Nationalmannschaft / Die längste Busfahrt der Geschichte: Tom Schnell erinnert sich an die Heimfahrt aus Vaduz
Es war wohl die längste Busfahrt der Geschichte: Nach dem 0:3 in Liechtenstein vor 18 Jahren kehrte die Luxemburger Fußballnationalmannschaft stillschweigend in die Heimat zurück. Einer, der eigentlich gar nicht für dieses schwarze Kapitel vorgesehen war, kam auf die Desillusion in Vaduz zurück: Innenverteidiger Tom Schnell wühlte in Erinnerungen.
Dass Innenverteidiger Tom Schnell heute überhaupt auf die 0:3-Auswärtsniederlage in Liechtenstein zurückblicken kann, hat mit einer kuriosen Fügung des Schicksals zu tun – und geht auf das Länderspiel in Portugal zurück (0:6), das die Elf von Nationaltrainer Guy Hellers im September 2005, also drei Tage zuvor, bestritten hatte. „Ich war gar nicht für den Kader der A-Auswahl vorgesehen, sondern mit der U21 unterwegs, die damals ebenfalls ein Auswärtsspiel in Portugal bestritten hatte“, erinnerte sich der mittlerweile 38-Jährige.
Zurück in der Bleibe der U21 wurde er nach intensiven 90 Minuten von einem Betreuer der A-Auswahl abgefangen: „Es hieß nur: ‚Pack deine Sachen, wir bringen dich in ein anderes Hotel.‘“ Eben jenes, das Hellers für den Aufenthalt ausgewählt hatte. Das Besondere an der Geschichte: Dass die Wahl auf Schnell gefallen war, beruhte zwar einerseits auf seiner soliden Defensivleistung, aber eben auch auf der Tatsache, dass Teamkollege Kim Kintziger (der eigentlich von Hellers nachnominiert worden war) seinen Pass nicht eingepackt hatte – und deswegen laut FIFA-Regularien nicht für die Nationalelf antreten durfte.
Kollektiv untergegangen
Und auch bei seinem zweiten Auswärtsspiel in Portugal – innerhalb von nur 24 Stunden – schlug das Schicksal zu: „Benoît Lang verletzte sich nach einer halben Stunde. Ich hatte mich nicht einmal richtig aufgewärmt und wurde gleich eingewechselt.“ Die Leistung entsprach den Ansprüchen des Trainers und hatte zur Folge, dass Schnell beim Termin in Liechtenstein drei Tage später erstmals in der Startelf der Nationalmannschaft stand.
Der Ausgang dieses internationalen Vergleichs ist allseits bekannt. Schon nach 38 Minuten gerieten die „Roten Löwen“ nach einem Torwartfehler in Rückstand. „Marc (Oberweis) schrie, dass wir ihm den Ball überlassen sollten, doch irgendwie landete er dann im Tor …“ Heute gibt Schnell ohne Umwege zu, dass seine Leistung an diesem Tag nicht ausreichend war. „Kollektiv sind wir an diesem Abend gemeinsam untergegangen. Die Erwartungen waren hoch, aber wir waren total verloren auf dem Platz. Es lief gar nichts, wie wir es uns vorgenommen hatten.“
Es hieß damals ganz klar, dass es wieder einmal an der Zeit sei, zu punkten
Denn besonders nach der 0:4-Pleite im Stade Josy Barthel, die Allan Simonsen ein Jahr zuvor den Job gekostet hatte, wollten die Luxemburger Fußballfans eine Leistungssteigerung – und Punkte gegen die Truppe aus dem Fürstentum. „Es hieß damals ganz klar, dass es wieder einmal an der Zeit sei, zu punkten. Bei den Liechtensteinern gab es mit Mario Frick damals nur einen Profispieler, der in Italien unter Vertrag stand. Doch im Stadion angekommen, merkte man, dass sie große Unterstützung hatten. Bei uns dagegen hatte man das Gefühl, dass wir wollten – aber nicht konnten …“
Eine andere Erwartungshaltung
Für die FLF-Nationalspieler war die Qual damit aber nicht beendet. Im Teambus ging es zurück in die Heimat. „Auf der Heimfahrt wurde überhaupt nicht geredet. Das war schon sehr hart. Niemand wollte etwas sagen und es ging stillschweigend nach Hause.“ Zurück in Luxemburg wurde in der Presse zwar noch tagelang nach Gründen für das Debakel gegen den Fußballzwerg gesucht, doch die Spieler mussten das Erlebnis auf ihre Weise abschütteln. „Unser Status war damals ein anderer. Wir waren eben nicht im Ausland, sondern standen am darauffolgenden Wochenende wieder hierzulande auf dem Platz. Diese Nähe zu den Leuten gibt es heute in diesem Maße nicht mehr. Mit uns hat man sich vielleicht noch etwas mehr identifizieren können, da man uns öfters sah.“
Inzwischen werden die Nationalspieler viel strenger bewertet, als wir damals
Doch nicht nur die Visibilität hat sich verändert – auch die Erwartungshaltung, wie Schnell meinte: „Inzwischen werden die Nationalspieler viel strenger bewertet, als wir damals. Wir hatten eben nicht die gleiche Qualität im Team. Deshalb wird auch viel mehr von der aktuellen Generation verlangt.“ Der ehemalige Innenverteidiger forderte einen Sieg in der Ferne: „Das ist ein Muss. Nach so einer Kampagne, mit diesen Leistungen, kann es keine andere Antwort geben.“
Kapitel abschließen
Für die damalige Generation waren die beiden Pleiten gegen Liechtenstein wohl die schwärzesten Stunden der Länderspielkarriere, „auch wenn es möglicherweise noch höhere Niederlagen gegeben hatte. Aber in Liechtenstein hatten wir absolut nichts vom Spiel und waren frustriert.“ Selbst das 0:2 gegen Malta 2012 hatte nicht den gleichen Geschmack, obschon die Erwartungshaltung die gleiche gewesen ist: „Ihr Rekordstürmer (Michael Mifsud) hat uns damals bei einem Testspiel im Stade Josy Barthel abgeschossen.“
Ob seine Karriere anders verlaufen wäre, wenn er der heutigen Nationalmannschaft angehören würde, wollte Schnell nicht behaupten. Stattdessen freute er sich über die Entwicklung der „Roten Löwen“: „Ich wünsche mir, dass wir am Sonntagabend eine offensive Luxemburger Elf sehen. Sie sind in der Lage, zu gewinnen. Ich hoffe, dass sie ihre offensive Attraktivität unter Beweis stellen.“ Damit wäre das schmerzhafte Liechtenstein-Kapitel dann endgültig abgeschlossen.
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