Bestattung / „Die Kunst der Trauerrede besteht darin, den Tod zu verstehen“
Ob gläubig oder nicht. Bestattet werden alle, die aus dem Leben scheiden. Auch eine Rede gibt es normalerweise, um der Toten zu gedenken. Wenn bei zivilen Begräbnissen keiner bereit ist, vor der Trauergemeinschaft zu sprechen, dann kann man Marceline Goergen fragen. Seit 2005 ist sie Trauerrednerin. Ein Gespräch kurz vor Allerheiligen über eine nicht alltägliche Beschäftigung.
Irgendwo auf Kirchberg. Im Wohnzimmer nagen zwei Hunde an faustdicken Knochen. Auf dem Rasen leuchtet regennasses Laub in der Herbstsonne. So könnte eine Geschichte über Vergänglichkeit beginnen. Das Klingeln des Telefons unterbricht Gedanken und Gespräch. Der Vertreter eines Beerdigungsinstitutes ist am Apparat. Er braucht Marceline Goergen – die Trauerrednerin.
Sie übernimmt die Rede am Grab einer verstorbenen Person. Nicht bei kirchlichen, sondern ausschließlich bei zivilen Zeremonien. Immer dann, wenn Gemeindepolitiker nicht können oder wollen und Familienmitglieder oder Freunde es sich nicht zutrauen. Vielleicht überlassen sie es auch einfach lieber einem Außenstehenden, Gedanken und Gedenken in Worte zu fassen.
Seit 2005 erinnert Marceline Goergen (62) mit ihren Trauerreden an Verstorbene. Zu ihrer Arbeit damals im Krematorium in Hamm habe das dazugehört. Auch in ihrer Funktion als Mitglied des Gemeinderates der Stadt Luxemburg habe sie ab und an Trauerreden gehalten. „Da hat sich niemand drum gerissen, anders als bei Hochzeitreden.“ Sie habe sich immer mehr in diese Aufgabe hinein gekniet. „Irgendwann hat dann ein Bestatter mich gefragt, ob ich nicht Lust hätte, die Rede zu übernehmen bei einer Familie, die sonst niemanden habe, der für die Aufgabe infrage komme. Da habe ich eingewilligt, und so nahm das Ganze seinen Lauf.“
Kein Beruf, eher Berufung
Nein, es sei kein Beruf! Eher eine Berufung. „Die Auseinandersetzung mit Tod und Sterben beschäftigt, interessiert mich, seit langem. Dies ist auch die erste Voraussetzung, die man mitbringen muss, um dieser Aufgabe gewachsen zu sein.“ Andere Fähigkeiten seien Zuhören, Verstehen, was die Trauernden sagen möchten. „Man muss sich Zeit nehmen, sich auf die Menschen einlassen. In zwei Minuten ist das nicht getan. Eine gewisse Empathie ist verlangt. Es geht darum auszudrücken, was die Menschen wollen, dass ausgedrückt wird über die Person, um die getrauert wird. Und dann geht es darum, das so zu formulieren, dass sich die Menschen darin wiederfinden. Die Kunst der Trauerrede besteht darin, den Tod zu verstehen.“ Diesem Anspruch sei sie bisher stets nachgekommen, sagt Marceline Goergen. Hinter ihrem wachen Blick scheint sich kein Kind von Traurigkeit zu verbergen und ihre Aussagen klingen so, als sei ihre Beschäftigung fast das Normalste der Welt.
