Immobilienmarkt / Die Makler von Jones Lang Lasalle reden im Interview über Fluch und Segen des „Rekordjahrs 2019“
2019 war ein Rekordjahr für den Büromarkt in Luxemburg. Die Belegungsrate für Büroflächen war so hoch wie nie zuvor. Gleichzeitig war die Leerstandsrate trotz der Erschließung neuer Viertel so niedrig wie seit zehn Jahren nicht mehr. Immer mehr ausländische Investoren drängen auf den lukrativen Luxemburger Markt. Im Interview reden Angélique Sabron, Lotfi Behlouli und Vincent Van Brée* von Jones Lang Lasalle Luxemburg** (JLL) über die Gründe und die Folgen dieser Entwicklung.
Ihre Analyse des Luxemburger Immobilienmarkts hat ergeben, dass 2019 das Rekordjahr für den Büromarkt war. 265.000 Quadratmeter wurden innerhalb eines Jahres besetzt, die Belegungsrate ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen und war 2019 so hoch wie nie zuvor. Wie ist diese Entwicklung zu erklären?
Angélique Sabron: Mehrere Faktoren haben den Ausschlag für diesen Rekord gegeben. Der Immobilienmarkt entwickelt sich überdurchschnittlich gut, das Wirtschaftswachstum ist hoch. Parallel dazu haben große Unternehmensgruppen ihren eigenen Sitz eröffnet und ihre Mitarbeiterteams nach Luxemburg geholt. Nicht zuletzt hat der europäische Gerichtshof seinen dritten Turm in Betrieb genommen. Ein weiterer Grund ist die Erschließung neuer Viertel wie das in Belval, wo sich neue Firmen niederlassen.
Lotfi Behlouli: Der Erfolg auf dem Büromarkt spiegelt die globale Wirtschaftsleistung des Landes wider. Die Belegungsrate steigt seit fünf Jahren kontinuierlich, doch jedes Jahr ist der Anstieg noch ein bisschen größer als im Vorjahr.
Freie Büroflächen sind kaum noch zu finden, die Preise sind – trotz überdurchschnittlichem Investitionsvolumen – so hoch wie nie. Kann man vor diesem Hintergrund wirklich von guten Nachrichten reden?
A.S.: Es hängt von der Perspektive ab. Für den Immobilienentwickler ist es sicherlich ein Erfolg. Für Unternehmen, die Bürofläche anmieten wollen, wahrscheinlich weniger. Firmen, die sich auf einem AAA-Standort niederlassen wollen, müssen gewisse Kosten in Kauf nehmen. Andererseits trägt ein schönes Gebäude in sehr guter Lage, das zudem an den öffentlichen Verkehr angebunden ist, sicherlich mit dazu bei, neue Talente anzuziehen.
Wie groß ist das Risiko, dass das Angebot der Nachfrage künftig nicht mehr gerecht werden kann?
A.S.: In manchen Vierteln ist das sicherlich heute schon der Fall.
L.B.: Im Zentrum der Stadt Luxemburg liegt die Leerstandsrate unter einem Prozent, auf Kirchberg ist sie bei unter zwei Prozent. Deshalb muss heute darüber nachgedacht werden, wie bereits bestehende Gebäude anders genutzt werden können.
Die Baukapazität stößt an ihre Grenzen. Welche Alternativen gibt es?
A.S.: Mit einer effizienteren Aufteilung der Arbeitsräume und einer besseren Organisation der Telearbeit könnte Platz gespart werden. Es müsste auch mehr in die Höhe gebaut werden, das ist man in Luxemburg bislang noch nicht gewohnt.
Wenn ein Unternehmen im Jahr 2010 rund 500 Quadratmeter Bürofläche gebraucht hat, benötigt es heute vielleicht nur noch 350 Quadratmeter. Es kann bestimmte Dienste auslagern und Versammlungsräume an anderen Orten anmieten.Commercial Real Estate Broker
Das Baulandpotenzial in Luxemburg ist begrenzt. Könnte der Büromarkt auf die Großregion ausgedehnt werden?
