Trockenperiode / „Die Lage ist sehr ernst“: Wie das Niedrigwasser Luxemburgs Handel beeinträchtigt – und Fische in Stress versetzt
Abnehmende Wasserpegel von Flüssen und Bächen, die Einschränkung der Rückzugsgebiete von Fischen und freigelegter Abfall: All das sind Folgen der anhaltenden Trockenperiode. Die Luxport Group erklärt auf Tageblatt-Nachfrage, wie das Niedrigwasser im Rhein Luxemburgs Handel beeinträchtigt. Der Luxemburger Sportfischerverband hingegen macht auf die missliche Lage von Flora und Fauna aufmerksam.
Aus Sicherheitsgründen musste die Fahrrinnentiefe der Mosel bereits seit Ende März auf 2,80 Meter begrenzt werden, teilt der „Service de la navigation fluviale“ auf Tageblatt-Nachfrage hin mit. Das sei auf Wasserstandsschwankungen an der Obermosel zurückzuführen, wodurch das Stauziel* von 3,0 Metern in den Stauhaltungen Grevenmacher-Wellen und Stadtbredimus-Palzem unterschritten wurde. Anfang August wurden zudem aufgrund der anhaltenden Trockenheit und der geringen Wasserführung der Mosel weitere Maßnahmen ergriffen: darunter die Reduzierung von Leerschleusungen**, die Verlängerung der Schleusungsdauer und die Gruppierung von Freizeitschiffen.
Hauptsächlich die Güterschifffahrt werde durch die geringere Fahrrinnentiefe beeinträchtigt. Fahrgast- und Kabinenschiffe, Jachten, Sportboote hingegen haben einen geringeren Tiefgang und sind von daher weniger von den Einschränkungen betroffen. Im Normalfall passieren täglich zwischen 25 und 30 Schiffe die Schleuse in Grevenmacher. Sportboote seien davon ausgenommen, da diese die Bootsschleuse nutzen. Derzeit seien es lediglich fünf bis zehn Schiffe – davon „nur eine geringe Anzahl an Güterschiffen“.
Wie funktioniert die Aufrechterhaltung dieses Pegels mithilfe der Staustufen?
„Mittels der Staustufen in Grevenmacher-Wellen und Stadtbredimus-Palzem wird das Wasser bis zu einem entsprechenden Stauziel gestaut. Bei einem theoretischen Abfluss der Mosel von 0 m3/s könnte man die Wasserstraße treppenähnlich mit einer Fahrrinnentiefe von 3 m darstellen. Im Unterwasser*** der Staustufe Stadtbredimus hätte man einen Pegel von 220 cm. Bei steigendem Zufluss in eine Haltung steigt auch das Unterwasser der oberhalb liegenden Staustufe. Um das Stauziel an einer Staustufe einhalten zu können, muss der Abfluss an dieser Staustufe entsprechend dem Zufluss geregelt werden.“ Der Unterwasserpegel in Stadtbredimus variiert derzeit zwischen 215 und 220 Zentimetern.
(Quelle: Service de la navigation fluviale)
* Wasserspiegelhöhe oberhalb einer Stauanlage
** Schleusung ohne Schiffe
*** Wasserpegel unterhalb einer Stauanlage oder einer Schleuse
Der Rhein ist das Problem
Die Trockenheit hat aufgrund der Regulierung durch die Staustufen keine größeren negativen Einflüsse auf den Wasserstand der Mosel, sagt ein Sprecher der Luxport Group auf Nachfrage des Tageblatt. Das stehende und relativ warme Wasser begünstige allerdings die Bildung von grünen Algen im Hafen.
Einschränkungen der Schifffahrt
Unter anderem Hoch- oder Niedrigwasser, Eisgang (sehr selten) und Betriebsstörungen der Schleusen sowie Vorfälle, bzw. Veranstaltungen auf der Wasserstraße können zu Einschränkungen in der Schifffahrt auf der Mosel führen. Wenn das Stauziel einer Stauhaltung nicht gewährleistet werden kann – wie zurzeit aufgrund des Niedrigwassers – werde die Fahrrinnentiefe aus Sicherheitsgründen entsprechend um 10 bis 20 Zentimeter verringert.
(Quelle: Service de la navigation fluviale)
„Am Rhein ist das Problem, dass er nicht gestaut ist. Da fließt das Wasser einfach weg“, sagt der Luxport-Group-Sprecher. „Da es am Rhein momentan sehr wenig Wasser gibt – historisch wenig Wasser – heißt das, dass die Schiffe zurzeit nur ein Drittel oder ein Viertel ihrer sonst üblichen Lademenge transportieren können“, erklärt der Luxport-Sprecher.
