Krawall-Touristen / Diese französischen Anarchisten mischen in Luxemburg mit
Die Beweggründe der Corona-Demonstranten sind vielseitig: Die einen sind gegen das Vordringen des Staats in die persönliche Gesundheit, andere wollen sich gegen potenzielle Übergriffe wehren, die von diversen wirren Verschwörungstheorien prophezeit werden. Und noch andere scheinen nur da zu sein, um Krawall zu machen und sich an den Unruhen zu ergötzen. Inzwischen ist bekannt, dass sich unter den Demonstranten auch ausländische Gruppierungen befinden. Das Tageblatt hat eine davon genauer unter die Lupe genommen.
„Es war unerlässlich, in Luxemburg zu demonstrieren, einem neoliberalen Land, das regelmäßig die humanistischen Rechte mit Füßen tritt“ – so kommentiert eine französische Anarchistengruppe ihren Protest vom Sonntag. „Wir freuen uns, als Hooligan eingestuft zu werden …“, schreibt sie im gleichen Post und zeigt sich zugleich erfreut über ihr „erfolgreiches“ Katz-und-Maus-Spiel mit der Luxemburger Polizei.
Dass sich unter den Demonstranten in Luxemburg nicht nur Einheimische befinden, ist spätestens seit dem Sturm auf einen Luxemburger Weihnachtsmarkt relevant geworden. In der Menschenmasse tauchten am Wochenende vereinzelt Symbole auf, die ausländischen Organisationen oder Gruppierungen zugeordnet werden können – darunter der sogenannte „Le Bloc Lorrain“, erkennbar an seiner Flagge. Der „Bloc Lorrain“ ordnet sich auf seiner Webseite selbst als „stark libertär“ ein und führt dabei im gleichen Atemzug eine ganze Bandbreite an anarchistischen Strömungen auf. Zu einer bestimmten Strömung will sich die Gruppe allerdings nicht bekennen, was sie „zu frei denkenden Menschen macht“ – so heißt es zumindest auf ihrer Internetseite.
Die Gemeinsamkeit der Mitglieder zeichne sich durch die Ablehnung von Macht und Autorität aus. Aus einem Artikel der französischen Tageszeitung L’Est Républicain geht zudem hervor, dass sich die Gruppe als „apartisan“ bezeichnet – wodurch sie „kein Problem“ darin sehe, gemeinsam mit Rechtsextremen zu demonstrieren.
Anarchismus ist nicht gleich Anarchismus
Der Begriff Anarchismus stammt ursprünglich aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie „Herrschaftslosigkeit“ oder „Gesetzlosigkeit“. Hierbei handelt es sich um eine politische Ordnungsvorstellung bzw. eine Utopie, die eine Herrschaft von Menschen über Menschen ablehnt und eine Gesellschaft ohne Autoritäten, staatliche Gewalt, Normen und Gesetze anstrebt.
Der Begriff gilt zudem als Sammelbegriff für zahlreiche unterschiedliche, sozialphilosophisch-politische Ideen und Bewegungen, die unter anderem jegliche Form staatlicher oder kirchlicher Autorität ablehnen und die uneingeschränkte Freiheit des Individuums in einer solidarischen Gesellschaft propagieren.
Der Begriff wird beispielsweise oft von der Punk(-Rock)-Szene aufgegriffen und steht dort für eine gewisse Anti-Haltung – also eine antiautoritäre Haltung, die allgemeine Erwartungen und Verhaltensmuster der Gesellschaft ablehnt.
Proteste, Müllsammeln und „Streifzüge“
Das Tageblatt hat eine Anfrage an den „Bloc Lorrain“ geschickt, um so möglicherweise mit dessen Gründer „Kévin Le Lorrain“ (K.L.L.) alias Kévin Grillo aus dem Département Meurthe-et-Moselle in Kontakt zu treten. Vor Redaktionsschluss war allerdings kein Gespräch mit Grillo möglich – dieses wird voraussichtlich am Dienstag (10. Januar) stattfinden. Öffnet sich die Gruppe für den Dialog mit einem Vertreter von Luxemburgs „Mainstream-Medien“, die die Anarchisten ja grundsätzlich ablehnen? Grillo behauptete zumindest bei L’Est Républicain: „Unser Ziel ist der Dialog, das Volksbündnis. Unsere Gemeinsamkeit ist die Freiheit.“
Es stellt sich die Frage, mit wem die Organisation eigentlich versucht, einen Dialog zu führen, und welche Freiheit(en) sie zu erlangen beziehungsweise zu schützen versucht. Der „Bloc Lorrain“ wurde vor nicht allzu langer Zeit ins Leben gerufen. Offiziell wurde er am 6. April 2021 bei den französischen Behörden angemeldet. Als Ziel gibt die Gruppe in ihren Statuten Folgendes an:
„Dieser Verein hat sich zum Ziel gesetzt, ‚Streifzüge‘, ökologische Aktionen wie Müllsammeln, Wiederbepflanzung usw. durchzuführen. Kulturelle Veranstaltungen, Demonstrationen, Shows, Konzerte usw. zu organisieren. Der Verkauf von Produkten zur Finanzierung dieser verschiedenen Aktionen wie Aufkleber, T-Shirts und andere Produkte.“ Den Fotos ihres recht aktiven Facebook-Profils zufolge konzentriert sich die Aktivität der Gruppe allerdings an erster Stelle (aber nicht ausschließlich) auf die Teilnahme an Protestaktionen.
Geschichte als Sinnstifter?
