Neues Gutachten / Dieselbe Anwaltskanzlei berät Stadt Luxemburg und Innenministerium in Bettelverbot-Affäre
Innenminister Léon Gloden hat erst einen Monat nach seiner Entscheidung, das Bettelverbot durchzuwinken, ein externes juristisches Gutachten angefordert. Bei derselben Anwaltskanzlei, die bereits im Auftrag der Stadt Luxemburg eine Beschwerde gegen die Entscheidung der ehemaligen Innenministerin Taina Bofferding (LSAP) eingelegt hatte.
Nächster Paukenschlag in der Bettelverbot-Affäre: Innenminister Léon Gloden (CSV) hat erst einen Monat nach seiner Entscheidung, das Bettelverbot durchzuwinken, eine Anwaltskanzlei damit beauftragt, ein juristisches Gutachten anzufertigen. Im Gutachten, das dem Tageblatt vorliegt, wird der 24. Januar als das Datum angegeben, an dem die Anfrage des Innenministers einging. Gloden leitete das Gutachten am Dienstag an die Chamber weiter.
Die mit dem juristischen Gutachten beauftragte Anwaltskanzlei Thewes&Reuter ist in der Affäre kein unbekannter Akteur. Die Stadt Luxemburg hatte am 14. August 2023 eine Beschwerde beim Verwaltungsgericht gegen die Entscheidung der damaligen Innenministerin Taina Bofferding (LSAP) eingelegt, weil diese das geplante Bettelverbot abgelehnt hatte. Am Mittwoch publizierte die Stadt ihren Einspruch vom vergangenen August öffentlich. Die mit dem Rechtsbehelf beauftragte Anwaltskanzlei: Thewes&Reuter. Ein Teilhaber der Anwaltskanzlei, Mark Thewes, sitzt auch im Staatsrat und wird hinter vorgehaltener Hand bereits als dessen nächster Präsident gehandelt. Die Beschwerde sowie das juristische Gutachten wurden jedoch nicht von Mark Thewes persönlich unterzeichnet und von drei verschiedenen Anwälten verfasst.
Verworrene Grenzen
Das von Léon Gloden in Auftrag gegebene juristische Gutachten kommt – wenig überraschend – zu einem sehr ähnlichen Argumentationsschluss wie die Beschwerde, die im August vergangenen Jahres bei dessen Vorgängerin einging. In der Beschwerde von August heißt es in der Schlussfolgerung: „Die Instrumentalisierung eines Rechtsaktes zu rein politischen Zwecken, ohne eine auch nur annähernd stichhaltige rechtliche Argumentation, hat die Stadt Luxemburg in die Lage versetzt, die vorliegende Klage einzureichen, mit dem einzigen Ziel, ihr zu ermöglichen, ihre obligatorischen verwaltungspolizeilichen Aufgaben ausschließlich zum Nutzen der Bewohner und Nutzer des öffentlichen Bereichs wahrzunehmen.“
Das nun vorgelegte Gutachten aus derselben Anwaltskanzlei kommt zu dem gleichen Schluss – mit dem Argument, dass der Strafbestand der Bettelei nie aus dem Strafgesetzbuch gestrichen worden sei. „Wie in diesem Gutachten dargelegt, ist die in Artikel 563 Absatz 6 des Strafgesetzbuchs vorgesehene und unter Strafe gestellte Straftat des Bettelns immer noch in Kraft und wurde nicht aufgehoben“, schreiben die Anwälte von Thewes&Reuter. Demnach sei die einzige Frage, die sich stelle, die, ob eine Gemeindeverordnung eine Tätigkeit verbieten kann, die bereits als Strafbestand bestehe und somit verboten sei. Das sei bereits in einem Urteil des Verwaltungsgerichtes beantwortet worden, mit dem Ergebnis, dass eine „Gemeindeverordnung im Vergleich zum Strafgesetz überflüssig ist, in jedem Fall keinerlei Auswirkungen auf ihre Rechtsgültigkeit“ hat.
Experten und Staatsanwaltschaft unisono
Das nun vorgelegte Gutachten wirft zusätzliche Fragen über die juristische Argumentationsbasis von Innenminister Gloden auf – und die Unabhängigkeit, der mit dem Gutachten beauftragen Anwaltskanzlei.
