Editorial / Die Widersacher: Ein Leitartikel für Luxemburgs Journalisten
Es ist früh, es ist kalt und dazu es ist auch noch Samstag. Aber so einen Termin lässt sich einer wie Xavier Bettel nicht entgehen. Also rappelt sich der Premierminister auf. Er zieht seinen dicken Wintermantel an, seinen Schal natürlich und seine Luxemburg-Maske. Dann fährt er zu einem Ort, von dem keiner wissen darf, wo er ist: der zukünftigen Lagerstätte des Covid-19-Impfstoffs in Luxemburg.
Um 8 Uhr kommt dort ein Kühltransporter eines polnischen Frachtunternehmens an. Die aufgehende Wintersonne bemalt den Himmel mit einem dezenten Rosa. Langsam manövriert der Fahrer den Laster an die Rampe. Dort wartet der Premierminister bereits. Die Kamera des Regierungsfotografen klickt. Der Impfstoff ist in Luxemburg angekommen. Das Foto, das zusammen mit anderen Bildern der Aktion acht Stunden später über den Presseverteiler der Regierung gesendet wird, will uns sagen: Xavier Bettel hat dem Lieferanten quasi persönlich den Empfang quittiert.
Die zweite Szene der Impfmittelankunft spielt sich im Inneren der sagenumwobenen Lagerhalle ab. Bettel steht vor einem von drei riesigen Kühlschränken und lässt sich zeigefingerzeigend von einem Fachmann etwas erklären. Die Kühlgeräte sind nötig, weil der Pfizer-Impfstoff bei minus 70 Grad gelagert werden muss. Mindestens einer der Kästen ist nicht auf diese Temperatur geschaltet, weil offenbar erst einmal nur zwei kleine Kisten Impfmittel geliefert wurden. Dafür prangen aber auf allen Kühlgeräten jeweils Aufkleber mit einem riesigen „Made in Luxembourg“-Logo.
Was sich am vergangenen Samstag irgendwo in Luxemburg abgespielt hat, ist gemeinhin das, was man Symbolpolitik oder Inszenierung nennt. „Der Anfang vom Ende“, „Das Licht am Ende des Tunnels“ – unser sich sorgender Premierminister hat’s gemanagt und war dabei. Und wenn wir das Impfmittel schon nicht selbst erfunden haben: Der Kühlschrank, in dem es liegt, ist ein Produkt unserer fleißigen, innovativen und von der Regierung geförderten Privatwirtschaft.
Das vergangene Jahr war für die Regierenden dieses Landes wahrlich kein einfaches. Ach, was haben sich die Medien an ihnen abgearbeitet. Egal, was die Hauptprotagonisten Lenert, Bettel und Meisch in Sachen Pandemie entschieden haben: Irgendein Journalist hatte immer etwas zu meckern.
Inszenierung gehört in einer pluralistischen Gesellschaft, die unter Hochdruck kommuniziert, zur Politik dazu. Aber lasst uns nicht vergessen: die Kritik daran auch, Pandemie oder nicht. Man überlege sich einmal, welche Nachrichten Luxemburgs Bürger 2020 ohne die freie Presse erreicht hätten. Das Impfmittel ist da: ein Erfolg. Das Large Scale Testing: ein Erfolg. Die Teststrategie: so gigantisch und gut wie in keinem anderen Land. Die Corona-Strategie: kohärent, ausgewogen und durchdacht. Die Reaktion auf die Herbstwelle: genau zum richtigen Zeitpunkt. Schule trotz Corona: ein durchschlagender, allumfassender, fehlerfreier Erfolg. Und wenn einmal etwas nicht supererfolgreich war, ja, dann waren die Bürger schuld, die sich nicht an die Regeln halten wollten. „Ist das so schwer zu verstehen?!“, fauchte Bettel bei einer Pressekonferenz einen französischsprachigen Journalisten an. Ja, Herr Premierminister, das ist es manchmal.
