LSAP / Die Personaldiskussion aus wahlstrategischer Sicht: Wer wird Paulette Lenerts Nebenmann?
Die LSAP muss sich mit den Rückzügen der Minister Dan Kersch und Romain Schneider einigen Personalfragen vor den nächsten Wahlen stellen. Sollte die Doppelspitze auf dem Parteikongress statuarisch verankert werden, stellt sich eigentlich nur noch die Frage nach dem Spitzenkandidaten an Paulette Lenerts Seite. Die Deklination einer Personalentscheidung aus Sicht der LSAP.
Mit Dan Kersch und Romain Schneider haben zwei Minister aus den Reihen der LSAP angekündigt, nach den nächsten Wahlen kein Regierungsmandat mehr anstreben zu wollen. Romain Schneider, seines Zeichens noch Landwirtschaftsminister und Minister für Soziale Sicherheit, hat bekannt gegeben, bei den nächsten Wahlen nicht mehr antreten zu wollen – das ließ Vizepremier Dan Kersch zumindest noch offen. Doch der Verlust der beiden politischen Schwergewichte ist nicht die einzige Änderung, die vor den nächsten Wahlen auf die LSAP zukommt. Mit einer Doppelspitze will der derzeitige Koalitionspartner von DP und „déi gréng“ dem Staatsministerium einen neuen roten Anstrich verleihen. Sollte die Statutenänderung auf dem nächsten Parteikongress beschlossen werden, stellt sich also nicht nur die Frage nach dem Ersatz für die beiden Minister, sondern auch, wer Luxemburgs beliebtester Politikerin Paulette Lenert zum Wechsel aus der Marconi-Allee in die Jofferegässel verhelfen soll.
Derzeit stellen sich der LSAP bei der Personalie Kersch mehrere mögliche Szenarien. Eines davon wäre, dass Dan Kersch bereits vor den Wahlen als Minister zurücktritt und den Posten an einen Parteikollegen übergibt. Sollte ein LSAP-Abgeordneter Kerschs Mandat übernehmen, könnte Kersch seine politische Karriere im Parlament fortsetzen, während einer seiner Parteikollegen sich vor den Wahlen als Minister profilieren kann. Es könnte aber auch ganz anders kommen: Kersch kann sein Mandat bis 2023 regulär erfüllen. In beiden Fällen aber stellt sich die Frage, ob der Politiker bei den Wahlen 2023 noch einmal antritt oder nicht. Die Vorteile für die Partei liegen bei einer weiteren Kandidatur auf der Hand: Dan Kersch könnte als Stimmenfänger auf der LSAP-Liste fungieren und seine Erfahrung als Abgeordneter mit einbringen, eventuell sogar Ansprüche auf den Posten des Fraktionsvorsitzenden stellen. Im Hintergrund könnte der Politiker helfen, den Chamber-Nachwuchs in der Partei aufzubauen, und seinen Platz im Parlament gegebenenfalls schon während der nächsten Legislaturperiode räumen, um aufstrebenden Politikern vor den nächsten Wahlen einen Platz im Rampenlicht des Krautmaart zu gewähren.
Mögliche Regierungsumbildung
Szenario eins – Kersch stellt seinen Ministerposten schon vor den Wahlen zu Verfügung – erscheint gar nicht so unwahrscheinlich. Medienberichten zufolge gibt es dazu in der LSAP eine klare Meinung: Minister, die ein Amt zu Ende führen, sollen auch bei den nächsten Wahlen wieder kandidieren. Gleich mehrere LSAP-Abgeordnete könnten den Posten also noch vor den nächsten Wahlen mit Kersch tauschen. Mit Rücksicht auf den Bezirksproporz schält sich ein klarer Spitzenkandidat heraus: der derzeitige LSAP-Fraktionsvorsitzende Georges Engel. Nicht nur ist der ehemalige Sanemer Bürgermeister mit anderthalb Legislaturperioden als Abgeordneter einer der erfahrensten Politiker in den Reihen der LSAP-Deputierten. Seit seinem Einzug ins Parlament 2013 ist Engel auch Vorsitzender der Chamber-Kommission für Arbeit, Beschäftigung und soziale Sicherheit und ist mit den Dossiers wohl am besten vertraut. Eine Eingewöhnungszeit kurz vor den Wahlen würde Engel also nicht brauchen. Spätestens seit Juli dieses Jahres hat sich der Fraktionsvorsitzende der LSAP in Position gebracht, weitere Aufgaben und Verantwortungen für die Partei zu übernehmen.
Richtig interessant wird es, wenn auch Romain Schneider noch vor den Wahlen seine Büros im Ministerium für Soziale Sicherheit und im Landwirtschaftsministerium räumen würde. Dann ergeben sich gleich mehrere Möglichkeiten. Dann wäre Claude Haagen – Bezirksproporz oblige – wohl prädestiniert für Schneiders Nachfolge. Will die Parteileitung noch einem ihrer Abgeordneten Sichtbarkeit verschaffen, wäre zudem folgende Konstellation denkbar: Engel übernimmt die Ressorts Arbeit und Sport von Kersch, Haagen das Ministerium für Soziale Sicherheit. Das Landwirtschaftsministerium könnte dann zum Beispiel an Tess Burton gehen, die sich als langjähriges Mitglied des Ausschusses für Landwirtschaft im Luxemburger Parlament in der Materie bereits bestens auskennt.
