Europawahlen / Die kleinen Parteien beim großen Urnengang
CSV, DP, LSAP, „déi gréng“ und ADR werden sich die sechs Abgeordnetenplätze für Luxemburg im Europaparlament streitig machen. Realistische Chancen werden den anderen acht Parteien kaum zugerechnet. Doch wie haben diese den Wahlkampf bestritten – und wird die eine oder andere Partei Luxemburgs Parteienlandschaft nachhaltig bereichern?
„Déi Lénk“ gehört eigentlich zum Stamminventar der Luxemburger Parteien, ist seit 2009 ununterbrochen in der Chamber vertreten. Chancen auf einen Abgeordnetenplatz im EU-Parlament sehen aber selbst die Kandidaten nicht. Und so ergab sich das Paradoxon, dass die Idealisten vom linken Rand diesen Wahlkampf äußerst nüchtern angingen. Die Kandidaten gaben selbst öffentlich zu, dass es in diesem Wahlkampf weniger um einen Sitz, sondern vielmehr um die Sache an sich gehe. Man wolle eine Message nach Brüssel schicken, so der etwas heiser anmutende Kampfschrei aus der Linken-Parteizentrale.
Mit einem jungen Team mit auf nationaler Bühne größtenteils unerfahrenen und unbekannten Politikerinnen und Politikern scheint es auch eher, als hätten die Linken den diesjährigen Europawahlkampf genutzt, um frisches Blut an das Politikerdasein heranzuführen. Nachdem man sich bei den Chamberwahlen im Oktober in extremis noch zwei Sitze gesichert hatte, wird nun wohl ausprobiert, wer das Zeug zum nächsten Politik-Sternchen innerhalb der Linken hat. Die beiden Linken-Abgeordneten Marc Baum und David Wagener machten sich ebenso rar wie die beiden Parteisprecher Gary Diderich und Carole Thoma. Auch deswegen kam „déi Lénk“ in den Rundtischgesprächen und Wahlkampfemissionen weniger wortgewandt, gewitzt und lautstark daher, wie man es eigentlich von ihrem Stammpersonal kennt. Am Sonntag wird sich zeigen, ob der Wähler das zu honorieren weiß. Und wenn nicht? Dann haben die Linken noch immer die Ausrede des europaweiten Rechtsrucks zur Hand, sodass auch die nun antretenden Polit-Küken nicht unbedingt als als „verbraucht“ gebrandmarkte Kinder gelten.
Unverhofft kommt … gar nicht?
Die Piraten haben sich anders als „déi Lénk“ durchaus Hoffnungen auf einen Sitz im Europaparlament gemacht. Kein anderer als die Piraten könne den Vormarsch der Luxemburger ADR ins EU-Parlament stoppen, meinte Marc Goergen noch auf dem Piraten-Nationalkongress nach den Chamberwahlen. Den Grünen könne man das nicht mehr zutrauen. Beflügelt von einem dritten Chambersitz für die Piraten bei den Wahlen im Oktober, wollte man vor allem den Grünen den Sitz in Straßburg streitig machen. Was zum Ende des vergangenen Jahres noch durchaus schlüssig und realistisch erschien, ist derzeit wohl eher noch ein frommer Wunsch. Aussagen von Piraten-Kandidaten auf öffentlichen Veranstaltungen, die nachträglich in Erinnerung geblieben sind, können wohl die meisten – wenn überhaupt – an einer Hand abzählen.
Die dritte Partei, die einen medienwirksamen Beginn des Europawahlkampfs verzeichnete, war Fokus. Und zwar, weil die noch junge Partei entschieden hatte, mit der bei der DP im Zuge einiger Mobbing-Affären im Europaparlament in Ungnade gefallene Monica Semedo in den Wahlkampf zu ziehen. Man verteidigte die Abgeordnete gegen die Vorwürfe mit dem Argument, die Verfahren innerhalb der EU-Institutionen seien intransparent und ungerecht. Tatsächlich sind die Dokumente zu den Disziplinarverfahren gegen Monica Semedo nicht öffentlich – das Kalkül, dass der Wähler angesichts des EU-Bürokratie-Monstrums Mitgefühl mit Monica Semedo hat, scheint jedoch nicht aufzugehen. Politische Beobachter rechnen der scheidenden Abgeordneten wie auch ihrem Co-Spitzenkandidaten Frank Engel relativ geringe Chancen zu. Nach drei Wahlen innerhalb eines Jahres muss sich die Partei danach dann auch fragen: Quo vadis?
