Lust aufs Land / Die Stauseegemeinde erlebt ungeahnten Zuzug und investiert in die Zukunft
Felder, Wälder, Schluchten, Wasser und kleine Dörfer: So könnte ein kurzer Steckbrief der Stauseegemeinde aussehen. Schön am Wochenende, aber zum Leben? Jahrzehntelang trieben Aussichten wie diese die Menschen eher in die Städte. Das ändert sich gerade. Zumindest sagt das der Bürgermeister, weswegen der Gemeinderat ein Investitionsprogramm beschlossen hat.
Im Gegensatz zur Nachbargemeinde Esch/Sauer sieht es in Böwen nicht danach aus, dass die Gemeinde vom Tourismus lebt. Überhaupt herrscht an diesem Freitagnachmittag wenig Verkehr und es sind kaum Menschen auf der Straße. In den Wintermonaten ist es ruhiger. An normalen Werktagen dominiert tagtäglich ein reger Durchgangsverkehr das Bild.
Viele der Häuser in den acht Ortschaften, die zur Gemeinde gehören, haben Alleinlage und große Grundstücke. Moderne Apartment- oder Reihenhäuser sind eher selten. Das Rathaus mit seinen fünf Mitarbeitern im administrativen Bereich ohne den Bürgermeister verströmt den Charme eines 80er-Jahre-Baus und heißt „Centre communal“.
Hier wird nicht nur im Sinne der Bürger gearbeitet. Ein eigener Anbau dahinter ist gleichzeitig das „Centre culturel“ und früher tat hier auch die Polizei ihren Dienst. Sechs Jahre hat Bürgermeister René Michels (67, CSV) dafür gekämpft, dass das so bleibt. Als die Beamten abgezogen wurden, schien der Kampf verloren.
„Commissariat de proximité“ ist Geschichte
Es war eine Ironie der Geschichte, dass sie in der Krise wegen der Sicherheitsmaßnahmen mangels Platzes noch einmal von Wiltz nach Böwen ausgelagert wurden. Als sie am 1. Dezember 2021 endgültig die Gemeinde verließen, war das „Commissariat de proximité“ in Böwen Geschichte. Diese Entscheidung war wahrscheinlich die größte Enttäuschung in Michels schon 17 Jahre dauernder Karriere als Bürgermeister.
Es ist ihm anzumerken, dass er damit immer noch nicht einverstanden ist. Wenn er die 2.168 Einwohner zählende Majorzgemeinde bewerben müsste, würde er als Allererstes sagen: „Platz, Natur, Ruhe, viele Spazierwege und damit außergewöhnliche Lebensqualität.“ Die Wälder in der Kommune haben gerade eine Flurbereinigung hinter sich. Sie ist seit März 2020 abgeschlossen und hat rund zehn Jahre gedauert.
Allein die Gemeinde besitzt rund 300 Hektar Wald. „Bessere Bedingungen für Forstwirtschaft im privaten und öffentlichen Bereich und 35 Kilometer neue Waldwege zum Spazierengehen, Joggen oder Fahrradfahren“, zählt der Rathauschef die Vorteile der Neuordnung auf. Obwohl er es könnte, muss er die Gemeinde nicht bewerben. Die Vorteile, dazu gehört ein Durchschnittspreis von rund 32.000 Euro pro Ar Land, haben sich längst herumgesprochen.
4,38 Prozent Einwohner in einem Jahr mehr
Im Jahre 2021, mitten in der Corona-Krise, wächst die Gemeinde um 91 Einwohner. „Wenn die Einwohnerzahl allein in einem Jahr um 4,38 Prozent steigt, dann ist das aber ein Zeichen dafür, dass unsere Gemeinde attraktiv ist“, sagt Michels. Diese Steigerung war die Spitze einer Entwicklung, die schon länger im Gang ist. Die Frage nach einer gesunden Grenze für den Einwohnerzuwachs findet der Rathauschef schwierig.
„Kann man das aufhalten?“, fragt er zurück. Wenn er es aber zu entscheiden hätte, würde er die Grenze bei 5.000 Einwohnern sehen. Allerdings ist die Strecke zum Arbeitsplatz weit, wenn man nicht im Handwerk arbeitet. Größere Industriebetriebe oder Gewerbezonen fehlen. Michels kennt das. Sein ganzes Arbeitsleben lang ist er zur Arbeit in die Hauptstadt gefahren – mit dem Zug von Wiltz oder Ettelbrück aus.
