/ Die neue Lust an „Outdoor“: Ferien auf dem Camping sind wieder „in“
Den Urlaub in einem Zelt oder Wohnwagen zu verbringen, ist „in“ wie seit Jahren nicht mehr. Dabei ist es nicht die Anzahl der Sterne oder der Swimmingpool, die anziehen. Ein durchdachtes Konzept, das Hand in Hand mit der Umgebung geht, reicht. Natur, Ruhe, Sport und Ökologie zeichnen das Müllerthal aus. Die Campings Belle Vue 2000 und Martbusch in Berdorf haben dies auf ihrem Gelände umgesetzt – und zwar so gut, dass sie die jüngsten Mitglieder der „Ecolabel- Gemeinde“ in Luxemburg sind. Die Betreiber haben viel dafür getan.
Wenn das Land nicht in Familienbesitz wäre, wären die beiden Brüder Jean und Bernard Speller wahrscheinlich nicht Betreiber eines Campingplatzes. 55.000 Quadratmeter Land, so groß ist der Camping Belle Vue 2000 – einen Campingplatz zu kaufen, kann sich heute fast niemand mehr in Luxemburg leisten. Zumal so ein Platz naturgemäß ein Saisongeschäft ist und stark vom Wetter abhängt.
Camping: Zahlen und Fakten
Nach Statec-Angaben verzeichneten die luxemburgischen Campingplätze 2013 etwas mehr als 850.000 Übernachtungen. Im Jahr 2018 gab es eine Steigerung auf etwas mehr als 950.000. Bei insgesamt knapp drei Millionen Übernachtungen im letzten Jahr machen die Camper also einen nicht unwichtigen Anteil – ein Drittel – aus. Auf den beiden hier vorgestellten Campingplätzen gibt es fest angestellte Mitarbeiter. Beim Belle Vue 2000 sind es 3,5 Arbeitsplätze – ohne die beiden Brüder. Beim Martbusch arbeiten vier Festangestellte und von März bis November 3-4 Saisonarbeiter, die vom „Syndicat d’initiative Berdorf“ beschäftigt werden. Diese arbeiten entweder auf dem Camping, am Tourist Info oder an der Organisation von Events für die Gemeinde, was ebenfalls zu den Aufgaben des „Syndicat“ gehört.
Außerdem gehen die beiden jungen Betreiber bislang beruflich andere Wege. Jean (32) studiert nach einer Ausbildung zum Innenarchitekt Architektur und arbeitet, wenn er nicht an der Rezeption sitzt und Gäste empfängt, an seiner Masterarbeit. Bruder Bernard (30) macht nach der Ausbildung zum Physiotherapeuten aktuell eine Weiterbildung zum Osteopathen. Trotzdem haben die beiden jungen Männer vor fünf Jahren die Herausforderung angenommen. Beide kennen das Gelände gut. Zusammen mit Gästen, die teilweise schon jahrzehntelang kommen, gehört es seit ihrer Jugend zum Familienleben.
„Bomi“ Anna betreibt den Camping ab den 80er Jahren und ist bis zu ihrem Tod die Seele des Belle Vue 2000. Die beiden Jungs helfen jedes Jahr in den Sommerferien. Vater Speller plant damals die Parzellen, pflanzt Bäume und Sträucher auf der einstigen sprichwörtlich grünen Wiese, baut die Sanitäranlagen. 2014 übernehmen seine beiden Söhne und bringen neue Ideen mit. Die Rezeption wird mitsamt der kleinen „Superette“, die auf regionale Produkte setzt, renoviert. Zwei Spielplätze mit Holzgeräten entstehen. Plätze für Dauercamper, die frei werden, bleiben frei. „Wir wollen größere Parzellen schaffen für weniger Gäste“, erklärt Jean das Ansinnen.
Gemeinschaftsgarten, barrierefrei
Die Sanitärgebäude werden dem Anspruch an eine ökologische Lebensweise angepasst. Solarzellen für die Warmwasserversorgung sind geplant, die Armaturen sind schon in wassersparende umgetauscht, die Duschzeit ist künftig per Chipkarte begrenzt. „Bed and Bike“-fähig ist der Camping mit einer kleinen Fahrradwerkstatt sowieso und für diese Klientel wird gerade eine Wiese zum Zelten hergerichtet.
