Interview mit Minister Lex Delles / „Die Wirtschaft steht im Dienst des Landes und der Menschen, die hier leben“
Knapp sechs Wochen im Amt als zuständiger Minister, stellt sich Lex Delles trotz der jüngsten Statec-Negativnachrichten gut gelaunt den Interviewfragen. Dass die äußeren, also internationalen, Bedingungen für die Wirtschaft nicht einfacher geworden sind, weiß er.
Das Statec spricht in seiner jüngsten Konjunkturprognose von einer „technischen Rezession“. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen zurückgegangen, auch im Jahresvergleich schrumpft die Wirtschaftsleistung des Großherzogtums. Luxemburg stehe schlechter da als der restliche Euroraum, heißt es. Besonders betroffen sind der Finanzplatz und die Baubranche. Die Regierung hat Maßnahmen angekündigt, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln.
Tageblatt: Herr Delles, sind Sie als Minister für Wirtschaft, Energie, Mittelstand und Tourismus eine Art Superminister?
Lex Delles: Ich würde das Wort „Superminister“ nicht benutzen. Aber in der Tat ist es ein Ministerium, in dem viel Verantwortung für das Wohl der Menschen hierzulande liegt und in dem es darum geht, die luxemburgische Wirtschaft so aufzustellen, dass sie auch in Zukunft kompetitiv bleibt. Für die Menschen und für die Betriebe.
Wie wollen Sie das Land fitter für den internationalen Wettbewerb und Luxemburg als Wirtschaftsstandort attraktiver machen? Wie würden Sie die Hauptprinzipien Ihrer wirtschaftspolitischen Ziele benennen?
Die Wirtschaft hat das Ziel, Arbeitsplätze zu garantieren. Sie steht im Dienst des Landes und der Menschen, die hier leben, um gut leben zu können. Das zu garantieren, reicht von der Besteuerung bis hin zu den Terrains für die Gewerbegebiete. Gerade hier müssen wir schnellstmöglich vorankommen. Denn wir haben einen Mangel an Gewerbeflächen. Daher müssen wir neue Flächen erschließen, damit die bestehenden Betriebe wachsen und neue entstehen können. Das gelingt uns, indem wir neue Gebiete entsprechend den im „plan sectoriel“ der Aktivitätszonen vorgesehenen Flächen erschließen. Ein weiterer Faktor, auf den wir setzen, ist die Künstliche Intelligenz (KI), eine Art neue industrielle Revolution. Wir dürfen den Zug der KI nicht verschlafen, deshalb ist es wichtig, die Kapazitäten der Rechenzentren auszubauen. Außerdem stehen die Zeichen auf Kreislaufwirtschaft. Und nicht zu vergessen sind die erneuerbaren Energien – hierbei haben wir ambitiöse Ziele.
Wie können in der Künstlichen Intelligenz neue Betriebe nach Luxemburg gelockt werden?
Wir müssen ihnen einen klaren Rahmen setzen und die nötige „prévisibilité“ schaffen. Deshalb muss für die Unternehmen ein geeignetes Umfeld geschaffen werden. Es gilt, ein zusammenhängendes Ökosystem zu schaffen. Luxemburg hat sich zum Beispiel im Bereich der Weltraumaktivitäten positioniert. Das heißt nicht, dass auf Cloche d’Or eine Art Cape Canaveral entsteht, um Raketen ins Weltall zu schießen. Aber es handelt sich auch um einen Teil der Diversifizierung der Wirtschaft. Wir haben in Luxemburg etwa 80 Betriebe in diesem Sektor, in dem wir übrigens seit den 80er-Jahren aktiv sind. Größtenteils wurde mit der Erdobservation begonnen. Darüber hinaus brauchen wir Supercomputer und Rechenzentren. „Space“ bedeutet nicht etwa „Star Wars“, sondern ist viel konkreter. Der Bereich betrifft unseren Alltag, zum Beispiel die Apps von Handys.
Wo sehen Sie noch weitere Möglichkeiten für die Diversifizierung?
Wir sind allgemein breit aufgestellt mit Clustern, die wir weiter ausbauen wollen, zum Beispiel in Health Tech, Logistik und Transport. Auch die Dekarbonisierung, das heißt die Reduzierung von Kohlendioxidemissionen, ist ein wichtiges Zukunftsfeld für neue Technologien,. Hier werden Betriebe einerseits ihre Produktion dekarbonisieren und zugleich der Gesellschaft dabei helfen, sich zu dekarbonisieren. Wir stehen ganz klar zum Nationalen Energie- und Klimaplan Luxemburgs (PNEC).
Seit langem herrscht in verschiedenen Sektoren der Wirtschaft Fachkräftemangel. Wie wollen Sie dem beikommen?
