Papstbesuch / Die Verflechtung von Kirche und Hof: Katholische Prägung der großherzoglichen Familie reicht 150 Jahre zurück
Der Besuch des Papstes am Donnerstag im Großherzogtum ist keine Staatsvisite wie jede andere. Die großherzogliche Familie und die katholische Kirche verbindet nämlich ein bis ins 19. Jahrhundert zurückreichendes Beziehungsgeflecht, das bis heute nachwirkt.
Wenn der Papst am Donnerstag nach Luxemburg kommt, geschieht das auf persönliche Einladung von Großherzog Henri. Das ist ob internationaler diplomatischer Gepflogenheiten keine Ausnahme für Staatsvisiten: Tschechiens Präsident Petr Pavel war Anfang des Jahres ebenfalls auf persönliche Einladung von Großherzog Henri nach Luxemburg gekommen. Wenn aber jetzt der Papst am Donnerstag luxemburgischen Boden betritt, ist das Oberhaupt der katholischen Kirche und der Staatschef des Vatikans in Personalunion zu Besuch. Kein Staatsbesuch wie jeder andere.
Luxemburgs großherzogliche Familie prägt nämlich ein über Jahrhunderte hinweg enges Verhältnis zur katholischen Kirche. Jüngster Auswuchs dieser Verflechtungen war die Verfassungskrise im Jahr 2008, als Großherzog Henri sich aufgrund von Gewissensbissen weigerte, ein vom Parlament verabschiedetes Gesetz zur aktiven Sterbehilfe zu unterzeichnen. Am Tag der Abstimmung wurde der Luxemburger Gesandte beim Vatikan einbestellt, um Druck auf Luxemburgs Abgeordnete auszuüben und dem Staatsoberhaupt den Rücken zu stärken, wie das Lëtzebuerger Land damals berichtete.
Akt des reinen Gewissens
Was in Luxemburg größtenteils auf Unverständnis stieß und letztlich in der kompletten Entmachtung des Großherzogs mündete, wurde im Vatikan wohlwollend aufgenommen. Kardinal Renato Raffaele Martino bezeichnete Großherzog Henri als überzeugten Katholiken, der sich weigerte, ein „Gesetz gegen das Leben“ zu unterzeichnen. In katholischen Kreisen wurde die Weigerung von Großherzog Henri als Akt eines Märtyrers wahrgenommen, ein knappes Jahr später erhielt Henri den Van-Thuan-Menschenrechtspreis des Vatikans, anlässlich dessen der Großherzog meinte, dass er in dem Fall „seiner eigenen Wahrheit treu geblieben“ sei.
Dieser Akt der politischen Eigenkastration – die anschließende Entmachtung durch eine Verfassungsänderung unterschrieb Großherzog Henri – lässt sich jedoch nur im Kontext der über viele Jahrzehnte hinweg reichenden Beziehungen zwischen der großherzoglichen Familie und dem Vatikan verstehen. Wie der Historiker Jacques Maas im Gespräch mit dem Tageblatt erklärt, reichen die überaus engen Beziehungen der großherzoglichen Familie und deren Vorfahren zur katholischen Kirche und zur päpstlichen Kurie in Rom ins 19. Jahrhundert zurück und bedürfen noch einer umfassenden historischen Aufarbeitung.
Adelheid von Löwenstein, die Großmutter von Großherzogin Charlotte, galt ebenso wie ihr Bruder Fürst Karl IV. zu Löwenstein-Wertheim-Rosenberg als sehr fromme Person. Fürst Karl IV. war der Vorsitzende des „Zentralkomitees der katholischen Vereine Deutschlands“, Mitbegründer der CDU-Vorgängerpartei „Zentrum“ und nahm unter anderem zwei Bischöfe bei sich auf, die während des deutschen Kulturkampfes Deutschland verlassen mussten. Wie seine Schwester, die als Witwe in ein Benediktinerkloster eintrat, entschloss er sich nach dem Tod seiner zweiten Frau, in einen Dominikanerorden einzutreten. Die überaus klerikale Ausrichtung des großherzoglichen Hofes unter Regentin Marie-Anna (1908-1912) und deren Tochter, Großherzogin Marie-Adelheid (1912-1919), findet hier ihren Ursprung.
Päpstliche Dispens und zwei Hochzeiten
Die Beziehungen der großherzoglichen Familie zur katholischen Kirche intensivieren sich jedoch noch einmal mit Großherzogin Charlotte. Sie besteigt am 15. Januar 1919 nach der Abdankung ihrer Schwester Marie-Adelheid (benannt nach ihrer Großmutter) den Luxemburger Thron. Ihre Amtszeit war jedoch gleich zu Beginn von politischer Unsicherheit geprägt. Das luxemburgische Parlament entschied, nicht nur Großherzogin Charlotte, sondern die gesamte regierende Luxemburger Dynastie und die Staatsform der Monarchie der luxemburgischen Bevölkerung per Referendum zur Abstimmung vorzulegen.
