Editorial / Die Solidarität muss anhalten: Wie Europa mit den ukrainischen Flüchtlingen umgeht
„Und was denkst du über den Ukraine-Russland-Krieg? Müssen wir Angst haben, dass uns bald die Atombomben um die Ohren fliegen?“ Als mein Bruder mir am Sonntagmorgen beim Brunch diese Frage stellt, muss ich schlucken. „Ich weiß es nicht“, antworte ich ihm bedrückt. „Ich hoffe, dass keiner auch nur im Ansatz daran denkt, den roten Knopf zu drücken. Aber wer weiß, wie Putin tickt.“ Wenig später, als ich den Schlüssel für meine Haustür zücke, vibriert mein Handy mit der Push-Nachricht: „Wladimir Putin versetzt Atomstreitkräfte in Alarmbereitschaft.“
Wir befinden uns in einer Situation, die keiner so richtig fassen kann. Wieder Krieg auf dem europäischen Kontinent, vor unserer Haustür. Krieg, angezettelt von einem Diktator, den niemand so richtig einschätzen kann. Dessen Taten unsere Demokratie so sehr bedrohen, wie ich es bisher nur aus Erzählungen von meinen Urgroßeltern und Großeltern kannte.
Hoffnung, dass zumindest irgendwo in dieser Gesellschaft, gespalten von politischen Überzeugungen und der Pandemie, geprägt von Individualismus und „My country first“, noch ein Fünkchen an Menschlichkeit steckt, geben mir die tausenden Proteste weltweit und die enorme Solidarität für die aus der Ukraine flüchtenden Menschen.
Polen, Rumänien, Moldawien, Ungarn, Deutschland, Frankreich, Österreich: Egal wohin man sich wendet, die europäischen Länder und Nachbarn der Ukraine versprechen, so viele der Flüchtenden wie nur möglich aufzunehmen. Ohne großes „Wenn“ oder „Aber“. Kein Pass? Kein Problem: Ukrainer werden auch ohne über die polnische Grenze gelassen. Nicht Covid-geimpft oder mit dem hier nicht anerkannten Impfstoff aus China oder Russland geimpft? Luxemburg nimmt dich trotzdem auf. Erleichtert wird die Situation für die Ukrainer auch dadurch, dass sie relativ komplikationsfrei quer durch Europa reisen können.
„Wir sind darauf vorbereitet, ihnen (den flüchtenden Ukrainern) zu helfen, und werden uns dieser Herausforderung schnell und effizient stellen“, sagt etwa der ungarische Premierminister Viktor Orban. In der Vergangenheit hatte er in Europa ankommende Flüchtlinge noch als „Gift“ bezeichnet.
Und das ist eben der bittere Nebengeschmack, der die aktuelle Hilfsbereitschaft begleitet. Flüchtlingen aus der Ukraine – weiß, meist christlich, aus Europa – wird gerne geholfen. Als „Nachbarschaftsdienst“. Für sie öffnen sich Türen, die für andere Flüchtlinge, die ebenfalls aus Kriegsgebieten vor Terror und Gewalt fliehen, oft doppelt und dreifach blockiert waren. Die Argumente „Wir können sie nicht alle aufnehmen“ oder „Wer weiß, was wir uns da ins Land holen“ sind öffentlich nicht zu hören.
Oder vielleicht sollte ich sagen: bisher noch nicht zu hören. Hilfsorganisationen rechnen damit, dass die Zahl der Flüchtlinge aus der Ukraine auf zwischen eine und fünf Millionen anschwellen könnte. Ihnen allen muss eine helfende Hand ausgestreckt werden. Doch inzwischen hat sich diese Hand aus Europa so oft für andere zu einer Faust entwickelt, die ihnen entgegengereckt wird, dass ich einfach nicht daran glauben kann, dass es dieses Mal anders sein wird.
Das darf nicht geschehen. Wir müssen zusammenstehen. Gegen sinnlose Gewalt. Gegen Krieg. Gegen den Schmerz, den Menschen sich über so etwas Lächerlichem wie ein Stück Boden antun. Wir müssen endlich wieder zu unserer Menschlichkeit zurückfinden und diese auch ausleben. Helfen, wo wir können. Egal, wer unsere Hilfe braucht.
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Ech faerten,
dass dei net all mat engem an der EU zougeloossen Mëttel geimpft sinn a keen QR-Code kreien..