Der „Bloc Lorrain“ schwingt auf seinen Demonstrationen einen Flaggenmast mit zwei unterschiedlichen Fahnen: Einerseits eine Fahne mit dem bekannten roten „A“ auf schwarzem Hintergrund – es steht für Anarchismus. Darüber eine zweite Fahne, die ebenfalls historische Wurzeln hat: ein mit einem „V“ kombiniertes Kreuz inmitten eines weißen Kreises auf schwarzem Hintergrund. Hierbei handelt es sich um ein Doppelkreuz, in diesem Fall das Lothringer Kreuz, das seit 1912 Teil der Flagge der Region von Elsass-Lothringen ist.
Das Kreuz wurde ebenfalls beim französischen Widerstand von 1940 bis 1944 verwendet und kristallisierte sich als Symbol des Freien Frankreichs heraus. Das „V“ steht für „Victory“, Englisch für „Sieg“. Durch die umgekehrte Position des Symbols erinnern die ineinanderfließenden Elemente ebenfalls an das Anarchismus-A.
Die Fahne enthält ebenfalls einen Slogan in gelber Schrift, der im Lothringer Dialekt verfasst wurde: „Ce n’ame po tojo“. Was so viel heißt wie: „ce n’est pas pour toujours“ – es ist nicht für immer. Die Anarchisten-Gruppe bedient sich hier einer weiteren historischen Referenz, die auf die Folgen des Deutsch-Französischen Krieges von 1870 bis 1871 zurückgeht: Frankreich musste Elsass-Lothringen an das Deutsche Reich abtreten, das nach dem Ersten Weltkrieg wieder von Frankreich zurückgefordert wurde. Im August 2021 zählte die Organisation laut Grillo 130 Mitglieder – viele darunter seien alte „gilets jaunes“, was sich im gelben Schriftzug des Slogans widerspiegeln soll.
Angsteinflößendes Äußeres
Dass das äußere Erscheinungsbild der – in Schwarz gekleideten, mit ihrem Logo versehen und bei Protesten oft maskierten –Anarchistengruppe Menschen verängstigen könnte, gibt Grillo im Est Républicain-Artikel zu. Er behauptet allerdings: „Einige von uns maskieren sich so gut es geht, aber nicht, um gewalttätig zu sein, denn wir sind keine Schläger, sondern um den ständigen Repressionen der Polizei zu entgehen.“
Sonderlich viel Mühe, dieses Image loszuwerden, scheint sich die Gruppe allerdings nicht zu geben. Ihre Facebook-Seite zeigt in eine Richtung: „Liberté“, Diktatur und Antikapitalismus. Der Großteil ihrer Fotos wird durch einen Schwarz-Weiß-Filter künstlich dramatisiert: Ab und zu werden einzelne Bildelemente durch das Rot des Anarchismus hervorgehoben – so beispielsweise das Feuer beim Verbrennen eines Corona-Impfzertifikats.
Weitere Elemente zeigen, dass es sich beim „Bloc Lorrain“ nicht nur um freundliche Helfer aus der Nachbarschaft handelt, die den Müll entsorgen und Kleider an Bedürftige verteilen. In einem Facebook-Post gibt die Gruppe Ratschläge, wie man sich am besten für einen Protest wappnen soll. Dabei handelt es sich nicht nur um Sicherheitsanweisungen.
Friedlicher Protest oder Krawallmacherei?
Demonstranten sollten „dunkle Kleidung bevorzugen, um Masse zu erzeugen“. Durch das Tragen schwarzer Kleidung sollen also Individuen in einer Masse untergehen und zusätzlich den Eindruck von Homogenität sowie einer großen Menschenansammlung erwecken. Zudem heißt es nach Protestaktionen, dass die „Lügenpresse“ sowie die Polizei und Regierung die Zahlen der Demonstranten herunterspielen würde.
Darüber hinaus soll die schwarze Kleidung mit Kapuze sowie ein Mund- und Augenschutz vor „flicage“ (der Polizei) und Gas schützen: Dies, um zu verhindern, dass man erkannt wird. So viel zu dem oft hervorgebrachten Jeder-muss-Gesicht-bekennen-Narrativ. (Der Mundschutz soll in Zeiten der Pandemie außerdem auch vor der Verbreitung des Coronavirus schützen.)
Der Post in den sozialen Medien rät auch dazu, die Kontaktdaten eines Anwalts sowie eine Wasserflasche mit Kochsalzlösung bereitzuhalten. Diese könnte zum Reinigen von Augen und Nase nützlich sein, eventuell um Pfefferspray abzuwaschen. Demonstrierende werden ebenfalls dazu ermutigt, Rauchfackeln mit sich zu tragen, „um die Demonstration farbig zu gestalten“ oder „um zu feiern“, wie es an anderer Stelle formuliert wird. Zur Erinnerung: Bengalos sind bei Protesten in Luxemburg verboten.
Wenn es sich beim „Bloc Lorrain“ also nur um friedliche Demonstranten handelt, warum dann die Verschleierung und die Vorkehrungen für Extremfälle?
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Des „Casseurs“ et rien d’autre!! Ils trouveront toujours un motif pour délester leur agressivité dans le public.
Gut, dass Sie eine kleine Erklärung zum Begriff Anarchismus angefügt haben, denn diese Leute sind keine Anarchisten, Anarchie kann nur in gegenseitigem Respekt funktionieren und daran ist diesen “Casseurs” offensichtlich nicht gelegen
Wirklech witzeg d’Bezechnung Touristen,