Warum das Ecolabel? „Wir leben sehr nachhaltig und da macht es Sinn, auch den Betrieb in diese Richtung zu führen“, sagt Marcs Freundin Tamara Laterza (30). Die Biologin mit dem Master in Ökologie hilft an der Rezeption. Am liebsten würde Jean das Gelände so umgestalten, dass die Dauercamper mit ihren fest installierten Campingwagen nicht das Erste sind, was anreisende Besucher sehen. Aber diese Gäste kommen teilweise schon sehr lange und belegen rund 100 der 380 Plätze auf dem riesigen, ganzjährig geöffneten Terrain. Ein Einkommen, das den weiteren Ausbau des Platzes sichert und Rücksichtnahme gebietet.
Oft kommt bei „ökologisch“ der soziale Aspekt zu kurz oder gar nicht vor. Der Campingplatz Belle Vue 2000 hat einen Gemeinschaftsgarten, bei dem jeder Gast mitmachen kann, wenn er denn möchte. „Das ist eine gute Gelegenheit, ins Gespräch zu kommen“, sagt Jean. Dem Camping ist anzusehen, dass die beiden Betreiber in Aufbruchstimmung sind, noch viel vor sich haben und weit denken. Ein Schwimmbad? Warum nicht? Aber dann eher in Richtung Naturparkteich. Offene Schranken, Zutritt ohne Code, das Gelände so naturbelassen wie möglich, eine familiäre und ländliche Atmosphäre, die durch die große Scheune am Eingang noch unterstrichen wird, prägen den Familienbetrieb. „Das bringt eine junge Klientel, die freiheitsbewusst ist und eine kreative Lebensart pflegt“, ist Jean überzeugt, der trotz andauernder Aufbauarbeiten auf steigende Übernachtungszahlen verweist. „Der Camping ist ein Lebensprojekt“, sagt er. Wirtschaftlich haben sich die Anstrengungen dieses Jahr zum ersten Mal an Christi Himmelfahrt und Pfingsten niedergeschlagen.
„Da waren wir ausgebucht“, sagt Jean, der den Campingplatz Belle Vue 2000 einen „kleinen Geheimtipp“ nennt. Ausgebucht war er zuletzt 1986, das Jahr gehört in die „Boomphase“ dieser Form des Tourismus. Seitdem sie vorbei ist, müssen Campingplätze aktiv um Kundschaft werben und für etwas stehen.
Martbusch
Gedanken wie diese haben zum Aufschwung des Campings Martbusch beigetragen, das einen Kilometer entfernt im gleichen Dorf liegt. Mit 167 Stellplätzen auf 45.000 Quadratmetern ist er kleiner als der Campingplatz Belle Vue 2000. Zudem liegt er direkt am Wald. Auch hier begrüßen zunächst Dauercamper und ihre Feriendomizile. Elise van Bosveld-Heinsius (33) managt den Betrieb seit zehn Jahren. In dieser Zeit ist auf dem Gelände, das der Gemeinde gehört, viel passiert. Die gebürtige Niederländerin hat Touristik studiert und zusammen mit der Kommune einen „Masterplan“ für den Platz entwickelt.
Investitionen in Marketing, eine ökologische Umgestaltung der Sanitäreinrichtungen und in fest installierte Vermietungsobjekte haben dem Camping einen anderen Look verpasst. Die kleinen halbrunden Holzhäuschen, die Gäste mieten können, heißen „Pods“ und sind von anfänglich drei Stück im Jahr 2012 auf insgesamt 19 und zu einem „Pod-Village“ angewachsen. „Sie wurden entsprechend den Bedürfnissen unserer Klientel ausgesucht“, sagt Bosveld. Wie beim Camping Belle Vue 2000 machen beim Martbusch Kletterer und Wanderer sowie naturverbundene Menschen den Großteil der Gäste aus. Das Ecolabel in Silber, das der „Martbusch“ zum selben Zeitpunkt wie Belle Vue 2000 im Herbst 2018 erhält, ist die vorläufige Krönung einer Entwicklung, in der sich die Übernachtungszahlen in den letzten sechs Jahren fast verdreifacht haben.