„Man verliert Zeit“, bestätigt er. „Dafür hat man in der Freizeit Lebensqualität.“ Diese Rechnung haben wohl auch die neuen Einwohner für sich gemacht. „Wir merken, dass viele kommen, die ihr Haus woanders im Land verkauft haben und hier bauen“, sagt Michels. Wären das alles nur junge Familien, hätte er das am Bustransfer Richtung interkommunale Schule in Harlingen gemerkt. Er wäre überlastet gewesen.
Eine neue „Crèche“ und mehr Ärzte
Da ist er gleich beim ersten Projekt für 2022 und der ewigen Debatte um eine Fusion mit Winseler und Bauschleiden. Die Stauseegemeinde baut auf gemeindeeigenem Gelände neben der „Ecole régionale“ eine „Crèche“ mit 56 Plätzen. „Als wir damals die Schule gebaut haben, wäre das der richtige Zeitpunkt für eine Fusion gewesen“, sagt der Bürgermeister rückblickend und lässt durchblicken, dass es momentan keinen Bedarf gibt.
Die Schule ist auf 650 Plätze ausgelegt, 447 Kinder besuchen sie aktuell in vier Zyklen. Das nächste größere Projekt ist der Bau eines neuen Rathauses in Böwen. „Rund drei Millionen Euro hätte die Renovierungen des alten gekostet“, sagt Michels. „Für 4,5 Millionen kriegen wir jetzt ein neues, moderneres und vor allem barrierefreies.“ Im Gegensatz zu dem, was jetzt dort steht, hat das neue eine „ökologische Approche“.
Wachsende Einwohnerzahlen und eine Topografie mit vielen Haarnadelkurven erfordern eine medizinische Grundversorgung. Das wird auch im Rathaus so gesehen. Der Allgemeinarzt in Böwen, der sich dort vor zehn Jahren niedergelassen hat, hat sich bereits Verstärkung in seine Praxis geholt. Es sollen noch mehr werden.
Im neu entstehenden Wohngebiet „Néckelspäsch“ in Nothum hält die Gemeinde ein Gebäude vor, wo sich weitere Ärzte, „Kinés“ oder sogar Labors niederlassen können. 40 Wohneinheiten in Einfamilien-, Reihenhaus- oder Apartmentform entstehen dort. Das bedeutet noch mal Zuwachs, und in Zeiten, wo Landärzte immer knapper werden, müssen die Bürgermeister selbst die medizinische Versorgung ihrer Einwohner regeln.
Leisten kann sich die Stauseegemeinde ihre Vorhaben bislang noch. Obwohl sie einer der Verlierer der Finanzreform von 2017 ist, kann sie in diesem Jahr auf einen Bonus von 500.000 Euro zurückgreifen und hat im außerordentlichen Haushalt ein Investitionsvolumen von 5,2 Millionen eingeplant. Bürgermeister Michels wird die Projekte noch vorbereiten, ausführen muss es sein Nachfolger. Er tritt bei den Kommunalwahlen 2023 nicht mehr an.
Tourismusprojekt „Land of Memory“
Seit 2016 arbeiten 15 Partner aus der Großregion am Projekt „Land of Memory“. Es will grenzübergreifende, gedenktouristische Angebote rund um die Konflikte des 20. Jahrhunderts fördern. Ziel ist es, das kulturelle und natürliche Erbe zu erhalten und das Wissen, die Geschichte und das kollektive Gedächtnis der Region aufzuwerten. Das „Schumannseck“ war im Zweiten Weltkrieg einer der zentralen Orte der Ardennenschlacht. Finanziert von europäischen Interreg-Geldern und dem Tourismusministerium sind thematische Rundwege und Gedenkstätten entstanden. Ausstellungen und eine gemeinsame Webseite sollen die Sichtbarkeit fördern. Das Projekt wurde 2021 abgeschlossen und soll 2022 eingeweiht werden.
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LOL, d’Hallef Stad hätt ‚Weekend‘-Haiser do gebaut déi lescht 50 Joer wann se hätten dierfen.
Beton marche!! Eng Millioun Leit kann een net aleng am Guttland ënnerdag bréngen.
et ass eng Fro vun der Zeit bis déi schéin Geijend vun Schongkeschtenhaiser verschandelt as.Haiser,déi no 2 Joer schon Schimmel opweisen,mais mat denen d’Promoteuren de Lait d’Geld aus der Täsch huelen,mam Virwand,ékologesch ze bauen.Dat get jo vun eisen Politiker gefördert vu que dass sie mat denen Promoteuren ennert enger Decken stiechen.
@ Terese: Was Sie da beschreiben mag in Einzelfällen stimmen. Wird sogar in Einzelfällen stimmen. Aber als pauschale Aussage ist es mit keinerlei Fakten belegbar. Genau so gut könnte man behaupten dass Sie zu den samstäglichen „Spaziergängern“ gehören.