Die Luxemburger Medien haben 2020 ihren Job gemacht. Und der war beileibe nicht einfach. Der letzte Tageblatt-Leitartikel in diesem Jahr der Unsicherheit, der Angst, der Isolation und des Dauerstresses ist deshalb den Journalisten dieses Landes gewidmet. All jenen Kollegen, die alles unternommen haben, Tricks zu durchschauen, nachzufragen und die zu Wort kommen zu lassen, die keine so laute Stimme haben. All jenen Widersachern, die sich bei ihrer Suche nach der Wahrheit nicht haben abhalten lassen von ignorierten Presseanfragen, ausweichenden Antworten, brüllenden Premierministern – und politischen Inszenierungen.
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Sehr gut ! Genauso ist es.👍
Hat die freie Presse ihre Rolle der Kritik, des Hinterfragen 2020 wirklich voll ausgespielt oder war sie nur der verlängerte Arm eines politischen Gebildes das sie dank Subventionen an der langen Leine agieren ließ ? Ich habe einige sehr gute , kritische Artikel des Tageblattes über Berg-Karabach, die Pandemie in Erinnerung.Vermisse allerdings auch sehr viele Kritik , Hintergrundaufklärung brisanter politischer Themen . Ob nun das Agieren der Türkei in der Ägäis, Lybien,… die Länder die in Krisengebieten wie Berg-Karabach im Hintergrund ihre Interessen ( die Rolle von Herrn Putin oft im Fokus steht, Israel, Türkei fast nie genannt werden)vertreten…….der Klimaschutz ,deren Bewegung oft genannt , doch die Digitalisierung als CO2 Schleuder ( fast zweimal höher als der weltweite Flugverkehr, mit Aussicht in der Zukunft mit der fossilen Energie gleichzuziehen ) totgeschwiegen über unsere Innenpolitik, Aussenpolitik …Mit viel PR und Propaganda wird der Impfstoff in den Medien hochgelobt, ich bin kein Impfgegner, doch stelle ich mir Fragen. Was sind die Langzeitwirkungen?( Wir kennen nur direkte Nebenwirkungen, die die bei Impfstoffen in sechs, zwölf Monaten auftauchen noch unbekannt) .Gab es Tote bei den Impfungen?( In der Schweiz , trotz Geheimhaltung,wurde in den letzten Tage ein Fall bekannt)Hat unsere Regierung ihre Impfstoffhausaufgaben gemacht?( In verschiedenen Ländern stand mehr Impfstoff zur Verfügung, wurde früher geimpft. Wurde nicht auf eine billigere Variante des Impfstoffes gehofft, vorbestellt?
Durch die Steuereinnahmen aus der, bei verschiedenen Kommentatoren ungeliebten Privatwirtschaft, wird unser Staatsapparat finanziert, also sollte man sich über innovative Technik made in Luxemburg freuen die ihren Teil dazu beiträgt unser Land am Laufen zuhalten.
jo, esou ass êt
êt huet een awer dach nach dat Gefill dat ee wéi ee klengt Spillschoulskand, mam Fanger am Mond do steet
max
Ob unsere Regierung ihre Hausaufgabe gemacht hat, sei dahingestellt, die Tageblatt Journalisten haben sie jedenfalls mehr als zufriedenstellend gemacht. Komplimente und vielen Dank! Kritizieren kann man immer, auf bestehende Missstände hinweisen und Verbesserungsvorschläge machen, ist ein anderes Paar Schuhe. Und so gesehen, hat das Tageblatt eine hervorragende Arbeit geleistet. Natürlich wird es immer Kommentatoren geben, Besserwisser, Kritikaster, Möchtegernjournalisten, die an allem etwas auszusetzen haben und davon überzeugt sind die Wahrheit gepachtet zu haben.
@ J. Scholer. Die Presse kann nicht über jeden Reissack der in Peking umfällt berichten. Wir waren noch nie so schnell und gut informiert wie heute. Und wir sind mit einem Verstand ausgestattet um zu unterscheiden welche Nachrichten aus welcher Ecke glaubwürdig sind oder nicht. Über grosse philosophische Fragen oder historische Hintergründe, an denen ich eh nichts ändern kann, kann ich mich in der entsprechenden Fachliteratur oder im Internet schlau machen. Dazu bedarf es keines Oberlehrers der Nation.