Aufgrund des Niedrigwassers im Rhein müssten die Schiffsführer ihre Ladung an die derzeit dort herrschenden Begebenheiten anpassen. Die Abladetiefe der Schiffe wird durch deren Eigengewicht sowie die jeweilige Ladung bestimmt. Die Schiffsführer würden die Abladetiefe ihrer Wasserfahrzeuge selbst festlegen. „Sofern ein Schiff nur Güter auf der Mosel transportiert, kann der Schiffsführer eine größere Abladetiefe wählen“, stellt der „Service de la navigation fluviale“ klar. Die Anzahl dieser Transporte sei jedoch gering.
Luxemburgs Industrie sei zumindest teilweise von der Schifffahrt abhängig. Demnach werden verschiedene Waren gar nicht erst auf Schiffe verladen, sondern zum Teil mit anderen Verkehrsträgern transportiert, sagt der Luxport-Sprecher gegenüber dem Tageblatt. Düngemittel, Sand, Kies und diverse Stahlprodukte würden derzeit nicht verschifft. Auch wenn in den Ferienmonaten erfahrungsgemäß weniger los ist, erfolgen darauf große finanzielle Einbußen für das Unternehmen: Rund 30 Prozent des Jahresumsatzes gingen dadurch verloren.
Ob es die kommenden Wochen so weitergeht, lasse sich nicht mit absoluter Sicherheit sagen. Abfluss-Prognosen seien schwierig. Ausschlaggebend dafür sei der Niederschlag – sollte der Regen weiterhin ausbleiben, werde sich der Abfluss noch weiter verringern, sagt der „Service de la navigation fluviale“. Nur langanhaltende Niederschläge könnten laut der Wasserverwaltung der Trockenheit Einhalt gebieten. Kurze, intensive Regenfälle hingegen würden die Pegel nur kurzfristig ansteigen lassen, ohne aber eine langfristige Besserung zu bewirken. Kurzer Starkregen würde im Extremfall eher zu Überschwemmungen und Sturzbächen führen.
Fische unter Dauerstress
Die Dürreperiode beeinträchtigt allerdings nicht nur der Handel, sondern auch die Tier- und Pflanzenwelt. „Die derzeitige Trockenzeit versetzt unsere heimischen Fische, besonders Salmoniden, die sogenannten ‚Edelfische‘, in eine dauerhafte Stresssituation“, teilt der Luxemburger Sportfischerverband (FLPS) auf Tageblatt-Nachfrage hin mit. Die Trockenheit führe zu erhöhten Wassertemperaturen, wodurch wiederum der Sauerstoffgehalt sinkt – Sauerstoff, der für im Wasser lebende Organismen überlebenswichtig ist. Zudem gingen mit der Absenkung von Tümpeln Rückzugsgebiete verloren. Viele kleinere Bäche sind bereits ausgetrocknet.
Durch den Rückzug der Flussfische haben Fischreiher und Kormorane einen gedeckten Tisch
„Die Lage ist sehr ernst und weiter anhaltende Trockenheit wird die Lage nicht verbessern“, betont die FLPS. Derartige Umweltbelastungen, wie sie sich in den letzten Jahren immer häufiger ereignen, hätten katastrophale Folgen für unsere Gewässer. Eine derart lange Trockenperiode hätten die Fischer bisher noch nie beobachtet.
Ein großes Fischsterben schließt die FLPS bei der derzeitigen Lage jedoch noch aus, da sich die Flussfische in verbleibende Tümpel zurückgezogen hätten. „Durch den Rückzug der Flussfische haben allerdings Fischreiher und Kormorane einen gedeckten Tisch“, meint der Sportfischerverband.
Hilfe nur sehr bedingt möglich
„Es ist technisch sehr schwierig, auf breiter Front Fische aus problematischen Gewässern ‚zu retten‘“, sagt die FLPS. Zudem seien Rettungsaktionen – etwa mit Netzen oder durch elektrisches Abfischen – eine zusätzliche Belastung für die ohnehin unter Stress stehenden Fische. Sollten dem Verband jedoch in austrocknenden Tümpeln eingesperrte Fische gemeldet werden, könne man diese mittels feinmaschiger Kescher einsammeln und in einem angemesseneren Lebensraum wieder aussetzen.
Geschlossene Systeme wie Weiher und Teiche bräuchten periodisch Frischwasserzufuhr und gegebenenfalls auch „Belüftung“ durch eine Sauerstoffzufuhr von außen. Die Möglichkeiten der FLPS seien diesbezüglich jedoch begrenzt. Der Verband verfüge nicht über das nötige Budget, um bei Schäden an Flora und Wasserfauna einzugreifen. Die FLPS habe den staatlichen Instanzen in der Vergangenheit jedoch ihre Hilfe angeboten.
