Editorial / Die Professionalisierung des Sports und ihre Grenzen
Wie viel Professionalität braucht der luxemburgische Sport? Die Antwort auf diese Frage könnte heute anders ausfallen als noch vor einigen Wochen. Grund hierfür ist natürlich die Corona-Pandemie, die den Sport weltweit in eine Krise gestürzt hat. Besonders hart trifft es den Profisport, wo Klubs um ihre Existenz bangen. In Luxemburg ist es nicht ganz so schlimm, dem Amateurstatus sei Dank. Die Vereine in Luxemburg sind keine Unternehmen wie die Profiklubs im Ausland. Einige, vor allem im Fußball, verwalten zwar Millionenbudgets, die in Post-Corona-Zeiten durchaus schrumpfen können, doch weiterexistieren werden sie dennoch. Im Gegensatz zum Profisport, der ausschließlich nach den Regeln des Marktes funktioniert, hat der Amateursport einen anderen Eckpfeiler: das Ehrenamt. Paradoxerweise ist es genau dieses Ehrenamt, das seit einer gefühlten Ewigkeit in der Krise steckt, das die Vereine nun absichert.
Seit Jahren kämpfen Vereine und Verbände darum, ausreichend freiwillige Helfer zu finden – meist ohne Erfolg. Die Regierung scheint sich des Problems bewusst zu sein, ihre Maßnahmen greifen allerdings nur begrenzt. Zwar wird seit einiger Zeit die ehrenamtliche Arbeit durch die Auszeichnung des „Bénévole de l’année“ öffentlich wertgeschätzt, neue ehrenamtliche Helfer werden dadurch allerdings nicht gewonnen. Die Reform des „congé sportif“ wird sicherlich dazu beitragen, weniger ehrenamtliche Helfer zu verlieren. Ob es allerdings dadurch gelingen wird, zusätzliche Leute zu finden, die sich ehrenamtlich im Sport engagieren werden, darf bezweifelt werden.
Die Krise des „bénévolat“ ist eng mit unserer heutigen Lebensweise verknüpft. Den meisten Menschen fehlt es an der Zeit, sich zu engagieren, beziehungsweise wollen sie in ihrer Freizeit nicht noch weitere Verpflichtungen gegenüber einem Verein haben. Die Krise des Ehrenamts ist also eine Einstellungssache. Der Politik bleibt demnach nicht viel anderes übrig, als die Verbands- und Vereinsstrukturen zu professionalisieren, zum Beispiel durch das „subside qualité +“ oder subventionierte Verbandsmitarbeiter. Diese Professionalisierung hat den Sport in Luxemburg in den vergangenen Jahren ein gutes Stück vorangebracht.
Dass die Investitionen des Staats in den Sport weiter steigen sollen, ist nicht nur begrüßenswert, sondern eine Notwendigkeit für eine gesunde Gesellschaft. Wie wird es allerdings aussehen, wenn es nicht mehr ganz so rosig um die Staatsfinanzen steht? Wird die wirtschaftliche Situation nach Corona es noch zulassen, dass der Staat das Sportbudget weiter erhöht, um den wachsenden Ansprüchen gerecht zu werden? Sogar wenn es so sein wird – was zu hoffen ist –, zeigt die Corona-Krise, dass auch eine durch den Staat finanzierte Professionalisierung des Sports an ihre Grenzen stoßen kann. Aus dem Grund muss das Ehrenamt weiterhin ein Eckpfeiler der Sportbewegung in Luxemburg sein. Ein Eckpfeiler, den es zu stützen gilt. Die Frage ist nur, wie.
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