Verwaltungsvereinfachung / Digitalisierung nach dem „Once Only“-Prinzip
Mit dem „Once Only“-Prinzip soll der Verwaltungsaufwand verringert werden. Bürger und Unternehmen müssen den Behörden gegenüber ihre Daten nur noch einmal angeben. Der Umbau des Staates zu einem datengetriebenen und proaktiven öffentlichen Sektor basiert auf vier Säulen.
Außer Kulturminister Eric Thill war sie die größte Überraschung bei der Zusammensetzung der Regierung: Stéphanie Obertin ist seit gut einem halben Jahr Ministerin für Digitalisierung sowie für Forschung und Hochschule. Die frühere Allgemeinmedizinerin ist nach wie vor die große Unbekannte in der Regierung. Besonders häufig ist die DP-Politikerin noch nicht in Erscheinung getreten. Diese Woche jedoch scheint sie durchzustarten: Obertin stellte die Grundzüge des Gesetzentwurfs über die Nutzung von Daten vor.
In dem Text wird das verpflichtende sogenannte „Once Only“-Prinzip zwischen Verwaltungen vorgeschrieben. Es soll den Weg für proaktive öffentliche Dienste ebnen und die Voraussetzungen für den „Digital Governance Act“ schaffen, wie sie im Regierungsprogramm vorgesehen sind und Premierminister Luc Frieden in seiner Rede zur Lage der Nation bekräftigte.
Der Gesetzentwurf schlägt eine deutliche administrative Vereinfachung bei der Interaktion zwischen dem Staat, den Gemeinden und den Bürgern in sämtlichen Bereichen vor. Sobald ein Bürger einen digitalen Verwaltungsvorgang einleitet, soll es den Verwaltungen möglich sein, die für die Bearbeitung des Vorgangs erforderlichen Daten auszutauschen, und zwar unter Beachtung des Grundsatzes der Datenminimierung.
„Mit diesem Gesetzentwurf möchte ich das Prinzip des ‚Once Only‘ zwischen den zentralen staatlichen Verwaltungen sowie bei den Gemeinden verbindlich machen, um administrative Barrieren abzubauen“, so die Ministerin für Digitalisierung. Der Gesetzentwurf schafft einen rechtlichen Rahmen, der es dem Staat ermöglicht, die Daten, die er über einen Bürger oder ein Unternehmen besitzt, zu nutzen und weiterzuverwenden, um ihnen Dienstleistungen anzubieten, die besser auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die Daten in einem sicheren und „vertrauenswürdigen“ Rahmen verwendet werden.
Behördengänge leicht gemacht
Dieser Gesetzentwurf entspricht dem Bestreben von Obertins Ministerium, einen „datengetriebenen“ digitalisierten öffentlichen Dienst zu schaffen, der es den Ämtern ermöglicht, die Bedürfnisse der Bürger besser zu erkennen, Veränderungen dieser Bedürfnisse vorherzusehen und die notwendigen Anpassungen vorzunehmen, um diesen Bedürfnissen gerecht zu werden.
Kurz gesagt: Mit dem „Once Only“-Prinzip soll der Staat Behördengänge sowohl für Bürger als auch für Unternehmen vereinfachen respektive unnötig machen. Die einmalige Angabe von Daten soll bald für viele verschiedene Verwaltungsdienstleistungen genügen. Die benötigten Informationen tauschen die Ämter dazu untereinander aus. Prozeduren und Bearbeitungszeiten sollen deutlich verkürzt werden.
Bisher musste man, ob zum Beispiel bei der Anmeldung für einen „Maison relais“-Platz oder für finanzielle Hilfen, immer wieder die gleichen Angaben etwa zu Namen, Anschrift und Geburtsdatum machen. Mit „Once Only“ ist dies vorbei. Die Verwaltungsprozesse sollen zugleich transparenter werden. Die Bürger und Unternehmen müssen ihre Daten nur einmal an die Verwaltung übermitteln. Die Daten werden unter den Verwaltungen ausgetauscht.
Die Bürger sollen damit entlastet und die Kommunikation mit und zwischen den Behörden verbessert werden. Ämtergänge lassen sich demnach unterwegs auf dem Smartphone oder vom Laptop erledigen. Zugleich können Bescheide schneller digital zugestellt werden. Die Verwaltungen werden laut Gesetzentwurf dazu verpflichtet, die Daten untereinander digital auszutauschen. So kann etwa das Finanzamt den Kommunen mitteilen, wenn jemand einen Anspruch auf Leistungsprüfung hat, ohne dass zum Beispiel die Steuererklärung bei der Kommune abgegeben werden muss. Für die Bürger bleibe übrigens der analoge Weg nach wie vor bestehen, versicherte die Ministerin.