Nachdem Charlotte durch das Referendum als Monarchin bestätigt wurde, kam es dann auch zur Hochzeit mit ihrem Cousin Prinz Felix von Bourbon-Parma, für die durch die bestehende Familienbande eine Dispens von Papst Benedikt XV. erforderlich war. So zumindest die offizielle Version. Denn: Recherchen des Historikers Georges Hellinghausen (Hémecht, H.1, 2007) belegen, dass Großherzogin Charlotte wohl zweimal geheiratet hat. Die erste Hochzeit wurde per Prokura auf Schloss Wartegg in der Schweiz am 24. März 1919 vollzogen. Das, weil Prinz Felix dadurch, dass er im Ersten Weltkrieg aufseiten der Mittelmächte gekämpft hatte, die Einreise nach Luxemburg verwehrt wurde und Großherzogin Charlotte aufgrund der politischen Umstände Luxemburg nicht verlassen wollte. Die Zeremonie, bei der Marie-Adelheid ihre Schwester vertrat, wurde von dem Geistlichen Cölestin Schwaighofer vollzogen, dem gute Beziehungen vom bayrischen und österreichischen Adel bis hin zum Papst nachgesagt wurden. Die zweite, öffentlich gefeierte und zur Konsolidierung der Luxemburger Monarchie dienende Hochzeit wurde vom päpstlichen Abgesandten Sebastian Nicotra gehalten. Inwiefern zwei Hochzeiten mit dem gleichen Partner unter theologischen Gesichtspunkten vereinbar sind, ist laut Jacques Maas bis heute nicht abschließend geklärt.
Der Historiker Hellinghausen umschreibt die Episode, die aufzeigt, wie eng die Verbindungen zwischen Vatikan und Luxemburg waren, folgendermaßen: „Auch muss Schwaighofer, laut eigenen Angaben, späterhin die Luxemburger Hochzeit bei Papst Benedikt XV. erwähnt haben. Benedikt habe mit einer typisch italienischen, etwas lässigen Redewendung in etwa geantwortet: „Ma si, c’era certo li una cerimonia (Nun ja, es war halt dort eine Zeremonie)“ – wohl um zu sagen: mehr aber auch nicht! Denn die eigentliche, sakramental-gültige und (kirchen-) gesetzlich Ausschlag gebende Trauung hatte ja siebeneinhalb Monate zuvor längst stattgefunden. Derselbe Benedikt XV. wurde, wie bekannt, 1920 von Prinz Felix gebeten, die Taufpatenschaft über den erstgeborenen Sohn, den späteren Großherzog Jean, zu übernehmen, worin der Papst auch einwilligte.“
Päpstliche Legitimierung
Die Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und der Luxemburger Monarchie beschränken sich jedoch nicht nur auf kirchliche Angelegenheiten. Der politisch höchst aktive Papst Benedikt XV. war einer der ersten Würdenträger weltweit, die die Thronbesteigung von Großherzogin Charlotte anerkannten, womit er wesentlich zur Legitimität der neuen Großherzogin Charlotte und der durch ihre Vorgängerin Marie-Adelheid gebeutelten Luxemburger Dynastie beitrug. Charlotte, das bis dato letzte Staatsoberhaupt, das die päpstliche Auszeichnung der Goldenen Rose erhalten hat. Eine Ehre, die ihr 1956 durch Papst Pius XII. zuteilwurde.
Die engen Verbindungen zwischen katholischer Kirche und großherzoglicher Familie können über die Gewissenskrise des Großherzogs im Jahr 2008 hinaus noch nachvollzogen werden. So etwa im Bildungsweg der großherzoglichen Kinder: Prinz Felix etwa studierte am Päpstlichen Athenaeum Regina Apostolorum in Rom, während Prinz Sébastien das Ampleforth College, ein von Benediktinermönchen gegründetes Kloster in England, besuchte.
Die Entflechtung von Kirche und Staat ist in Luxemburg seit 2018 rechtskräftig. Das bedeutet jedoch nicht, dass somit auch alle Beziehungen zwischen Staatschef und katholischer Kirche gekappt wurden. Der Einfluss der katholischen Kirche ist in Luxemburg noch stets präsent – auch wenn er durch eine fortschreitende Modernisierung und einen gesamtgesellschaftlich schwindenden Einfluss nicht mehr unbedingt die Ausmaße wie im 19. und 20. Jahrhundert besitzt.
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