Nachdem sich ein Bestatter, eine Gemeinde oder auch ein Verwandter des Verstorbenen bei ihr gemeldet habe und sie zur Verfügung stehe, würde sie Kontakt zur Familie aufnehmen. „Bei den Gesprächen mit den Trauernden höre ich zu, stelle Fragen, nehme mir Notizen. Wenn etwas nicht klar ist, rufe ich wieder an. Manchmal sind das zwei oder drei Telefonate, bis ich genau weiß, was die Menschen wollen, was ich über den Verstorbenen, die Frau oder den Mann sagen soll. Einige schreiben mir E-Mails mit Stichwörtern. Und diese Wörter, die den Menschen wichtig scheinen, baue ich in meine Rede mit ein. Wichtig ist auch, zu wissen, an wen ich mich mit meiner Rede wenden soll. Zum Beispiel an den hinterbliebenen Ehepartner oder an die Kinder. Wenn es gewünscht ist, kann ich mich auch mit den Betroffenen treffen, es ist aber keine Voraussetzung. Wichtiger ist, dass die Menschen wissen, dass sie mich zu jeder Zeit erreichen können, wenn es noch etwas zu klären oder zu ändern gibt.“
Personalisierte Rede
„Manche Gespräche dauern nicht sehr lange, wenn die Menschen genau wissen, was sie gerne hätten. Andere ziehen sich über mehrere Tage, je nachdem, was geklärt werden muss, zum Beispiel auch was die Musik bei der Bestattung anbelangt. Die Musikauswahl obliegt normalerweise dem Bestatter, es ist aber wichtig, dass auch ich Bescheid weiß, um sie einbauen zu können in meine Rede. Damit ich zum Beispiel weiß, wo ich eine Pause machen soll, welchen Ton ich wann anschlagen darf. Es geht darum, dass die Familie genau das bekommt, was sie gerne möchte.“
Voraussetzung ist, den Tod zu verstehenTrauerrednerin
Ihre Trauerreden kann Marceline Goergen je nach Wunsch auf Luxemburgisch, Deutsch, Französisch und Englisch halten. Die Reden können fünf Minuten dauern oder eine halbe Stunde. „Das hängt nicht von mir ab, sondern von jenen, die die Rede bestellen. Einige sind keine Freunde vieler Worte, weil der Verstorbene das auch nicht gewesen sei, andere wollen möglichst viele Details aus seinem Leben. Wenn jemand mir sagt, wo der oder die Verstorbene gearbeitet hat, dann sagt er mir das, weil das für ihn wichtig ist und erwähnt werden soll. Es ist auch nicht an mir, zu filtern, was wichtig sein könnte. Kann ich auch nicht, ich kenne die Familien und die Verstorbenen ja nicht persönlich.“
Und wenn sie die Familie kennt, oder den Verstorbenen? „Dann ist es einerseits einfacher, eben weil wir uns kennen. Andererseits ist es aber auch schwieriger, weil die Familie vielleicht gewisse Erwartungen hat. Ich wahre aber stets meine Distanz, versuche keine Emotionen zu zeigen. Das kann aber auch mal vorkommen, vor allem wenn ich über Kinder reden soll. Klar ist aber, dass niemals ich im Mittelpunkt stehen darf, sondern ausschließlich die Familie.“
Schmunzeln erlaubt
Marceline Goergen, so kann man das irgendwie einschätzen, übernimmt eine Rolle. Dezent gekleidet, „nicht immer komplett in Schwarz“, gibt sie den Erinnerungen und Wünschen der Angehörigen eine Stimme. Immer würde- und respektvoll.
„Für mich ist es wichtig, dass die Menschen so sein können, wie sie sind, sie dürfen weinen oder lachen, sie dürfen miteinander reden. Wenn Kinder anwesend sind, müssen sie nicht stillsitzen, sie dürfen herumlaufen, Haustiere dürfen mitgebracht werden. Ich mache keine Vorschriften. Die Art und Weise meiner Rede entspricht stets dem, wie die Familie mit mir redet. Mein Ton passt sich der Gefühlslage der Familie, der Menschen an. Ich gehe auf sie ein, spüre, was und wie sie es haben wollen.“
An einen Fall erinnert sie sich besonders gerne: „Da war eine Familie, die nicht wollte, dass die Trauer zu sehr im Mittelpunkt stünde. Sie hatte auch eine ganze spezielle Musik ausgewählt und ich sollte Anekdoten über den Verstorbenen, einen recht jungen Mann, erzählen. Bei diesen Geschichtchen musste ich selbst schmunzeln. Während meiner Rede merkte ich, dass es vielen Anwesenden, darunter zahlreiche Freunde des Toten, auch so erging, auch sie schmunzelten.“ Diese Zeremonie sei etwas wirklich Spezielles gewesen, so Marceline Goergen. Ein negatives Beispiel hat sie nicht parat.