Im Bereich der „Talent Attraction“ spricht man nicht nur von den IT-Experten aus einem anderen Teil der Welt, sondern auch von Handwerkern und Leuten aus dem Hotel- und Gaststättengewerbe (Horeca). Wir haben hier eine ganz große Bandbreite, die wir ausbilden, aber wir müssen sie auch hier halten und neue anziehen. Dann müssen wir uns zum Beispiel fragen, warum manche Luxemburger, die sich etwa im Gesundheitssektor im Ausland ausbilden lassen, nicht wieder zurückkommen. Manche bleiben während ihres Studiums dort so eingebunden, dass sie im Ausland bleiben.
Das ist nicht das oberste Prinzip der Wirtschaft, aber ich stehe zum Wachstum. Dafür schäme ich mich nicht. Nennen Sie mir mal ein Wirtschaftsmodell, das ohne Wachstum auskommt. Eine Frage ist vielmehr, um welches Wachstum es sich handeln soll.
Gibt es dafür eine bestimmte Strategie?
Die Leute anzulocken, ist das eine, doch es gilt auch, die Fachkräfte zu halten. Dies gelingt dadurch, ihnen die Vorteile in der Fiskalität, beim Arbeitsumfeld und des sozialen Systems schmackhaft zu machen.
Unterliegt die Wirtschaft dem Primat des Wachstums?
Das ist nicht das oberste Prinzip der Wirtschaft, aber ich stehe zum Wachstum. Dafür schäme ich mich nicht. Nennen Sie mir mal ein Wirtschaftsmodell, das ohne Wachstum auskommt. Eine Frage ist vielmehr, um welches Wachstum es sich handeln soll. Wir brauchen ein nachhaltiges Wachstum, ökologisch wie auch sozial. Die Dekarbonisierung zum Beispiel ist ja nichts Negatives, sondern eine große Chance.
Dieses Modell ist in all seinen Facetten zu erhalten. Das Sozialmodell zieht Menschen nach Luxemburg und garantiert soziale Errungenschaften. Es ist ein Standortfaktor.
Was soll noch mehr für Existenzgründer getan werden?
Während der Covid-Krise wurde versicht, Angestellte und Selbstständige gegeneinander auszuspielen. Die Wirtschaft ist aber eine Gesamtheit. Es ist eine Symbiose und bedeutet nicht der „eine gegen den anderen“. Im Rahmen der Beihilfe für Existenzgründer bekommt ein Selbstständiger während sechs Monaten eine Starthilfe von 2.000 Euro. Außerdem wäre da die Frage der zweiten Chance: Wir haben letztes Jahr Gesetze angepasst, dass man diese bekommt. Hinzu kommt das Gesetz über die Insolvenzen und den Statut des Selbstständigen: dass er neben Verpflichtungen auch Garantien hat.
Die Wirtschaftsminister der vergangenen fast 20 Jahre waren LSAP-Politiker. Wo sehen Sie Unterschiede, wo eine gewisse Kontinuität?
Ich will nicht über meine Vorgänger urteilen, die sicherlich ihre Verdienste hatten. Mir geht es darum, wie meine Politik nach fünf Jahren bewertetet wird.
Wie stehen Sie zum luxemburgischen Sozialmodell?
Dieses Modell ist in all seinen Facetten zu erhalten. Das Sozialmodell zieht Menschen nach Luxemburg und garantiert soziale Errungenschaften. Es ist ein Standortfaktor.
Welche Rolle wird in der Wirtschaftspolitik künftig der Klima- bzw. Umweltschutz spielen?
Ich stehe, wie gesagt, ganz klar zum PNEC. Es gilt, von den fossilen Energien loszukommen. Das sind unsere Ziele. Wir müssen die Betriebe auch in dieser Hinsicht begleiten. Etwa mit der Forschung.
Der Premierminister hat stets die Bedeutung und den Ausbau der erneuerbaren Energien betont. Wie wird dieser Ausbau aussehen?
Die luxemburgische Produktion erneuerbarer Energien muss sich in den nächsten Jahren verdreifachen. Windenergie und Fotovoltaik spielen hierbei eine wichtige Rolle. Der öffentliche Sektor muss dabei Vorreiter sein und die Privathaushalte müssen begleitet werden. Wir wollen hierbei etwa den „Tiers payant“ einführen. Das bedeutet, dass Privatpersonen staatliche Zuschüsse nicht mehr vorfinanzieren müssen. Wenn zum Beispiel jemand sich eine Fotovoltaikanlage für 20.000 Euro anschaffen möchte, dann kriegt er 62,5 Prozent, was 12.500 Euro an Subsidien bedeutet. Diese Person muss das Geld dann nicht vorschießen. Es ist allerdings wichtig, dass der Staat den Betrieben die Zuschüsse schnell ausbezahlt.