LINK Umweltschützer fordern Politik, die den Wassermangel ernst nimmt – und eine Absage an Google
Durch das Niedrigwasser in den Bächen und Flüssen träten auch viele Verschmutzungen zutage – ein großer Teil davon gehe noch auf das Hochwasser von 2021 zurück. Das Spektrum an angestautem Müll sei sehr vielseitig: So bringe der Rückgang des Wasserpegels beispielsweise Autoreifen und Teile von Wohnwagen und Zelten zum Vorschein. „Auf Inseln in der Sauer liegen massenweise leere Getränkedosen und Flaschen“, klagt der Sportfischerverband. Viele ihrer Angler würden nach dem Fischen herrenlosen Abfall einsammeln – gelöst werde das Müllproblem dadurch jedoch nicht.
Weitere Problemfaktoren
Die Trockenheit zieht die Menschen ins kühle Nass, so etwa an der Sauer. Dort boomt im Sommer der Kanubetrieb, der allerdings „bei Niedrigwasser großen Schaden an Fauna und Flora anrichtet“, sagt die FLPS. Mit Kanus und Kajaks dürfe an der Grenzsauer bis zu einem minimalen Pegelstand von 56 Zentimetern gefahren werden – was laut dem Sportfischerverband jedoch zu niedrig angesetzt ist. Er plädiert für eine Erhöhung des Mindestwasserstands für Freizeitboote auf 60 Zentimeter.
Auch die im Sommer überfüllten Campingplätze bergen Gefahren für die Gesundheit der Flüsse. Die Campingplätze bräuchten eine „perfekte Abwasserentsorgung“, ansonsten hätten Pannen „schlimme Auswirkungen auf die Flüsse“. Zudem werden laut FLPS die Badeverbote nicht konsequent eingehalten. Kontrollen, sogar wenn explizit auf konkrete Verstöße hingewiesen werde, blieben aus.
Der Staudamm in Esch/Sauer ist laut der FLPS Fluch und Segen zugleich. Das Stauwerk ermögliche die Regulierung des Wasserstands der Sauer, indem dem Fluss eine konstante Menge an Wasser zugeführt wird. Allerdings „darf nicht vergessen werden, dass eine große Menge an kostbarem Nass dem Fluss verloren geht – dies sowohl für die Trinkwasserversorgung als auch durch die Verdunstung im gestauten Bereich“, sagt die FLPS. Hinzu komme der schwankende Wasserstand bei der Stromproduktion.
„Luxemburg braucht eine wirksame, nachhaltige Wasserstrategie“
„Die Wasserwirtschaft muss endlich zu einem politischen Thema werden“, fordert das Mouvement écologique in einer Pressemitteilung am Montag. Über 90 Prozent der Luxemburger Gewässer befänden sich laut einer Analyse des Umweltministeriums in schlechtem Zustand und zahlreiche Trinkwasserquellen könnten aufgrund mangelnder Qualität nicht genutzt werden. Sowohl der erste als auch der zweite Bewirtschaftungsplan hätten „nicht einmal ansatzweise“ Wirkung gezeigt. Und auch der Erfolg des dritten Bewirtschaftungsplans sei äußerst begrenzt.
Die Kommunikation der Regierung sei diesbezüglich weder kohärent noch transparent. Demnach solle man eine Überarbeitung der Kriterien des Wasserwirtschaftsamtes zur Auslösung und Aufhebung der roten Alarmstufe in Betracht ziehen. „So verliert die Politik dringend benötigtes Vertrauen, dass sie in der Lage und bereit ist, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen“, schreibt das „Méco“.
Angesichts der Klimakatastrophe sei nicht nur das Umweltministerium gefordert, sondern auch das Innenministerium bzw. die Landesplanung, was die Siedlungsentwicklung anbelange, sowie die Landwirtschaftspolitik und das Wirtschaftsministerium, was den ökonomischen Sektor betreffe.
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„„Luxemburg braucht eine wirksame, nachhaltige Wasserstrategie“ Aber das ist doch nichts Neues! Seit Äonen wird diskutiert und nichts passiert.Dagegen ist beim Bau-Wahn im gleichen Zeitraum sehr viel passiert. Und „upps“ auf einmal fragen wir uns wo wir das Wasser her- und das Abwasser hinlaufen lassen sollen. Aber für Kläranlagen und Trinkwasserquellen gibt’s nachher kein Denkmal.Für Sporthallen oder Kulturparks schon. Oder wer verbietet denn den Paddeltouristen das Paddeln auf der Sauer? Niemand.