Keine Ausbildung zur Trauerrednerin
Eine spezifische Ausbildung zur Trauerrednerin gibt es nicht in Luxemburg. „Eigentlich kann jeder das machen“, sagt Goergen. Allerdings, so gibt sie zu verstehen, gehe es nicht darum, einfach vom Blatt abzulesen oder einen vorgefertigten Text vorzutragen, in dem nur Daten und Namen geändert wurden. „Das gefällt den Menschen nicht, stellt sie nicht zufrieden und ist dem Anlass auch nicht wirklich angemessen.“ Marceline Goergen geht auch nicht davon aus, dass es viele gibt, wie sie, die Trauereden halten: „Wenn ich sehe, wie oft ich angerufen, gebraucht werde.“ Zu missfallen scheint das ihr keinesfalls.
Marceline Goergen ist pensioniert. Des Geldes wegen halte sie keine Trauereden. Was sie als Bezahlung verlangt, tut hier nichts zur Sache: „Das vereinbare ich mit den Familien.“ Auf jeden Fall ist es weniger als das, was beispielsweise Redner in Deutschland für solche Zeremonien in Rechnung stellen.
Mit ihrer anderen Beschäftigung wird die dynamische Rentnerin ebenfalls nicht reich. Sie ist nämlich auch ehrenamtliche CGDIS-Mitarbeiterin, in der Gruppe für psychologische Ersthilfe. Bei Unfällen oder Todesfällen. Beide Aktivitäten würde sie sehr sorgsam voneinander trennen, betont Marceline Goergen.
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Im 21. müssten eigentlich alle den Tod verstanden haben.Aber wir wollen ihn nicht akzeptieren und trösten uns mit Märchen über das ewige Leben.Einige Mitmenschen leben ganz gut davon. Am heutigen Gedenktag an die Toten stellen wir uns hinter einen Marmorstein und frieren uns die Knie ab. Dabei findet Erinnerung im Kopf statt. Angst vor dem Tod? Nein.Wie sagte einst Mark Twain? “ Ich war eine Ewigkeit tot bevor ich geboren wurde und ich hatte keine Probleme damit. Warum sollte ich den Tod fürchten ?“ Also.
JJ, wat Bedait da fir ierch den Dout verstoen?
Guter, kluger JJ! War schon mal tot…
Was bin ich doch froh, nicht so klug zu sein, denn sonst wäre mein Leben ein trauriges hinter Gittern! Ich hätte bestimmt schon zwei, drei Leute in meinem Leben sehr, sehr weh getan, doch mein Glaube an ein Leben nach dem Tod hielt mich davon ab. Vielleicht bis später in einem anderen Leben, man wird sehen…
Marco G Ursach a Wierkung ,resp. Physik a Chemie. Wéi géif d’Natur dann ausgesinn ouni de Wiessel teschent Gebuert an Dout ? Den Darwin huet eis erklärt wéi ett funktionnéiere MUSS Eng besser Theorie ass nach nett fonnt Do kenne Reliounen näischt änneren an déi schéngen jo d’Angscht virum Dout net grad ze reduzéieren Am Géigendeel . PS an Leila . Ich wünsche ihnen viel Seelenfrieden mit ihrem Glauben. Es gibt einen klugen Spruch Wer nichts weiss muss alles glauben Ist nicht von mir!!
…und: Wer weiß, dass er nichts weiß, ist weise – ebenfalls von Ebner-Eschenbach, guter, kluger JJ!
Stimmt, ich habe meinen Seelenfrieden und Sie?
Kann oder will man den Tod verstehen?
Die meisten Gläubigen und Ungläubigen haben Angst vor dem Sterben, selten aber vor dem Tod.