Ist im Tourismus, ein Ressort, das Sie schon unter der letzten Regierung innehatten, vor allem Kontinuität zu erwarten?
Kontinuität heißt nicht, sich zurückzulehnen. Wir haben in den letzten Jahren zwei große Strategien entwickelt. „Menschen, Regionen, Wirtschaft“ im Bereich Freizeittourismus und „Business Events 2030“ im Bereich Businesstourismus. Der Tourismus ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Dazu gehören unter anderem Leisure-Tourismus, Aktivtourismus, aber auch Gedenktourismus. Nicht zuletzt gilt es, die Verbindung von Kultur und Tourismus noch enger zu machen. Ich bin davon überzeugt, dass dies mit dem beigeordneten Minister für Tourismus, Eric Thill, gelingen wird.
Die Anfänge der neuen Regierung sind nicht zuletzt von einem Streik geprägt. Ein schlechtes Omen?
Ich habe mehr Versammlungen mit Gewerkschaften und mit Arbeitsminister Georges Mischo als mit dem Patronat gehabt. Wir dürften nicht vergessen, dass wir uns in einer technischen Rezession befinden. Das hat verschiedene Gründe: vom hohen Leitzins und der Inflation bis hin zur politischen Großwetterlage. Es ist selten, dass ein neuer Minister sofort mit solchen Herausforderungen startet. Wichtig ist, dass man sieht, dass der Sozialdialog funktioniert. Auch er ist ein wichtiger Standortfaktor, der nicht zu quantifizieren ist. In der ganzen Welt ist das politische Umfeld zurzeit schwierig. Die Prognosen des Statec besagen allerdings, dass wir nächstes Jahr langsam wieder aus dem Tal herauskommen. Wir bekommen nächstes Jahr sicher kein enormes, aber zumindest wieder ein langsames Wirtschaftswachstum. Darauf müssen wir aufbauen.
Zur Person
Der 1984 geborene Lex Delles wuchs in Mondorf auf. Nach seinem Abitur begann er ein Jurastudium an der Uni Luxemburg, danach ein Studium der Erziehungswissenschaften an der Haute Ecole Robert Schuman in Virton. Danach war er Grundschullehrer in Lenningen. Seit 2010 engagierte er sich bei den Jungen Liberalen. 2011 kandidierte er erstmals bei den Kommunalwahlen und wurde in den Mondorfer Gemeinderat gewählt. 2013 wurde der DP-Politiker erstmals in die Chamber gewählt und im Jahr darauf als Nachfolger von Maggy Nagel Bürgermeister seiner Heimatgemeinde, mit 29 Jahren der jüngste des Landes. Im Oktober 2018 wurde Delles unter Premierminister Xavier Bettel Minister für Mittelstand und Tourismus, seit Kurzem ist er Minister für Wirtschaft, kleine und mittlere Unternehmen sowie für Energie und Tourismus.
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Waat soll een “ Schoulmeeschter“ an der Wirtschaft zou staane
bréngen, hien wir besser am Resort Enseignement placéiert,
bis ëlo wor ëtt wärend der Gambia-Connection nëtt ganz
besonnesch, weider ësou virun wurschtelen.
Fachkräftemangel: Im Bereich der „Talent Attraction“ spricht man nicht nur von den IT-Experten.
A propos Fachkräftemangel im IT-Bereich.
Lese immer wieder in den „Blättern“ und Onlineseiten von zahlreichen Stellenangeboten, in dem öffentlichen Sektor sowie dem Privatem. Leider ist keiner dieser Anbieter gewillt frischgebackenen Bachelor und Master eine Möglichkeit zur Weiterentwicklung zu geben. Es tut uns Leid, wir brauchen jemanden mit mindestens 3-5 Jahren Erfahrung.
Später hört man dann, auf Nachfrage, wir haben uns in Frankreich oder sogar Indien bedient, ausserdem entsprachen die Bewerber eher unseren finanziellen Vorstellungen, danke trotzdem.
„Diese Person muss das Geld dann nicht vorschießen.“
Dann macht schnell, habe schon vorbestellt, leider sagt die Bank, wäre zu alt und nicht liquide genug um noch solche Kredite zu bekommen.
Der Installateur wird hoffentlich nicht sooo böse sein, wenn ….
Di Aussoen vum Häer Delles sinn total konfus a soen zum gréissten Déel guer näicht aus. . . et liest een aus dem Interview eraus, datt de Schoulméechter (zu Virton studéiert!) vun der nationaler Wirtschaft an hirem Fonktionnement absolut kéng Ahnung huet
@Serge Zeimes / Dat sees de gutt