Ursprung des Disputes ist die Frage, ob ein Polizeireglement den Strafbestand des Bettelns festlegen kann, der 2008 per Gesetz aus dem Strafgesetzbuch gestrichen wurde. „Mit der Abschaffung des Strafbestandes der Bettelei in der 2008 erfolgten Gesetzesänderung des ‚Code pénal‘ wurde dieser Strafbestand explizit abgeschafft“, erklärte Luc Heuschling im Gespräch mit dem Tageblatt. Durch ein Gerichtsurteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sei Betteln als Menschenrecht in der Luxemburger Verfassung festgeschrieben worden – und könne nur per Gesetz und nicht per Gemeindereglement oder Dekret wieder verboten werden.
Für weitere Konfusion in der Debatte sorgt der Umstand, dass der Strafbestand des Bettelns 2008 unabsichtlich aus dem Gesetz gestrichen worden sei. Tatsächlich ist der entsprechende Artikel im Luxemburger „Code Pénal“ mit einer Fußnote versehen, in der man von einem Formulierungsfehler des Gesetzgebers ausgeht. „Die Justizbehörden sind der Ansicht, dass Punkt 6 in seiner Gesamtheit aufgehoben wurde.“ Und weiter: „Aus den Vorarbeiten zum Gesetz geht hervor, dass der Gesetzgeber in Wirklichkeit nicht Punkt 6 des Absatzes 2, sondern den Absatz 2 des Punktes 6 abschaffen wollte. Die Justizbehörden sind der Ansicht, dass Punkt 6 in seiner Gesamtheit aufgehoben wurde.“ Punkt 6 des entsprechenden Artikels enthielt das Verbot der Bettelei.
Verteidiger des Bettelverbots argumentieren demnach, dass dies nie die Absicht des Gesetzgebers gewesen sei – ein Argument, das nun auch Léon Glodens angefordertes juristisches Gutachten aufgreift. „Dann hätte man es nicht abschaffen oder den Fehler wieder beheben sollen“, sagt hingegen Heuschling. Für die Gerichte sei die Sachlage jedenfalls klar. „Der Strafbestand wurde schwarz auf weiß abgeschafft.“ Seit der Bekanntgabe der Entscheidung haben sich unter anderem die Generalstaatsanwältin Martine Solovieff, der Staatsanwalt des Bezirks Luxemburg, Georges Oswald, der Luxemburger Verfassungsexperte Luc Heuschling und auch Menschenrechtsanwalt Frank Wies gegen die Argumentation aus dem Innenministerium gestellt.
Fehlender Respekt vor der Justiz
Auch wenn Premier Luc Frieden und sein Vize Xavier Bettel die Diskussion um das Bettelverbot als „übertrieben“ ansehen – der Rest der Gesellschaft sieht das offenbar nicht automatisch auch so.
Im Interview mit dem Radiosender 100,7 hat sich der neue Präsident des Verfassungsgerichts, Thierry Hoscheit, am Mittwoch zum Bettelverbot geäußert. Er sehe sich in der Verantwortung, die Justiz „als dritte Säule des Staates in Schutz“ zu nehmen – eben gegen jüngste Äußerungen aus der Politik. „Unser Rechtsstaat beruht darauf, dass wir Gerichte haben, die unabhängige und unparteiliche Entscheidungen treffen und dass diese Entscheidungen von den Leuten da draußen akzeptiert werden, weil sie Vertrauen in uns haben“, erklärte Hoscheit im Interview.
Und da trage die Gesellschaft zusammen die Verantwortung: „Das Vertrauen besteht, wir müssen richtig arbeiten – und gleichzeitig haben die politisch Verantwortlichen da draußen die Verantwortung, das Vertrauen, das die Menschen in uns haben, nicht zu untergraben!“ Dabei gebe es zwei akute Missstände, auf die hinzuweisen sei: Zunächst, wenn es in der öffentlichen Diskussion so dargestellt werde, „als würde die Staatsanwaltschaft aus politischen Motiven die eine oder die andere Position beziehen“. Es sei nicht hinnehmbar, wenn so die Überparteilichkeit infrage gestellt wird, da dies „ganz dramatisch“ sei in der Auswirkung auf „das Vertrauen in die Justiz“.
