Nora Back im Gespräch / „Die Wahl war der einfache Teil“
Jung, weiblich, sympathisch, so der erste Eindruck, den die neue OGBL-Präsidentin Nora Back vermittelt. Doch wie funktioniert die 40-Jährige, die durch den langen und erfolgreichen Streik vor zwei Jahren im Pflegesektor einem breiten Publikum bekannt wurde? Wir sprachen während des Kongresses mit der ersten Präsidentin der größten Gewerkschaft des Landes.
Sie ist in Esch aufgewachsen, ihre Familie zog zwar irgendwann nach Düdelingen um, als sie noch ein Kind war. Sie besuchte aber weiter Escher Schulen, auch das „Meedercherslycée“ und entschied sich damals für die C-Sektion. Damals schon habe es sie immer stark interessiert, was die Menschen so umtreibt und wie ihr Verhalten zu erklären ist und so entschied sie sich für ein Studium der Psychologie in Brüssel. Doch Therapeutin wollte sie eigentlich nicht werden, ihre Zukunft sah sie nicht in einer psychologischen Praxis, deshalb spezialisierte sie sich und belegte eine Ausbildung in Arbeitspsychologie. Während des Studiums lernte sie ihren Partner Gilles kennen, einen Architekten, mit dem sie vor fünf Jahren ihre Tochter Mara bekam. Sie erinnert sich, dass sie während des letzten Kongresses des OGBL, kurz nach der Geburt, regelmäßig aus dem Saal gerufen wurde, um die Kleine zu stillen.
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sei für sie denn auch nie ein Problem gewesen, auch während der letzten Jahre habe sie oft Abende in Sitzungen verbracht; da werde sich wohl nicht all zu viel ändern, bemerkt die Gewerkschaftlerin mit einer gewissen Gelassenheit.
Nachdem sie einige Zeit in einer Bank in Brüssel ihre Studienkompetenzen anwenden konnte („eigentlich wollte ich damals in Brüssel bleiben“), zog es sie dann doch nach Luxemburg zurück. Als André Roeltgen aus der Abteilung Gesundheit und Pflege in die Zentrale wechselte und Generalsekretär des OGBL wurde, war der Posten in dem Bereich freigeworden und sie wurde engagiert. „Im Büro von John Castegnaro, mit dem ich allerdings nicht mehr zusammengearbeitet habe“, erinnert sie sich. Das Einarbeiten im Gesundheitsbereich geschah in enger Zusammenarbeit mit André Roeltgen, das Verhältnis mit ihrem Vorgänger ist seitdem hervorragend.
CSL: „Das Beste, das mir passieren konnte“
„Eigentlich war es ja nicht so geplant“, antwortet Back auf die Frage, ob das doppelte Mandat als Präsidentin der Arbeitnehmerkammer (CSL) und des OGBL nicht zu viel aufreibend und anstrengend sei. Sie übernahm die CSL-Präsidentschaft von Jean-Claude Reding, nachdem André Roeltgen bei den letzten Sozialwahlen ein unerwartet schwaches persönliches Resultat verbuchen musste und nicht wie vorgesehen die Präsidentschaft der „Chambre des salariés“ übernahm.
„Ich kannte die CSL und ihre Funktionsweise praktisch überhaupt nicht und wurde bei dieser Aufgabe von null auf hundert beschleunigt. Dies war zurückblickend das Beste, was mir passieren konnte. Schnell bekam ich die nötige Sicherheit und das Selbstvertrauen auch für die repräsentativen Aspekte des Amtes. Ich merkte schnell, dass ich das kann.“ Daneben sitze sie inhaltlich bei der CSL an der Quelle. Viele sozialpolitische Dossiers lernte sie in kurzer Zeit kennen; die Experten der Kammer liefern permanent gute Analysen. Sie sei froh darüber, dass Jean-Claude Reding bereit war, ihr als Vizepräsident weiter zur Seite zu stehen, und findet viel Lob für die Mitarbeiter, besonders für Direktor Sylvain Hoffmann, der mit seiner ruhigen Art viel Aufregung aus der Arbeit nehme.
Ihre Priorität bleibe allerdings der OGBL, der ihre politische Heimat und Familie sei. Diese Erbschaft gehe sie mit großem Respekt an, so Nora Back, die anders als noch etwa LSAP-Mitglied John Castegnaro keine Parteikarte besitzt und auch nicht vorhat, sich parteipolitisch zu binden.
Die Arbeit der Regierung sieht sie denn auch differenziert. Mal laufe es im Sinne einer fortschrittlichen Gesellschaft besser, mal schlechter. Das Engagement von Kersch etwa in der aktuellen Auseinandersetzung mit den Arbeitgebern sieht sie als verantwortungsvoll und positiv. Dass die Familienzulagen trotz Abkommen immer noch nicht an die Preis- und Lohnentwicklung angepasst sind, bewertet sie als katastrophales Manko.
„Ich bleibe ich selbst“
Nora Back geht nicht davon aus, dass die neuen Aufgaben, die sie zu einer der wichtigsten politischen Persönlichkeiten des Landes machten, sie wesentlich verändern werden. „Ich will etwas bewirken, mein Engagement bleibt“, erklärt sie. Ob sie dies in einem Bereich tue oder national, ändere eigentlich nicht viel. Sie sehe sich als Teil eines starken Teams, unterstützt von den Hauptamtlichen, den Delegierten, den Militanten und Mitgliedern des OGBL, auch wenn sie sich bewusst sei, dass die Wahl am 6. Dezember der einfache Teil gewesen sei. Jetzt beginne die wirkliche Arbeit. Und diese würde in naher Zukunft zweifellos durch die Klimafrage, aber besonders durch notwendige arbeitsrechtliche Reformen geprägt werden. Andere Themen wie etwa die Wohnungsfrage sieht sie daneben als prioritär.
Dass mit der streikerprobten Frau an der Spitze des OGBL nun eine härtere Gangart gegenüber den gewerkschaftspolitischen Gegnern zu erwarten wäre, sieht sie nicht unbedingt so. „Unser erstes Instrument bleibt die Diskussion, der Dialog“, so Back. „Wir probieren immer erst den guten Weg.“ Allerdings fürchte sich die Gewerkschaft nicht davor, stärker zu reagieren, wenn es denn sein müsse. „Wann et muss sinn, da sti mer do“; sollte das Patronat aggressiver auftreten wollen, so werde der OGBL sich nicht verstecken.
Und dass die Gegenwehr einfacher und effizienter wäre, wenn das seit Jahrzehnten formulierte und auch während des aktuellen Kongresses programmatisch festgeschriebene Ziel einer Einheitsgewerkschaft Realität würde, daran hält auch die Neue an der Spitze der Gewerkschaft fest. Mit dem Integrationsabkommen mit dem Landesverband sei man diesem Ziel etwas näher gekommen und auch die gemeinsame Kundgebung mit LCGB und CGFP gegen das aktuelle Gebahren der UEL sieht Back positiv. Es sei allerdings leider nicht absehbar, dass der LCGB sich zurzeit mit dem Ziel einer einzigen Gewerkschaft anfreunde. Immerhin sei LCGB-Präsident Patrick Dury jetzt Vizepräsident der CSL; vielleicht könne irgendwann die offensichtliche Verschwendung von Zeit und Ressourcen auf Arbeitnehmerseite ein Ende finden.
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