Anouk Boever-Thill / „Die Menschen im Süden sind offen und direkt“: Die neue Pro-Sud-Präsidentin will die Region stärken
Sie ist ganz neu in ihrer Funktion als Präsidentin des Gemeindesyndikats Pro Sud. Elf Gemeinden des dicht besiedelten Südens sind darin organisiert. Anouk Boever-Thill (42) will mit allen sprechen und eine gemeinsame Strategie entwickeln. Die Antrittstour ist in Planung.
Tageblatt: Ihr Vorgänger hat große Fußstapfen hinterlassen und viel bewegt. Er war Bürgermeister. Sie sind einfaches Gemeinderatsmitglied. Nicht gerade die „Poleposition“, oder?
Anouk Boever-Thill: Viele Leute meinen, dass es das nicht ist. Ich finde schon. Unter Roberto Traversini („déi greng“) hat Pro-Sud richtig Auftrieb bekommen. Die Kandidatur für das Unesco-Label ist ihm zu verdanken und ich will in die Richtung weiterarbeiten.
Sie sind die einzige Frau unter zehn Männern. Sind Sie eine „Quotenentscheidung“?
Definitiv nicht.
Könnte man ja so sehen …
Könnte man, ja. Es ist aber nicht so. Ich habe mich nach der Wahl in den Gemeinderat 2017 um die Vertretung von Monnerich bei Pro-Sud beworben. Und bin gleich ins Büro des Syndikats gekommen, obwohl ich nicht im Schöffenrat der Gemeinde bin. Das ist nicht bei allen gut aufgenommen worden. Aber ich bin definitiv keine Quotenfrau und will das auch nicht sein.
Ist man als Präsidentin eher Frühstücksdirektorin oder Koordinatorin von elf unterschiedlichen Interessenslagen?
Die Koordinationsarbeit ist die große Herausforderung und mein Hauptziel. Verschiedene Gemeinden wollten das Syndikat ja schon verlassen, weil sie keinen Sinn mehr darin gesehen haben. Mein Ziel ist es, mit allen Beteiligten zusammen eine Strategie zu erarbeiten, wo die Reise hingehen soll.
Sie wollen also die Grundsatzfrage stellen?
Ja. Und ich denke, ich habe den „Monnerich-Bonus“. Ich komme nicht aus einer der großen Südgemeinden wie Esch, Differdingen oder Düdelingen. Zwischen ihnen gibt es ab und an Interessenkonflikte. Das Problem hat Monnerich so nicht, weil es eine kleinere Gemeinde ist und nicht diese Rolle spielt.
Sie sind die erste CSV-Präsidentin und seit den letzten Gemeindewahlen herrscht ein „Patt“ zwischen LSAP und CSV im Vorstand von Pro-Sud. Erleichtert das Entscheidungen?
Ja. Das macht es leichter, Dinge durchzusetzen, die heikel sind. Aber seitdem ich dabei bin, erlebe ich, dass die Vorstellungen gar nicht so weit auseinandergehen – unabhängig von der Parteizugehörigkeit.
Was ist die Hauptaufgabe von Pro-Sud?
Das Syndikat wurde 2003 gegründet, um die Südregion voranzubringen. Jeder Präsident hat dann während seiner Zeit eigene Projekte verfolgt, die sich von Präsident zu Präsident verändert haben. Das war ein Problem. Ich möchte ein Konzept entwickeln, dass nach meiner Amtszeit 2023, wenn jemand Neues kommt, als „roter Faden“ für den Süden vorliegt.
Merken die Bewohner der Gemeinden – Pro-Sud betrifft immerhin mehr als 170.000 Menschen im Süden – etwas von der Arbeit des Syndikats im Alltag?
Nein, eben nicht. Wenn sich nicht mehr alles so auf die Hauptstadt konzentriert und die Regionen gestärkt werden, wofür ich mich einsetze, dann fällt Pro-Sud eine entscheidende Rolle zu.
Haben die Bewerbung um das Unesco-Label und Esch als Kulturhautstadt frischen Wind in die Syndikatsarbeit gebracht?
Ich meine schon. Das ist eine einmalige Gelegenheit, zu zeigen, dass wir eine Region und nicht nur elf Gemeinden sind, die zusammenarbeiten. Ich hatte ein Gespräch mit der Koordinatorin der Kulturhauptstadt Nancy Braun und wir denken sehr ähnlich. Es geht um ein neues Image für den Süden.
Was ist denn das Image des Südens?
Wenn man sich im Norden oder in der Hauptstadt umhört, heißt es immer, der „dreckige“ Süden. Das ist ein Vorurteil.