Der zweite akute Aspekt sei der fehlende Respekt vor Gerichtsurteilen. Wenn es „eine Reihe von Urteilen“ gibt, die feststellen, dass mit dem Gesetz von 2008 ein pauschales Bettelverbot unmöglich gemacht wurde, finde Hoscheit es „sehr dramatisch, wenn unsere politisch Verantwortlichen da draußen sagen, das interessiert uns nicht, was die Gerichte da entschieden haben“, weil sie anderer Meinung seien.
Ein ausführliches Interview mit Thierry Hoscheit können Sie am Samstag im Tageblatt lesen.
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Wie Bettelverbot. Der ist doch Aussenminister!
Ech sin zudeifst beonrouegt mat wat fir engen Methoden hei Letzebuerg Politik an Zukunft soll gemaach gin
Wann eng Affekotenetude dei sou kloer deenen zwou Parteien um Rudder als Berooder zur Sait stin, esou dass souwuel Justiz, Uni.lu, vill Initiativen vun der Zivilgesellschaft ugegraff gin an net serioes geholl gin. Et ass eng Form sech an eng Isolatiounsbulle ze verstoppenn. Dialog an Nolauschteren ass Vergangenheet, trotz entgeintgesaater Deklaratioun beim Untrett vun deser Regierung.
D’Aarmutsbekaempfung ass jo quasi bla bla .
An desen Usaatz ka seier an aaner Beraicher iwersprangen.
Daat leist deif blecken.
Hoffentlech get des Richtung seier gebremst.
Quo vadis Demokratie fir all d’Biirger.
Ich empfehle Herrn Léon GLODEN und Herrn Mark THEWES folgende Lektüre:
▪ Mord als „geschichtliche Aufgabe“ (Februar 1984)
Von Jörg BOPP, Psychologie Heute. „Wie ich von … dem Präsidenten des Central-Auschusses für Innere Mission höre, ist ihm mitgeteilt worden, daß das bisherige Verfahren geändert sei. Die Ausmerzung solle auf die zu keiner geistigen Regung und zu keiner menschlichen Gemeinschaft mehr fähigen Kranken eingeschränkt werden. (…) Sollte die Reichsregierung sich nicht in der Lage sehen, eine andere Entscheidung, als sie anscheinend gegenwärtig getroffen ist, herbeizuführen, so müssten wir bei der Bitte stehen bleiben, uns von jeder Mitwirkung bei der Durchführung dieser Aktion zu entbinden. Einem ohne unser Zutun erfolgenden Eingriff des Staates werden wir uns selbstverständlich fügen.“
Dieses Angebot machte der Leiter der Betheler Krankenanstalten, Fritz von BODELSCHWINGH, am 26.8.1941 den staatlichen Behörden, als ihre „Vernichtung lebensunwerten Lebens“ – von den Nazis beschönigend „Euthanasie“, Sterbehilfe, genannt – in vollem Gang war. Das „bisherige Verfahren“, von dem in BODELSCHWINGHs Brief die Rede ist, umfaßte nicht nur Geisteskranke, sondern auch Alkoholiker, Alte, Asoziale, Arbeitslose, Behinderte, Hilfsschüler, Verbrecher, Landstreicher. (…) Die Herrenmensch-Ideologie der Nazis lautete: „Wir vernichten, um zu herrschen“. Auch das Buch KLEEs beweist, daß der deutsche Faschismus vor allem ein Vernichtungsfaschismus war. Seine Ideologie war in Wahrheit: „Wir wollen herrschen, um vernichten zu können“. Das Töten wurde zum Selbstzweck und der Mord zur größten geschichtlichen Aufgabe.
▪ Ernst KLEE: „Euthanasie“ im NS-Staat. Die „Vernichtung lebensunwerten Lebens“. S. Fischer Verlag, Frankfurt, 1983.
MfG
Robert Hottua
Wann darf das t. Neuwahlen melden?
Dass 2 kunden welche das gleiche ziel verfolgen die gleiche Anwaltskanzlei mit ihrem anliegen befassen ist nun wirklich das normalste der welt.
@Robert Hottua
Genau! An dei Richtung geht et. Ausmerzen. Vernichten….emmer eng schein Facade behalen… An dat arbeitscheut Gesindel elimineieten.
Esou Leit ewei den Gloden mussen fort ier sie zevill Macht hun.