/ Die Ökonomisierung des Weltalls: Wie Dollar und Euro zu astronomischen Maßeinheiten wurden
Der Weltraum wird nicht mehr nur in physikalischen Größen vermessen. In den letzten Jahren haben sich ökonomische Größen hinzugesellt. Anhand von zwei Dokumenten lässt sich das verdeutlichen. Eines davon stammt von der Luxemburger Weltraumagentur, das andere von Goldman Sachs.
„Eine kleine gelbe Sonne in den unerforschten Einöden eines total aus der Mode gekommenen westlichen Spiralarms der Galaxis“: Der britische Schriftsteller Douglas Adams verstand es hervorragend, Dinge in die richtige Perspektive zu rücken – egal, ob es sich dabei nun um den Fünfuhrtee oder um unser Zentralgestirn handelte.
Abseits von Poesie und Fiktion, wie sie nur ein nuklearer Feuerball inspirieren kann, wird das Universum anhand mathematischer Größen gemessen. Die Erde ist im Schnitt eine astronomische Einheit von der Sonne entfernt und Alpha Centauri 4,34 Lichtjahre. Das Schwarze Loch in der Mitte der Milchstraße hat 4,1 Millionen Sonnenmassen. Die Sonne entspricht 99,86 Prozent der Masse des Sonnensystems. Der Rest – die erdähnlichen Planeten, die Gasriesen, der Asteroiden- und der Kuipergürtel – macht also nur einen verschwindend geringen Teil des Sonnensystems aus. Aber um genau diesen Teil geht es, wenn von Space Mining die Rede ist.
Rechtssicherheit für die Firmen
Als Wirtschaftsminister Etienne Schneider 2015 seine Space-Mining-Initiative lancierte, wurde er hierfür in Luxemburg belächelt und international bewundert. Mit einem neuen Gesetz garantierte Luxemburg dann Unternehmen, die im Weltall nach Ressourcen schürfen, Rechtssicherheit – und holte somit gleich mehrere Firmen aus dem Bereich ins kleine Großherzogtum. Zuvor hatten nur die USA 2015 ein solches Gesetz erlassen. Mit dem Unterschied, dass die USA strengere Auflagen an Unternehmen haben, die von den Vorteilen des Gesetzes profitieren wollen.
Mit dem Space Mining kam eine neue Größeneinheit ins Spiel: Geld. Mehr noch als bei früheren Anstrengungen Luxemburgs im Weltall. Sicher, der Wert von Satelliten oder Raumstationen ist in Geld fassbar, aber dabei handelt es sich nicht um Objekte, die natürlich im Weltall vorkommen, also um die unendlichen Weiten selbst. Die Summen, die in diesem Kontext genannt werden, sind – an dieser Stelle verzeihe man mir das Wortspiel – astronomisch. Es heißt, Space Mining brächte den ersten Menschen hervor, der mehr als 1.000 Milliarden Dollar besitzt.
„Platin ist Platin“
Wenn es um die unglaublichen Gewinne geht, die Space Mining mit sich bringen kann, wird vor allem immer ein Dokument zitiert – eine sehr ausführliche Untersuchung der Goldman Sachs Group vom April 2017 über das finanzielle Potenzial des Weltraums. Ein Dokument, in dessen ersten Wörtern bereits ein gewisser Epos mitschwingt: „Das zweite Weltraumzeitalter hat begonnen, und die Kräfte der Innovation und Disruption holen ehemals stagnierende Industrien ein.“
Space Mining könnte realistischer sein als gedacht, sagt Goldman Sachs. Wasser und Platin gibt es auf Asteroiden zuhauf. Der Technologie und der Wissenschaft kann das neue Chancen eröffnen. Aus Wasser wird Treibstoff. „Und Platin ist Platin“, stellt die Bank lapidar fest. Goldman Sachs zitiert aus einem Reuters-Interview von 2012 mit Planetary Resources, nach dem ein einziger Asteroid von der Größe eines Fußballfeldes Platin im Wert von 25-50 Milliarden Dollar enthalten könnte.
Goldman Sachs führte Planetary Resources 2017 noch als Schlüsselunternehmen in der Weltraumindustrie auf. Mittlerweile hat der luxemburgische Staat seine Beteiligung an dem Unternehmen mit Verlust abgestoßen, weswegen der Wirtschaftsminister vom Parlament gehört worden ist. Deep Space Industries, ein weiterer Player auf dem Gebiet, wurde vor kurzem erst aufgekauft, hatte sich einem Medienbericht zufolge vor Monaten aber bereits vom Asteroid Mining abgewendet und seinen Fokus auf die Entwicklung konventionellerer Weltraumtechnologie verlagert.
