Tourismus / Die neue Reise-Freiheit: Wohnmobile liegen im Trend
Um zu einem Gewinner der Krise zu kommen, muss man in den Norden des Landes. Dorthin, wo die Landschaft wenig zersiedelt ist und die Natur intakt wirkt. Bergig ist das Land rund um Wemperhardt, viel Grün und Mischwälder vollenden das Bild. Hier wohnen Menschen, die Reisen lieben und Wohnmobile vermieten. Das Start-up „Travelovers“ boomt.
Patrick Vicente (40) ist noch ganz erfüllt von seinem ersten Tripp mit einem Wohnmobil. Gerade hat er den Leihwagen zurückgebracht und schaut sich die Variante eine Nummer größer an – für den nächsten Urlaub. Er kennt Camping aus seinen Jugendjahren und hat den 180 Kilometer langen Weitwanderweg GR 20 in Korsika zu Fuß absolviert.
Wohnmobilverleiher im Land
www.travelovers.lu
www.fiisschen.lu
www.webcamper.lu
Da musste er schon mal draußen übernachten, wenn er das Etappenziel, die Schutzhütte, nicht erreicht hat. „Der Boden dort ist steinig und hart“, sagt er, während er auf einem der bequemen Sitze des „Sunlight“-Modells für sechs Personen sitzt. „Das hier ist schon was anderes.“ Seine Frau kennt Campen gar nicht und so war es ein Kompromiss, den ersten Kurzurlaub nach den Lockdowns im Wohnmobil zu machen.
1.300 Kilometer haben er und seine Familie in fünf Tagen zwischen Luxemburg, Lyon, Lac de Sanagou und Montpellier zurückgelegt. „Mit dem Wohnmobil hat man seine Wohnung immer dabei“, sagt der Informatiker, der bei einer Bank in der Hauptstadt arbeitet. In Zeiten großer Unsicherheiten ist das eine stabile Variable.
Bleiben, wo es gefällt
Ungebundenheit, die Freiheit, von einem Tag auf den anderen zu entscheiden, wo es hingeht, oder zu bleiben, wenn es gefällt, das kommt an. „Essen, wann man will und schlafen, wann man will“, ergänzt Vicente das neu gewonnene Urlaubsgefühl. Seine kleine Tochter hätte das Wohnmobil am liebsten gleich behalten.
„Sie hat gut darin geschlafen“, sagt der Papa. „Und weil sie auf der Fahrt höher sitzt, hat sie viel mehr entdecken können.“ Aus dem Wunsch nach zwangloser Ungebundenheit ist „Travelovers“ entstanden. 35 Jahre hat Marc Bingen (61) bei einer Bank gearbeitet. Tägliche Geschäftsessen in Krawatte und Anzug, Übernachten in Hotelzimmern mit festen Essenszeiten, er hatte es satt.
„Ich wollte mich im Urlaub nicht auch noch an Hotelregeln halten müssen“, sagt er. 15 Jahre ist es jetzt her, dass er sein Urlaubsverhalten ändert. Selbst kochen, Lagerfeuer machen, den Urlaub nicht von vorne bis hinten durchplanen ist seitdem die neue Erfahrung. „Ich wollte frei sein von allen Regeln, die mein Beruf so mit sich bringt“, sagt er. „Reisen mit dem Wohnmobil ist der neue Luxus.“
Campen und Wohnmobile als Leidenschaft
Vermissen müssen Wohnmobilfahrer dennoch nichts. Seine fünf Leihmodelle sind mit Dusche, Toilette, kleiner Küche, Tisch und Sitzbänken, Betten und viel Platz fast schon luxuriös ausgestattet. Deswegen will er sein Angebot ab nächstem Jahr um ein spartanisch ausgestattetes Modell erweitern – für die ganz Abenteuerlustigen.