L.B.: Das könnte eine Möglichkeit sein. Allerdings sind die gesetzlichen Rahmenbedingungen in den Nachbarländern sehr unterschiedlich. Dadurch entsteht das Risiko, dass Luxemburg weniger reaktiv wird. Das Zentrum der Stadt Luxemburg kann zwar nicht mehr ausgebaut werden, aber es gibt dort viele ältere Gebäude, die anders genutzt werden können, wenn die Firmen ihre Arbeitsweise überdenken. Wenn ein Unternehmen im Jahr 2010 rund 500 Quadratmeter Bürofläche gebraucht hat, benötigt es heute vielleicht nur noch 350 Quadratmeter. Es kann bestimmte Dienste auslagern und Versammlungsräume an anderen Orten anmieten. Internationale Studien von JLL haben gezeigt, dass Versammlungsräume nur sehr selten genutzt werden und vergleichsweise viel Platz einnehmen.
2019 haben vier neue Shoppingmalls eröffnet. Damit verfügt Luxemburg nun insgesamt über rund 20 Einkaufszentren. Ist diese Anhäufung, gemessen an der Größe des Landes, noch verhältnismäßig?
L.B.: Luxemburg zählt heute etwa 600.000 Einwohner, doch tagsüber sind doppelt so viele Menschen im Land unterwegs. Neben den rund 200.000 Grenzpendlern darf man die regelmäßigen Flüge nach London und den freien Waren- und Personenverkehr innerhalb der EU nicht vergessen. Es gilt also, der Nachfrage gerecht zu werden. Ein weiteres Argument ist, dass mit jedem neuen Wohnviertel auch ein Angebot an kleinen Geschäften in der Nachbarschaft geschaffen werden muss. Von jemandem, der in Bettemburg wohnt, kann man nicht erwarten, dass er seine Einkäufe auf Kirchberg erledigt. Die wahre Frage stellt sich meiner Meinung nach bei der Größe der Einkaufszentren.
Auf Kirchberg und Cloche d’Or wohnen kaum Menschen, trotzdem wurden dort große Einkaufszentren errichtet. Ist dieser Ansatz sinnvoll?
A.S.: Viele Menschen wohnen oder arbeiten auf Kirchberg und Cloche d’Or. Zahlreiche Grenzpendler erledigen während der Mittagspause oder nach Feierabend ihre Einkäufe in den Einkaufszentren, damit sie am Wochenende zu Hause bleiben können. Ich glaube, das Angebot in Luxemburg ist gut, sowohl was die räumliche Verteilung als auch was die Marken anbelangt. Nach den vier Neueröffnungen müssen sich nun die Gewohnheiten wieder einstellen. Man muss auch die längerfristige Entwicklung sehen. Laut Statec könnte Luxemburg bis 2060 rund eine Million Einwohner zählen. Der Staat wird die Zahl der Genehmigungen für Einkaufszentren wohl im Auge behalten.
Die Stadtzentren sind am Aussterben, immer mehr kleinere Läden müssen schließen und werden durch große Handelsketten ersetzt …
A.S.: Ja, das ist die normale Entwicklung in den Stadtzentren. Im internationalen Vergleich verfügt Luxemburg aber über renommierte Handelsmarken, die man sonst nur in Städten wie Paris, Mailand oder Dubai findet. Daneben gibt es aber auch noch kleine Familienbetriebe, die seit Jahrzehnten bestehen.
Die Konsumgewohnheiten sind nicht mehr rein luxemburgisch, sie sind kosmopolitischer geworden. Ein Geschäft, das seit 40 Jahren dieselben Waren anbietet, hat heute vielleicht nicht mehr so viele Kunden als Marken, die von allen Nationalitäten anerkannt werden.Managing Director von JLL Luxemburg
Die Familienbetriebe sind inzwischen fast vollständig verschwunden.
A.S.: Der Handel, die urbane Landschaft, die Gewohnheiten und die Bevölkerung verändern sich. In Luxemburg wohnen Angehörige sehr unterschiedlicher Nationalitäten. Die Konsumgewohnheiten sind nicht mehr rein luxemburgisch, sie sind kosmopolitischer geworden. Ein Geschäft, das seit 40 Jahren dieselben Waren anbietet, hat heute vielleicht nicht mehr so viele Kunden als Marken, die von allen Nationalitäten anerkannt werden. Luxemburg ist zwar eine kleine Hauptstadt, doch ihre Bewohner wollen das gleiche Angebot, das sie in London oder Paris finden. Wenn Luxemburg bei den Großen mitspielen will, muss die Stadt sich dementsprechend aufstellen.
Im Gegensatz zu Luxemburg findet man in Paris oder London aber noch Viertel, in denen vorwiegend kleine Geschäfte sich niederlassen.
