondaktivisten sich mit Klimaaktivisten treffen, um von ihnen zu lernen. „Auf der Erde bedeutet das, die Umwelt für zukünftige Generationen zu erhalten, statt sie zu zerstören. Auf dem Mond gibt es natürlich keine Umwelt, dafür aber einen Status quo, der verändert wird, wenn dort Aktivitäten betrieben werden.“
Sorge um das Mond-Eis
Als Beispiel nennt Salmeri die Eisvorkommen auf dem Mond. Sie gelten als wichtiger Rohstoff für die Entwicklung des Mondes und die Exploration des Sonnensystems insgesamt, weil man daraus nicht nur Trinkwasser, sondern auch Treibstoff und Sauerstoff herstellen kann. „Der Mond erneuert das Eis nicht. Das vorhandene Eis ist das einzige, das wir haben“, ruft Salmeri in Erinnerung. Es könne also nicht angehen, dass jemand das gesamte Eis auf einen Schlag abbaut oder durch sein verantwortungsloses Vorgehen das Eis dort zum Beispiel verseucht.
Eine Charta ist für Salmeri von außerordentlicher Bedeutung. „Uns fehlt noch Wissen, um eine detaillierte Regulierung vorzunehmen. Wir können uns aber schon auf grundsätzliche Prinzipien einigen, die zukünftige Aktivitäten formen können.“ Darauf basierend könnte dann mit steigendem Wissen über zukünftige Mondaktivitäten ein Regelsystem geschaffen werden.
Mit seinem Bericht liefert das SGAC bereits einige Ideen, welche Punkte in einer solchen Charta stehen könnten. Viele dieser Punkte sind nicht neu. Dort geht es etwa um Hilfeleistung, wenn sich Menschen in Gefahr befinden. Oder aber um den Respekt vor der Arbeit anderer. Solche Punkte kommen u.a. auch in der Artemis-Vereinbarung vor. Das ist kein Zufall, denn das SGAC hat sich im Rahmen seines Berichtes mit 21 Experten weltweit unterhalten, um die grundlegenden regulatorischen Fragen zu diskutieren, die durch die Erforschung und Nutzung des Mondes aufgeworfen werden.
Für Salmeri ist der entscheidende Unterschied die Forderung nach einer Charta. Damit hofft das SGAC einen möglichst neutralen Begriff einzuführen, mit dem sich alle Akteure weltweit anfreunden können und der es erlaubt, eine offene Diskussion zu führen. Die junge Generation hoffe so, ein neues Narrativ zu entwickeln, dass die kommenden Jahre in der Mond-Regulierung prägen wird. Salmeri ist sich allerdings sehr wohl bewusst, dass Verhandlungen um eine Charta Jahre dauern könnten. Am Ende der Diskussionen könne man dann entscheiden, ob es sich um ein rechtlich bindendes Dokument handelt, ob es sich um ein politisch bindendes Dokument handelt, oder ob es sich um eine Reihe von Prinzipien handelt, auf die man sich geeinigt hat. „Wir müssen das nicht jetzt entscheiden. Der Begriff Charta ist neutral, weil ihm in der Weltraum-Community kein Etikett anhaftet.“ Eine Sache stellt Salmeri allerdings klar: „Eine Charta ist eine feierliche Verpflichtung. Eine Charta bedeutet etwas Wichtiges.“
Als Wirtschaftsminister Etienne Schneider 2016 die luxemburgische Space-Mining-Initiative vorgestellt hat, ging Luxemburg damit einen Weg, den außer den USA kein anderes Land bis dahin beschritten hatte. In den Überlegungen des Ministers spielten die Vereinten Nationen jedoch bereits eine entscheidende Rolle. Im Interview mit dem Tageblatt sagte Etienne Schneider, er habe sich stets dafür eingesetzt, das Weltraumabkommen von 1967 zu überarbeiten. UN-Generalsekretär António Guterres habe dies allerdings nicht als dringend empfunden.
Auch Salmeri sieht die Vereinten Nationen am Zug. Genauer gesagt den Ausschuss für die friedliche Nutzung des Weltraums der Vereinten Nationen. „Wir glauben, eine Charta sollte vom Copuos (Committee on the Peaceful Uses of Outer Space) ausgearbeitet und verabschiedet werden.“ Danach würde sie an die Generalversammlung der Vereinten Nationen weitergeleitet, um dort verabschiedet zu werden. Gleichzeitig aber dürfe die Diskussion nicht auf die UN begrenzt bleiben. „Wir wollen eine globale Diskussion“, so Salmeri. Mitdiskutieren sollen auch Akteure, die nicht im Copuos vertreten sind, wie etwa Unternehmen, Universitäten und Organisationen. „Wir wollen Copuos nicht umgehen, aber es wäre eine verpasste Chance, über ein so wichtiges Thema wie den Mond nur auf diplomatischer Ebene zu diskutieren.“
Anstatt Benimmregeln auf dem Mond zu fordern, sollte sich diese junge Generation ( die scheinbar auf dem Mond lebt ) erst einmal für Benimmregeln auf unserem Planeten einsetzen.