Gegen diese Einschätzung spricht jedoch eine weitere Aussage von Dan Kersch: „Wenn es aber um Personalentscheidungen geht, ist meine Partei immer für Überraschungen gut.“ Ganz Unrecht hat der LSAP-Rentner in spe damit nicht, ist doch auch eine Paulette Lenert aus den Untiefen der Partei die Karriereleiter in Siebenmeilenstiefeln emporgeschossen, ehe sie das LSAP-Urgestein Jean Asselborn in allen Umfragen hinter sich ließ. In den vergangenen Tagen kursierten mehrere Namen in der Presselandschaft: Bob Steichen, Gemeinderat in Ettelbrück, Tina Koch, LSAP-Bezirkspräsidentin im Norden, Ben Streff, Bezirkspräsident im Osten, Maxime Miltgen, Präsidentin der „Femmes socialistes“, oder Max Leners, LSAP-Wohnungsbauexperte ohne politisches Mandat. Namen, die durchaus (Regierungs-) Potenzial aufweisen, jedoch auf nationaler Ebene weit von dem entfernt sind, was man unter politischem Schwergewicht versteht. Ein Lenertscher Karrieresprung und die sofortige Beförderung auf einen Ministerposten kurz vor den Wahlen wäre mit einem nicht zu unterschätzenden Risiko verbunden – vor allem jetzt, wo das Staatsministerium mit der Frontfrau Paulette Lenert so greifbar nah scheint.
Doppelspitze
Und damit stellt sich die zweite entscheidende Frage, mit der sich die LSAP dieser Tage notgedrungen konfrontiert sieht. Wer soll die Doppelspitze, die auf dem kommenden LSAP-Kongress eingeführt werden soll, in die Wahlen 2023 führen? Oder besser formuliert: Wer darf neben Paulette Lenert die zweite Geige spielen? Derzeit scheint sich die LSAP für die Eroberung des Staatsministeriums nämlich ganz nach dem Leitsatz von Margaret Thatcher zu richten: „Wenn Sie in der Politik etwas gesagt haben wollen, wenden Sie sich an einen Mann. Wenn Sie etwas getan haben wollen, wenden Sie sich an eine Frau.“
Dan Kersch hat bereits angekündigt, diese Aufgabe nicht übernehmen zu wollen. Will sich die LSAP auf den „sicheren Weg“ begeben, würde wohl der ewigen LSAP-Galionsfigur Jean Asselborn diese Aufgabe zufallen. Im Politmonitor stehen beide an der Spitze der Umfragewerte, können mit Kompetenz und Sympathie überzeugen. Umfragewerte waren in der Vergangenheit jedoch kein Erfolgsgarant für die LSAP. Ob sich der ewige Erste innerhalb der LSAP mit der Rolle als Nebendarsteller abfinden würde, ist ebenfalls fraglich. Paulette Lenert hat hingegen schon gezeigt, dass sie dem LSAP-Außenminister Paroli bieten kann. Oder in den Worten der Eisernen Lady: „The Lady ist not for turning.“
Mit Kerschs und Schneiders Rückzug verbleiben auf der Regierungsbank nur noch zwei regierungserfahrene Gesichter, die außer Asselborn infrage kommen könnten: Wirtschaftsminister Franz Fayot und Innenministerin Taina Bofferding. Will man mit einer geschlechterparitätischen Doppelspitze antreten, bleibt exakt eine regierungserfahrene Konstellation neben Lenert-Asselborn: Lenert-Fayot könnte das LSAP-Traumduo fürs Wahljahr heißen. Diese These wird unterstützt durch die ruhige Art des Wirtschaftsministers, der sich nicht unbedingt vor dem Rampenlicht scheut, jedoch auch nicht geneigt ist, andere bewusst in den Schatten zu stellen. Doch können zwei ruhige und sachliche Pragmatiker gegen das Charisma eines Xavier Bettel bestehen? Könnte einer der Neuzugänge dem voraussichtlichen LSAP-Spitzenduo mehr Dynamik und mehr elektorales Sexappeal einhauchen? Auch das ist eine Frage, die im Falle einer Regierungsumbildung eine Rolle spielen könnte.
Sexappeal steht in dem Fall synonym für die „Schärfe des politischen Profils“ des möglichen Kandidaten. Das große Problem aller Parteien ist jedoch: Neben Bettel und Lenert – bedingt auch Delles und Kersch – hatte kein Minister wirklich die Möglichkeit, sich während der Pandemie zu profilieren. In dem Sinne könnte im Falle einer möglichen Nachfolge von Kersch die Personalfrage gleich doppelt wichtig werden. Doch auch für Bettel und Lenert kann sich die Pandemie nicht nur als – mangels einer besseren Formulierung – politischer Segen herausstellen. Zeigt sich die Politik bei einer erneuten Corona-Welle im Herbst ähnlich unvorbereitet wie im letzten Jahr oder stur und uneinsichtig wie bei der Aufbereitung der Cluster-Vorfälle in den Altenheimen, könnten sicher geglaubte Stimmen noch an die politische Konkurrenz überwandern.
All diese Gedankenspiele entfallen, sollten sich Dan Kersch und Romain Schneider zu einem Verbleib auf ihren Posten entscheiden. Yves Cruchten dementierte gegenüber dem Lëtzebuerger Land eine Regierungsumbildung in den Reihen der LSAP. Ob dieses Dementi den Parteikongress im November oder den Jahreswechsel übersteht, darf zumindest infrage gestellt werden. Die Einzige, die den künftigen Personalrochaden entspannt entgegenblicken kann, ist Paulette Lenert. Oder um John Edgar Hoover zu paraphrasieren: „Mir ist es egal, wer unter mir Spitzenkandidat wird.“
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Lehnert-Fayot!
Wow, die machen es nicht wie die CSV und behalten alle Greise bis sie umfallen, wenn nicht gerade ein Sohn mit demselben Nachnamen bei Hand ist?
Unerhört. 🙂
Lenert-Bofferding-Modert
Ett sinn nach genug Supermischiën hannen drun déi fir hier
Privilegien suergen wärten, mais matt seriöser Politik
dreimol neischt.