A.S.: Das hängt mit der geringen Größe Luxemburgs zusammen. Ich kaufe gerne in kleinen Läden ein. Es stört mich aber nicht, gleich nebenan zu einer großen Handelskette zu gehen. Wir leben heute in einer sehr vielfältigen Welt, in der wir nicht darüber nachdenken, wem welcher Laden oder welche Marke gehört. Wir sind sehr opportunistisch bei unseren Einkäufen.
In welche Richtung werden sich die Stadtzentren künftig entwickeln?
A.S.: Während die Zahl der Kleidergeschäfte zurückgeht, nimmt die der Bars und Restaurants zu. Diese Tendenz ist in vielen Ländern zu beobachten. Am Ende sind es die Bedürfnisse der Konsumenten, die entscheidend sind.
Seit zwei Jahren beschäftigen sich immer mehr institutionelle Anleger mit dem Wohnungsmarkt. Ihr Interesse beschränkt sich zurzeit aber noch auf Wohnobjekte in ausgezeichneter Lage im Zentrum der Stadt Luxemburg.Managing Director von JLL Luxemburg
Das Investitionsvolumen auf dem Luxemburger Immobilienmarkt lag 2019 mit 1,6 Milliarden Euro auf hohem Niveau. Laut Ihrer Analyse flossen quasi alle Investitionen in den Büromarkt. Wie hoch sind die Investitionen in den Wohnungsmarkt?
A.S.: Die Investitionen in den Wohnungsmarkt sind bedeutend niedriger. Bei den Verkäufen fließt der größte Teil in den Büromarkt. Die Tendenz scheint sich aber zu ändern. Seit zwei Jahren beschäftigen sich immer mehr institutionelle Anleger mit dem Wohnungsmarkt. Ihr Interesse beschränkt sich zurzeit aber noch auf Wohnobjekte in ausgezeichneter Lage im Zentrum der Stadt Luxemburg. Für Wohnimmobilien in der Peripherie ist das Interesse bislang noch eher gering.
Ist der Büromarkt noch lukrativer als der Wohnungsmarkt?
A.S.: Ich weiß nicht, ob es nur um die Rendite geht. Der Büromarkt ist der klassische Investitionsmarkt. In diesem Bereich ist das Angebot zudem höher als in den anderen Segmenten, wo ein Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage besteht.
Der Anteil an Investoren aus Luxemburg und Belgien ist 2019 zurückgegangen, während die Zahl der Anleger aus Großbritannien und Südkorea zugenommen hat. Wie erklären Sie sich diese Entwicklung?
Vincent Van Brée: Der Druck auf die Renditen in Luxemburgs Nachbarländern und anderen europäischen Hauptstädten hat 2019 seinen Höhepunkt erreicht. Die Renditen lagen nur noch bei maximal zwei Prozent. Vor diesem Hintergrund waren internationale Investoren in Luxemburg präsenter, weil sie hier einen vergleichsweise performanten Markt mit interessanten Renditen sahen. Das will aber nicht heißen, dass Belgier und Luxemburger 2019 nicht auch auf der Suche nach guten Opportunitäten waren.
Wieso gerade Südkoreaner und Briten?
V.v.B.: Die Briten waren schon immer im grenzübergreifenden Investment tätig. Die Mehrheit ihrer Fonds sind bereits im Großherzogtum etabliert und sie wissen, dass Luxemburg mit am meisten vom Brexit profitieren wird. So haben zum Beispiel viele Versicherungsgesellschaften ihre Präsenz in Luxemburg verstärkt. Die Südkoreaner waren in den vergangenen Jahren in Frankfurt, Brüssel und Paris sehr aktiv. Demnach war es nicht überraschend, dass sie 2019 erstmals in Luxemburg investierten. Luxemburg bietet mit seinem AAA-Rating und einem Wirtschaftswachstum von um die drei Prozent ein ausgezeichnetes makroökonomisches Umfeld und einen Büromarkt mit exzellenten Grundlagen.
Um welche Art von Investoren handelt es sich dabei?
V.v.B.: Es sind hauptsächlich institutionelle Investoren, Rentenfonds und Versicherer.
Welche Investoren sind auf dem Wohnungsmarkt in Luxemburg aktiv?
V.v.B.: Der Wohnungsmarkt wird seit jeher von Käufern dominiert, die zugleich in der Immobilie wohnen. Der Kauf stellt für sie eine Sparanlage dar. Doch immer mehr institutionelle Anleger drängen auf den Wohnungsmarkt, so wie es auch in den Niederlanden und in Deutschland der Fall ist.