Nicht lebenswert …
So ungefähr. Dabei gibt es hier so viel. Viele Kulturen, die Spuren hinterlassen, ein reiches „patrimoine“, Kultur und Natur. Das Imageproblem dürften wir hier eigentlich gar nicht haben.
Wie soll denn das neue Image aussehen?
Der Süden wird immer zuerst mit der Stahlindustrie in Zusammenhang gebracht. Dabei wird gerne vergessen, dass gerade sie es war, die zuerst zum Reichtum des Landes beigetragen hat. Diese Vergangenheit muss man zeigen, der Süden ist ja auch stolz darauf. Was ebenfalls dazu gehört, ist, dass die Natur sich langsam, aber sicher viel zurückerobert und sich neue Dinge entwickeln.
„Man and the Biosphere“: Die Kandidatur ist eingereicht, im Juni 2020 wird entschieden. Was ist, wenn sie abgelehnt wird?
Daran will ich gar nicht denken. Das ändert aber nichts daran, dass es dann eine Richtung gibt, in die wir weitergehen können.
Weil der Süden sich Gedanken über sich selbst gemacht hat?
Genau.
Mit dem „Minett-Trail“ entsteht ein mehr als 70 Kilometer langer „Fernwanderweg“ mit Übernachtungsmöglichkeiten. Wie ist der Stand?
Da haben alle Gemeinden ihre Pläne eingereicht. Teilweise werden bestehende Gebäude genutzt, woanders wird neu gebaut.
Kayl war die widerspenstigste Gemeinde bei Pro-Sud und wollte austreten. Ist sie nun Feuer und Flamme für das Syndikat?
Feuer und Flamme weiß ich nicht, aber Kayl trägt die beiden großen Projekte Unesco und Kulturhauptstadt 2022 mit. Mehr werde ich bei einem persönlichen Besuch erfahren.
Pro-Sud hat Vertreter bei Agora, der Entwicklungsgesellschaft für die Industriebrachen im Süden. Welche Interessen vertritt das Syndikat dort?
Das ist eine Sache, die wir noch klären müssen. Das ist das Problem von Pro-Sud. Es fehlt ein reger und kontinuierlicher Austausch der Gemeinden, um eine gemeinsame Richtung zu erarbeiten. Dann können wir sagen, so und so hätten wir es gerne, dahinter stehen alle elf Gemeinden. Deswegen will ich auch alle besuchen und mit allen sprechen.
Sie fordern ein Gesamtkonzept für das Land. Und eine Dezentralisierung von Wirtschaft und Verwaltungen. Welche Rolle soll der Süden dabei spielen?
Der Süden hat Potenzial. Und wenn wir über Dezentralisierung reden, dann brauchen wir in allen Regionen Arbeitsplätze, Wohnraum und einen funktionierenden Nahverkehr.
Wenn ich Sie so höre, sind Sie ein Fan des Südens. Was macht die Region so „sexy“ für Sie?
Wir haben alles. Und ich mag die Dynamik und Mentalität der Menschen. Sie sind so offen und direkt. Freiwillig würde ich hier nicht weggehen.
Pro Sud
In dem Gemeindesyndikat sind elf Gemeinden des Südens organisiert. Das betrifft eine Fläche von 200 Quadratkilometern und rund 170.000 Menschen, was fast ein Drittel der Gesamtbevölkerung Luxemburgs bedeutet. Etwas mehr als 45 Prozent der Bewohner sind Ausländer. Im Süden leben rund 150 Nationalitäten zusammen. Die Angaben macht das Syndikat auf seiner Internetseite prosud.lu.
- Die neuen Migrationspläne und was davon realistisch ist: Forderungen nach dem Attentat von Aschaffenburg - 24. Januar 2025.
- Jubiläumsausgabe: „Antiques & Art Fair“ findet zum 50. Mal statt - 24. Januar 2025.
- Nach Johannes Thingnes: Auch Tarjei Bö kündigt Rücktritt an - 24. Januar 2025.
Pro-Sud? Wie wäre es mit Pro-Ladies?
Sie heißen Anouk Thill und sonst gar nichts.
Wie wir Damen alle hierzulande.
@Karin: Da haben Sie wohl ein komisches Demokratieverständnis und der Respekt vor Andersdenkenden scheint In Ihrem Weltbild nicht vorhanden zusein. „ An wenn d‘Fraa dorop häellt esou genannt ze gin?.“Mir sind etliche fortschrittlich denkende Frauen bekannt die explizit auf ihren angeheirateten Namen pochen.Ich respektiere Ihre Entscheidung vollkommen , wohl weil Toleranz , Freiheit des Individuums und Respekt zu meinem Weltbild gehören.