Reiseführer für Wohnmobilfahrer
„France Passion“ beinhaltet 2.050 Gastgeber mit Stellplätzen in Frankreich. Darunter sind 850 Winzer, 180 handwerkliche Betriebe, rund 1.000 landwirtschaftliche Betriebe und Landgaststätten.
Der Führer will das Bindeglied zwischen dem französischen Landleben und Wohnmobilfahrern sein. „Landvergnügen“ ist das Pendant für Deutschland. Es bietet 1.100 idyllische Reiseziele für Wohnmobil, Wohnwagen oder Campingbus. Bei beiden ist eine Mitgliedschaft erforderlich. Mitglieder erhalten eine Vignette und können damit die gelisteten Betriebe anfahren.
Mehr Informationen auf www.landvergnuegen.com und www.france-passion.com.
Für die Nicht-Minimalisten will er Kooperationen mit Hotelrestaurants einleiten, die „à la carte“ ins Wohnmobil liefern. Er wird auf offene Ohren stoßen. „Der Trend ist längst erkannt“, sagt er und verweist auf Reiseführer, die Wohnmobilplätze bei Winzern, Landgasthöfen und landwirtschaftlichen Betrieben empfehlen. Sie heißen „France Passion“ oder „Landvergnügen“.
Bingen startet mit einem Zelt in seine neue Art, Urlaub zu machen. Seitdem hat er Urlaub im Wohnwagen und schließlich mit dem eigenen Wohnmobil probiert. Campen und alles, was damit zusammenhängt, entwickelt sich zu seiner Leidenschaft. Als er 2018 in Rente geht, gründet er „Travelovers“.
Markt für Wohnmobile leergefegt
Mit einem Camper zum Verleihen geht es los. „Ich selbst konnte ihn gar nicht mehr nutzen, weil er immer weg war“, sagt er. Seitdem ist der Fuhrpark gewachsen und trotz Investitionen und Lockdowns schreibt er schon ein Jahr nach Gründung, im Krisenjahr 2020, schwarze Zahlen. Seine mittlerweile vier Camper sind permanent unterwegs – auch im Winter.
„Wir könnten noch zwei gebrauchen, aber der Markt ist leergefegt“, sagt er. „Neue Modelle haben mehr als ein Jahr Lieferzeit.“ Ist er ein Gewinner der Krise? „Ja“, sagt er. „Es war während der Zeit fast die einzige Möglichkeit, zu reisen, und jetzt haben viele Geschmack daran gefunden.“
Mitbewerber „Beim Fiisschen“ in Heiderscheid macht die gleiche Erfahrung. „Wir haben ganz neue Kunden, die kommen und mieten“, bestätigt Michelle Mersch (62), Betreiberin des Verleihs. Sie ist seit 20 Jahren im Geschäft, dieses Jahr läuft es besonders gut. Ihre 20 Wohnmobile sind jetzt schon alle zwischen Mitte Juli und Anfang September gebucht.
Verleiher sind gut im Geschäft
Der Dritte im Bunde ist Voyages Emile Weber, deren ursprüngliches Geschäft Reisebüros und Busreisen sind. Sie sind erst dieses Jahr in das Angebot, Wohnmobile zu verleihen, eingestiegen. Bei ihnen ist die Buchungslage mehr als positiv, obwohl sie erst seit kurzem am Start sind.
Für Ostern und Pfingsten ist keines der 16 Wohnmobile mehr zu haben, das gilt auch für die Sommerferien. Nur dazwischen gibt es noch ein paar freie Termine. Philippe Heinisch (27), der Verantwortliche für den Bereich „Webcamper“, bestätigt den Trend zum Reisen mit dem Wohnmobil.
Der Erfolg gibt ihm recht. Während sich das Geschäft in den Reisebüros nur langsam normalisiert, ist in seinem Bereich für nächstes Jahr schon eine Erweiterung der Flotte geplant. „Wir bestellen jetzt schon“, sagt Heinisch, der um die Lage im Markt weiß. Nach den Lockdowns schmeckt vielen das neue Freiheitsgefühl offensichtlich besonders gut.
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