„Pod-Village“ und Neubau
Im Zuge des „Masterplans“ hat das „Syndicat“ eigenes Gelände verkauft, um Arbeiten an Wasser, Kanal, Strom und Straßen sowie die ökologische Sanierung des einen der beiden Sanitärgebäude zu bezahlen. Seitdem ist dort die Duschzeit der Gäste begrenzt, die Toilettenspülung funktioniert über aufgefangenes Regenwasser, es gibt Sonnenkollektoren auf dem Dach, eine Fußbodenheizung und eine Entkalkungsanlage. Auch die „Pods“ wurden aus Eigenmitteln finanziert, was den Irrglauben, es sei als „Syndicat“ leichter, einen Campingplatz zu betreiben als als Privatmensch, widerlegt. SI-Präsidentin Stéphanie Hein (41) bekräftigt das. „Die Gemeinde hält sich aus den Belangen des Campings heraus“, sagt sie, „wir stemmen sämtliche Anschaffungen aus unseren Einnahmen und bekommen auf Antrag – wie alle anderen auch – Förderungen vom Tourismusministerium.“
Campingplatz-Managerin Bosveld stuft das Ecolabel als Anerkennung des eingeschlagenen Weges für den Platz ein, auf dessen Gelände in naher Zukunft ein Neubau fürs „Tourist Info“ mit Restaurant und Terrasse geplant ist. Jährlich suchen ca. 15.000 Besucher das „Tourist Info“, das über die Region informiert, auf. An dem Neubau wird sich die Kommune voraussichtlich zu einem Teil beteiligen. Ob sich das Label auf die Übernachtungszahlen niedergeschlagen hat, kann Bosveld nicht sagen. Dazu ist es noch zu frisch. Eines aber beobachtet sie schon länger: Obwohl nach wie vor hauptsächlich Niederländer, Belgier und Deutsche nach Berdorf kommen – wie bei Belle Vue 2000 auch – nutzen in letzter Zeit immer mehr Familien aus Luxemburg das naturnahe Angebot des Martbusch. „Outdoor“, ökologisch und einfach liegt offensichtlich im Trend.
Ecolabel
Das Ecolabel, das nach Vorbild des „Österreichischen Umweltzeichens“ gestaltet wurde, gibt es seit 1999 in Luxemburg. Damit haben Regierung und Ökocenter noch vor der EU eine Anerkennung für die Betriebe in Luxemburg geschaffen, die ökologisch arbeiten wollen. Das EU-Ecolabel kam erst im Jahr 2000. Laut Ökocenter-Verantwortlichen soll das Ecolabel bei den Betrieben aufgrund des „sanften Tourismus“ gut angekommen sein. Zudem soll das Label ein Must-have sein, mit dem man sich von der Konkurrenz abgrenzt.
Die Touristen orientierten sich zunehmend hieran, heißt es aus dem Pfaffenthal weiter, das dies im Zusammenhang mit dem allgemein gestiegenen Umweltbewusstsein sieht. Um das Label zu erhalten, müssen in fünf Bereichen Kriterien erfüllt werden: Umweltmanagement, Abfallbehandlung, Energie, Wasser und die Wahl der Lieferanten. „Wir achten darauf, dass ein Teil der Lebensmittel, die im Restaurant oder im Laden verkauft werden, regional, bio und fair gehandelt sind“, heißt es aus dem Ökocenter. Nach dessen Angaben waren im Juni diesen Jahres 43 Beherbergungsbetriebe im Tourismus ausgezeichnet – 14 Hotels, 17 Jugendherbergen, Gîtes und Gruppenunterkünfte sowie 12 Campingplätze.
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Klar, dass das Zelten wieder aufkommt, bei den Hotelpreisen!