Wer investiert in Luxemburg in Bauland?
V.v.B.: Diese Art von Investitionen wird nur sehr wenig erfasst.
Sie schlussfolgern in Ihrer Analyse, Luxemburg habe alle Karten in der Hand, um sich den Herausforderungen des neuen Jahrzehnts zu stellen. Können Sie erklären, welche Herausforderungen das sind und welche Karten Luxemburg hat, um sie zu meistern?
A.S.: Ein Trumpf ist sicherlich die Größe des Landes, die es erlaubt, sehr reaktiv zu sein. Das hat sich zuletzt während der Finanzkrise von 2008 gezeigt, die Luxemburg im Vergleich zu anderen europäischen Ländern gut überstanden hat.
L.B.: Aus makroökonomischer Sicht ist die geografische Lage Luxemburgs in der Mitte Europas eine Trumpfkarte. Das Land stellt eine Verbindung zwischen West- und Osteuropa her, was für Unternehmen interessant ist, die beispielsweise gleichzeitig in Rumänien und Portugal aktiv sind. Ein weiterer Vorteil ist die politische und wirtschaftliche Stabilität. Selbst wenn die politische Mehrheit wechselt, bleibt die wirtschaftliche Ausrichtung die Gleiche. Daher sehen Investoren Luxemburg als langfristige Anlage.
Und die Herausforderungen?
A.S.: Das Verkehrsproblem ist eine große Herausforderung. Davon betroffen sind nicht nur die Grenzpendler, die jeden Tag lange Wege in Kauf nehmen müssen. Auch innerhalb des Landes muss man viel Zeit einplanen, wenn man zu einem Termin will. Von Bartringen nach Capellen brauche ich je nach Tageszeit bis zu einer Stunde. Eine weitere Herausforderung stellen die Genehmigungen dar. Die Fristen sind häufig sehr lang. Nicht zuletzt braucht Luxemburg dringend zusätzlichen Wohnraum.
L.B.: Wenn keine Lösungen für diese Probleme gefunden werden, könnte die Attraktivität des Landes darunter leiden.
A.S.: Wir hatten kürzlich einen solchen Fall. Eine Kollegin aus Frankreich, die in Luxemburg arbeiten wollte, hat wegen der Verkehrsprobleme schon nach drei Tagen gekündigt. Dabei war sie eine junge, dynamische Kollegin, die noch nicht einmal Kinder hatte, um die sie sich kümmern musste. Sie wollte ihr Leben nicht im Auto verbringen. Es ist großartig, in Luxemburg zu arbeiten, aber vor allem für Pendler ist es mit großen Einschränkungen des persönlichen Lebens verbunden. Luxemburg muss weiter an diesen Problemen arbeiten, wenn es ein attraktives und kompetitives Land bleiben möchte.
Wo wohnen Sie?
A.S.: In Metz.
L.B.: Im Umland von Metz.
NB
* Die Fragen zu den Investoren hat Vincent Van Brée, Head of Capital Markets Luxembourg und Head of Office Capital Markets Belux bei JLL, schriftlich beantwortet. Er war zum Zeitpunkt des Interviews wegen eines Meetings nicht verfügbar.
** Jones Lang Lasalle (JLL) ist einer der weltweit größten Serviceanbieter für die Konzeption, Beratung und Vermarktung von Bauvorhaben in den Bereichen Büro, Einzelhandel und Wohnimmobilien. Jedes Jahr veröffentlicht das Unternehmen eine globale Marktanalyse über den Immobiliensektor in Luxemburg. Diese Analyse umfasst laut JLL die Daten sämtlicher wichtiger Unternehmen, die im Bereich der Geschäftsimmobilien tätig sind (Inowai, Realcorp, BNP Paribas Real Estate, CBRE).
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Bezahlbarer Wohnraum ist Menschenrecht und gehört in der Verfassung verankert oder staatlicherseits das Problem „ Wohnraum“ der Zukunftsgeneration durch Verstaatlichung der Wohnungen lösen. Diskussionen , mit Aussicht auf den Millionen-Einwohner-Staat , die wohl von jeder verantwortlichen Politik geführt werden müssen.Wer Wachstum will , muss an erster Stelle für bezahlbaren Wohnraum sorgen, auch wenn vielleicht nicht jedem Bürger es einleuchtet .“ Äer Kanner , Kandskanner kennen net ennert der Bréck schlofen. „