Weitere Studie im Dezember 2018
Im Nachhinein lässt ein Satz in dem Dokument von Goldman Sachs aufhorchen: „Des Weiteren sind Bereiche der Weltraumbranche wie Weltraumtourismus oder Asteroid Mining in einem sehr frühen Stadium ihrer Entwicklung und es ist schwierig, die Rendite von Start-up-Unternehmen, die in diese Felder einsteigen wollen, einfach einzuschätzen.“
Im letzten September lancierte die luxemburgische Regierung eine landeseigene Weltraumorganisation – die LSA. Ihr Fokus liegt laut einer Verlautbarung der Regierung auf dem geschäftlichen Bereich. Eine ihrer Aufgaben ist es, Unternehmen nach Luxemburg zu locken. Im Dezember, kurz vor Weihnachten, veröffentlichte die luxemburgische Weltraumbehörde auf ihrer Webseite ein weiteres Dokument, das die Ökonomisierung des Weltraums untermauert.
Der Wirtschaftsminister teilte das Schreiben auf Twitter. Das 16-seitige Faltblatt (hier als PDF), das eine Zusammenfassung einer Studie ist, beschäftigt sich mit den Chancen, die das Space Mining in den kommenden Jahren für Luxemburg birgt. Die Europäische Weltraumagentur ESA hatte die Arbeit öffentlich ausgeschrieben. Durchgeführt wurde die Studie nicht etwa von einer Universität oder einem Forschungsinstitut aus den Naturwissenschaften, sondern von der Unternehmensberatungsfirma PwC.
Reichtum „in situ“
Laut Dokument sieht man kurzfristig vor allem Chancen beim Weltraumwasser. Aufgrund des Vertrauens in die Nachfrage und der Verfügbarkeit von Wasser auf dem Mond soll die Herstellung von Raketentreibstoff im Weltall als brauchbarste Geschäftsidee gelten. Vor allem der Transport von Menschen zwischen den Himmelskörpern werde die Nachfrage nach Treibstoff befeuern, heißt es zudem im Schreiben.
Auch hier astronomisch hohe Zahlen: 73 bis 170 Milliarden Euro soll allein das Schürfen von Rohstoffen im Weltall bis 2045 einbringen. Diese gewaltige Wirtschaftsleistung soll Vollzeitarbeit für 845.000 bis 1,8 Millionen Beschäftigte schaffen, schätzt PwC. Hinzu kommt ein millionenschwerer Mehrwert für die Kunden, der dadurch entsteht, dass verschiedene Rohstoffe nicht mehr von der Erde mit ihrer lästigen Anziehungskraft ins All geschossen werden müssen, sondern dort (im Jargon „in situ“) bereits zur Verfügung stehen. PwC schätzt diese Ersparnis bis 2045 nach heutigem Geldwert auf 54 bis 135 Milliarden Euro.
Fortschritt in anderen Bereichen
Daneben kommt der technische Fortschritt aus dem Bereich Space Mining laut PwC auch anderen zugute. Die Autoren erwarten Fortschritte unter anderem in den Materialwissenschaften, im verarbeitenden Gewerbe, beim 3D-Druck, in der Robotik und in der Datenanalyse. Das Beratungsunternehmen beziffert diese Effekte auf 2,5 Milliarden Euro über die nächsten 50 Jahre. PwC kommt nicht umhin, auch den sozialen Nutzen anzusprechen, der von der Erforschung des Weltalls ausgeht – auch weil die Nutzung von Ressourcen aus dem Weltall die Umwelt schont, indem sie die Abhängigkeit der Menschen von den begrenzten irdischen Ressourcen schmälert.
„Platin, Eisen und Titan aus dem Gürtel. Wasser vom Saturn, Gemüse und Rind aus den mit großen Spiegeln betriebenen Gewächshäusern auf Ganymed und Europa, organische Stoffe von der Erde und dem Mars. Energiezellen von Io, Helium-3 aus den Raffinerien auf Rhea und Iapetus. Ein Strom von Reichtum und Macht, wie es ihn in der Geschichte der Menschheit noch nie gab, fließt über Ceres.“ Diesmal kein Zitat aus einer Studie, sondern eine Passage aus dem Roman „Leviathan erwacht“.
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