„Proaktive Behörden“
Allgemein ist die Verkürzung der Bearbeitungszeiten bei Behörden Teil der administrativen Vereinfachung, die die Regierung als zentrales Ziel anstrebt. Wenn zum Beispiel Anträge für eine Umweltprüfung benötigt werden, sollen der jeweiligen Verwaltung die bereits vorhandenen Daten zur Verfügung gestellt werden. Sind diese einmal im System, soll die Behörde „proaktiv“ vorgehen, wie die Ministerin betonte und sie nutzen können. Zwar sehen Datenschützer darin verständlicherweise Missbrauchsrisiken. Doch die Datenschutzgrundverordnung gilt auch hierbei: Der Bürger soll wissen dürfen, wer für welchen Zweck seine Daten verwendet. Auch dürfen nur die genutzt werden, die für den betreffenden Verwaltungsvorgang notwendig sind. Zudem müssen die Daten geschützt und die wirklich notwendigen Daten erfasst werden. Zwar sollen die Behörden persönliche Daten weiterverarbeiten können, allerdings „nur“ um Statistiken zu erheben und wissenschaftliche Untersuchungen im öffentlichen Interesse durchzuführen.
Bis das neue Gesetz einmal steht, dürfte es noch eine Zeit lang dauern. Ein Zeitplan sei nicht vorgesehen, so Obertin. So sind zum Beispiel die Datenbanken und IT-Systeme der verschiedenen Institutionen, Ämter und Kommunen noch nicht aufeinander abgestimmt. Sie sind noch nicht bereit für die digitale Revolution. Zudem sind etliche Fragen noch nicht geklärt, inwiefern Daten an Privatfirmen und Forschungsinstitute weitergegeben werden können, etwa für die Entwicklung von politischen Strategien und Algorithmen – und wann die Bürger darüber in Kenntnis gesetzt werden.
Große Unbekannte
Für Letzteren ist es auf den ersten Blick eine große Unbekannte, was mit seinen Daten geschieht. Die Ressortleiterin entgegnet diesen Befürchtungen, indem sie darauf hinweist, dass der Nutzung und Weiterverarbeitung der Daten durch die EU-Grundverordnung zum Datenschutz enge Grenzen gesetzt seien und auch die „Commission nationale pour la protection des données“ (CNPD) miteingebunden ist. Noch nicht klar ist auch, wie groß die Mehrfachbelastung in den Ämtern sein wird. Auch den Verwaltungen selbst soll das neue Gesetz die Arbeit erleichtern – und nicht mehr Arbeit bedeuten.
Eine europäische Lösung werde „hoffentlich“ in zwei Jahren fertig sein, sagte Obertin. Dagegen bestätigte sie, dass das Projekt eines bisher geplanten luxemburgischen „eWallet“, um staatliche Dienstleistungen über eine Smartphone-App zu nutzen, zurückgezogen wurde. Stattdessen will die Regierung den direkten Weg des „European eWallet“ einschlagen. Das solle hoffentlich im Jahr 2026 kommen, sagte die Ministerin.
Die vier Säulen der Transformation
Säule 1: Primäre Verarbeitung personenbezogener Daten
Öffentliche Stellen sind im Einklang mit der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) berechtigt, personenbezogene Daten zu verarbeiten, die für die Zwecke der Erfüllung ihrer Aufgaben im öffentlichen Interesse erforderlich sind, die ihnen durch eine Bestimmung des EU-Rechts oder des nationalen Rechts übertragen wurden.
Säule 2: „Once Only“-Prinzip
Verpflichtung der Verwaltungen, die erforderlichen Daten bei anderen Verwaltungen und nicht beim Bürger zu erheben, wenn dieser einen Verwaltungsvorgang einleitet.
Möglichkeit für Verwaltungen, Informationen und Daten auszutauschen, die erforderlich sind, um die Bürger proaktiv darüber zu informieren, dass sie Anspruch auf eine staatliche Leistung haben (Hilfen, Subventionen, etc.).
Säule 3: Weiterverarbeitung von personenbezogenen Daten
Weiterverarbeitung von Daten durch öffentliche Stellen für Zwecke, die nach dem Gesetzentwurf zulässig sind (wissenschaftliche Forschung, Statistik, Politikplanung, etc.).
Säule 4: Weiterverwendung von personenbezogenen Daten im Sinne des Data Governance Act (DGA)
Weiterverwendung von Daten, die sich im Besitz des öffentlichen Sektors befinden, durch Akteure des privaten Sektors zu den im Gesetzentwurf zugelassenen Zwecken (wissenschaftliche Forschung, Statistik, Produkt- und Technologieentwicklung, etc.).
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