Campus / Die Uni.lu bietet einen neuen Luxemburgisch-Studiengang an
Die Universität Luxemburg wird ab September einen neuen Bachelorstudiengang in luxemburgischer Sprachwissenschaft und Literatur anbieten. Bislang gab es nur einen Masterstudiengang. Das Tageblatt hat sich mit den Verantwortlichen über den Studiengang und die Luxemburger Sprache unterhalten.
Man kann durchaus sagen, dass die Uni das Pferd dieses Mal von hinten aufgezäumt hat. Sie hat zuerst einen Masterstudiengang und dann erst einen Bachelorstudiengang in luxemburgischer Sprachwissenschaft und Literatur eingeführt*. Für dieses Vorgehen gibt es allerdings einen sehr guten Grund, wie uns die beiden Professorinnen Jeanne Glesener und Melanie Wagener im Gespräch erklären.
Schuld ist die Regierung. Sie hat 2009 die Position des Luxemburgisch-Lehrers geschaffen. Dabei wurde den Kandidaten allerdings eine Voraussetzung abverlangt, die eigentlich niemand erfüllen konnte: Man musste einen Masterabschluss luxemburgischer Sprachwissenschaft und Literatur haben. Einen solchen Studiengang gab es zu dem damaligen Zeitpunkt aber noch nicht. Er musste erst von der Universität eingeführt werden. Weil es aber nicht möglich war, einen durchgehenden Studiengang mit entsprechendem Bachelor und Master anzubieten – dazu fehlte schlicht das Personal – entschied man sich dazu, als allererstes mit dem Masterstudiengang zu beginnen.
Europäische Kulturen
Ab September wird jetzt auch der entsprechende Luxemburgisch-Bachelor angeboten. Er ist – genau wie der Master schon – Teil des Programms der „Europäischen Kulturen“. Das Programm besteht zu einem Drittel aus allgemeinen Kursen über die europäischen Kulturen und zu zwei Dritteln aus einer Spezialisierung, die Studierende wählen können. Entweder Anglistik, Romanistik, Germanistik, Geschichte oder Philosophie, wie die beiden Professorinnen gegenüber dem Tageblatt erklären. Der neue Luxemburgisch-Studiengang ist somit die sechste Spezialisierung, die angeboten wird.
Wie ist der Bachelor aufgebaut? Glesener und Wagener erklären: Es ist ein Standard-Bachelor-Lehrgang, der auf sechs Semester bzw. drei Jahre angelegt ist. Vom ersten bis zum sechsten Semester wird das Wissen kontinuierlich aufgebaut – mit Einführungen im ersten Semester (mit luxemburgischer Geschichte, Sprachgeschichte und Kulturgeschichte). Darauf aufbauend wird der Umgang mit den Werkzeugen der Kultur- und Sprachwissenschaften vertieft. Über die luxemburgische Sprache vertiefen die Studierenden also den Umgang mit den Werkzeugen der Sprachwissenschaft allgemein. Der Lehrgang schließt mit einer Bachelorarbeit ab.
„Den Bachelor ‚Europäische Kulturen‘ gibt es schon lange an der Uni und funktioniert ganz gut“, so Glesener und Wagner über das Programm. Ein besonderer Wert wird auf die Mehrsprachigkeit und auf die Interdisziplinarität gelegt – zwei Dinge, die eine Konstante an der Universität Luxemburg zu bilden scheinen.
Eine conditio sine qua non für die Aufnahme eines solchen Studiums ist, dass die Studierenden die luxemburgische Sprache beherrschen. Gefordert wird das Niveau C1 (Sprache effizient und fließend zu benutzen). Bei dem Bachelor handelt es sich ausdrücklich nicht um einen Sprachkurs. Es geht um sehr viel mehr als die Sprache flüssig sprechen zu können. „Es geht darum, sich mit der Sprache auseinanderzusetzen, zu verstehen, wie sie funktioniert, und sie schlussendlich auch vermitteln zu können“, sagen die Verantwortlichen.
Gibt es überhaupt genug Material, um ein ganzes Studium zu füllen – genug Literatur und Forschung? Die beiden Verantwortlichen bejahen dies. Die erste inoffizielle Orthografie des Luxemburgischen geht zurück auf das Jahr 1912. Eine erste offizielle Orthografie gibt es seit 1946. Als ihre Väter gelten die Politiker Nicolas Margue und Jean Feltes (weshalb man von der Margue-Feltes-Orthografie spricht). Sie wurde per großherzoglichem Erlass festgehalten. Ab diesem Zeitpunkt erschienen Wörterbücher, auf denen heute noch aufgebaut wird. „Sprachhistorisch gesehen gibt es viele Materialien, auf die man zurückgreifen kann“, so Wagner. „Mit dem Zentrum für die Luxemburger Sprache gibt es heute eine Institution, die sich mit der Standardisierung und Kodifizierung des Luxemburgischen beschäftigt“, fügen die beiden hinzu.
Neben den literarischen und linguistischen Feinheiten spielen auch soziale Aspekte eine Rolle in dem Lehrgang: Wie sieht es aus mit der Sprachvariation? Wie benutzen die Menschen in Luxemburg unterschiedliche Formen der luxemburgischen Sprache? Solche Fragen werden im Studium erörtert.
Auf eine Besonderheit müssen die beiden Forscherinnen schon fast nicht mehr hinweisen: „Luxemburgisch ist eine Sprache, die in einer mehrsprachigen Gesellschaft verwendet wird.“ Hier fließt ein gehöriger Teil Soziolinguistik mit ein in den Studiengang. Themen sind etwa die Sprachpolitik, die Wahl der Sprache und die Einstellung der Menschen zu den unterschiedlichen Sprachen in Luxemburg.
Der Bachelorabschluss qualifiziert die Studierenden für den Masterstudiengang im Luxemburgischen. Mit diesem wiederum qualifizieren die Absolventen sich für einen Job als Luxemburgisch-Lehrer. Eine „Mussesaach“ ist das aber nicht.
* Zur Erklärung: Der Bachelor ist der niedrigste Universitätsabschluss, der in der Regel mit einem dreijährigen Studium erworben wird. Der Master ist der nächst höhere Universitätsabschluss, der in der Regel mit zwei weiteren Jahren Studium erworben werden kann.
Luxemburgisch: Sprache oder deutscher Dialekt?
Wenn man sich mit Menschen unterhält, denen das Luxemburgische nicht geläufig ist, kommt oft die Frage auf: Ist Luxemburgisch ein deutscher Dialekt? Das haben die Expertinnen dazu zu sagen! Soziolinguistisch gesehen ist Luxemburgisch eindeutig eine Sprache, weil man sich hier nicht nur an den Definitionen der Sprachstruktur orientiert, sondern auch daran, welche Bedeutung eine Sprache für die Gesellschaft hat, in der sie benutzt wird. Hier hat man schon lange festgestellt, dass die Luxemburger Sprache für die Menschen ein Identitätsmarker war und ist. Im 19. Jahrhundert haben die Leute angefangen, von ihrer Sprache zu sprechen. Das hat dazu geführt, dass – nach dem 2. Weltkrieg und nach Migrationswellen – in den 60ern und 70ern Jahren ein Druck von der Bevölkerung ausging und das Luxemburgische 1984 als Nationalsprache festgehalten wurde. Auch sprach-strukturell kann beobachtet werden, dass sich das Luxemburgische – das natürlich als deutscher Dialekt begonnen hat – aus diesem Varietäten-Gefüge herausgebildet hat und andere Wege ging als deutsche Dialekte, so die beiden Expertinnen.
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