„Déi Konservativ“ haben im Wahlkampf einen weiteren Anlauf gestartet, um nicht in der politischen Bedeutungslosigkeit zu versumpfen. Dabei fiel vor allem Parteipräsident Joe Thein mit Gezeter in Rundtischgesprächen auf, das den Caps-Lock-grellen Wahlplakaten in nichts nachsteht. Ob die Partei damit mehr als ihre 2.168 virtuellen Facebook-Follower am Wahltag mobilisieren kann, ist fraglich.
Unter dem Motto „Nein zu dieser EU“, die vom internationalen Finanzkapital an die kurze Leine genommen worden sei, geht die „Oppositiounsbeweegung Mir d’Vollek“ ins Rennen, auf deren Liste Vertreter der Protestbewegung gegen die Corona-Maßnahmen wie der Journalist Jean-Marie Jacoby und Peter Freitag zu finden sind. Sie zeigen sich ihrem Programm zufolge als „Gegner der heutigen EU, der heutigen EU-Kommission und des heutigen EU-Parlaments“ und wollen, dass Kompetenzen wieder auf die Länder übertragen werden. Den Klimawandel halten sie für einen „Wahn“ und unwissenschaftliche Propaganda. Die Ukraine soll nicht unterstützt werden, weil sie „faschistisch“ regiert werde. Auch ist die sogenannte „Oppositiounsbeweegung“ gegen eine Militarisierung. Stattdessen vertritt sie nach eigenen Angaben eine „Völkerfreundschaft in Eurasien“. Nicht zuletzt warnt sie vor „Energiearmut in Menge und Preis, Deindustrialisierung, Massenarbeitslosigkeit, Massenarmut, Militarisierung der EU und schlimmstenfalls dem Dritten Weltkrieg“.
Einmal mehr mit von der Partie ist KPL-Urgestein Ali Ruckert mit seiner Partei, die immerhin die zweitälteste in Luxemburg ist. Der 69-Jährige, gewissermaßen ein alter Hase im politischen Geschäft, war bei der vergangenen Europawahl 2019 bereits auf der Liste der Kommunistischen Partei. Damals kam die KPL auf 1,1 Prozent der Wählerstimmen und landete auf dem vorletzten Platz, hinter Volt Lëtzebuerg.
Während die drei letztgenannten Parteien nicht gerade als EU-affin bezeichnet werden können, ist Volt Luxemburg klar pro-europäisch. Die Partei ist eine Sektion von Volt Europa, wurde 2018 gegründet und erhielt bei der letzten Europawahl 2,11 Prozent der Wählerstimmen. Volt Luxemburg um die Spitzenkandidaten Aurélie Dap und Philippe Schannes will ein stärkeres Europa und zeigt sich liberal-progressiv. Die Partei steht für mehr Investitionen etwa in zukunftsfähige Technologie, allerdings auch eine nachhaltige Wirtschaft und ein an sozialer Gerechtigkeit ausgerichtetes Europa.
Eine Brücke zwischen den verschiedenen Kulturen zu schaffen – dafür ist „Zesummen d’Bréck“ entstanden. Die Brücke ist sozusagen eine Neukonstruktion. Sie gehört zu den Neulingen bei den Europawahlen. Am bekanntesten dürfte Präsident David Foka sein, der sowohl bei der LSAP als auch bei „déi gréng“ parteipolitische Erfahrung gesammelt hat. „Zesummen d’Bréck“ steht für den Dialog zwischen den Kulturen und für einen universellen Humanismus. Ihr Ziel sind nicht zuletzt die Vereinigten Staaten von Europa.
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