Orchestre de la Place de l’Europe / Dirigent Benjamin Schäfer zieht Bilanz
Im Gespräch mit dem Tageblatt zieht der Dirigent Benjamin Schäfer zwei Jahre nach der ersten Probe des Amateurorchesters „Orchestre de la Place de l’Europe“ eine Zwischenbilanz.
Tageblatt: Benjamin Schäfer, zweieinhalb Jahre sind seit der ersten Probe des symphonischen Amateurorchesters „Orchestre de la Place de l’Europe“ (OPE) vergangen. Wie ist denn die Bilanz?
Benjamin Schäfer: Ich kann nur sagen, dass sich das Orchester toll entwickelt hat. Einen guten Musiker weist beispielsweise aus, dass er sehr schnell merkt, was das Wesentliche ist, was der Dirigent will und wie er sich da einbringen kann. Und das passiert bei unseren Amateurmusikern. Sie sind einerseits immer sehr gut vorbereitet und wissen genau, wie sie in jedem Moment zu spielen haben. Ob dann alle Noten stimmen, ist für mich nicht so wichtig. Wichtig ist, dass sich die Musiker von diesem inneren Druck befreien und lernen, frei zu spielen und dabei auf das achten, was im Orchester passiert oder was der Dirigent vorgibt. Und da hat das OPE als Kollektiv unheimlich große Fortschritte gemacht.
Jetzt einmal abgesehen vom spieltechnischen Können und Repertoirewissen: Was unterscheidet den Amateur vom Profi?
Das dynamische Level zwischen einem professionellen Musiker und einem Amateur ist natürlich enorm. Und deshalb ist es für mich wichtig, dass die Musiker einfach eine größere Bandbreite an Dynamik und auch Volumen bekommen, denn das macht letztendlich den Klang und die Orchesterkultur aus. Ein Fortissimo muss einfach im Blech kompakt klingen. Und die Streicher dürfen sich nicht mit einem halben Bogen begnügen. Daran arbeiten wir besonders hart. Was das Repertoire betrifft, möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass wir ein Projektorchester sind, bei dem alle zusammen ein Werk von Grund auf zusammen erarbeiten. Viele unserer Musiker kommen ja nicht aus dem klassischen Bereich. Und dass die Musiker spieltechnisch nicht das gleiche Niveau wie die Profis haben, ist nicht schlimm. Wir sind ein Amateurorchester und das Wichtigste ist doch, dass am Ende alle zufrieden sind und Spaß am Musizieren haben.
Ein Orchester ist ja auch ein lebendiger Organismus, egal ob im Profi- oder Amateurbereich.
Genau, und gerade dieses Lebendige ist unheimlich wichtig und wird bei uns großgeschrieben. Die Kollegialität, der Respekt, die Freude an einem gemeinsamen Ziel, das Miteinander, all dies sind wichtige soziale Voraussetzungen und machen das aus, was wir Orchesterkultur nennen. Sie können hundert erstklassige Musiker zusammen spielen lassen, wenn die Dynamik in der Gruppe nicht stimmt, dann wird es kein gutes Konzert.
Vollbesetzte Konzerte und Standing Ovations haben uns gezeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Aber, wir bleiben bescheiden und wollen uns auch nicht zu viel zumuten.Dirigent „Orchestre de la Place de l’Europe“
Worauf legen Sie denn bei der Erarbeitung eines Werkes, bei der Interpretation besonderen Wert?
Ich denke, es ist wichtig, dass wir unsere Grenzen kennen. Deshalb versuche ich, mit den Musikern den Charakter eines Werkes zu erarbeiten. Und wie gesagt, falsche Noten sind da nicht so wichtig. Die Atmosphäre, die Klangfarben, der Charakter der Musik, das sind die Dinge, die wir rüberbringen wollen. Das Gesamte muss stimmen und der Funke muss überspringen. Jeder Musiker hat ein anderes Level und wenn wir es schaffen, dass jeder Musiker am Tag des Konzerts das Beste aus sich herausholt, dann spielen wir auch ein gutes Konzert.
Worin bestehen denn die größten Schwierigkeiten?
Profis machen nur Musik, haben einen exakten Probenplan und genug Zeit, sich vorzubereiten. Amateure nicht. Unsere Musiker kommen nach der Arbeit oder lassen auch mal eine Probe aus. Wir haben mehrere Krankenschwestern, die Schichtdienst leisten. Die können nicht bei jeder Probe dabei sein. Ein anstrengender Tag wirkt sich dann schon auf die Qualität des Spiels aus. Es sind all diese alltäglichen Sachen, die ein Projekt wie dieses beeinflussen können. Einige Musiker haben aufgehört, weil eben die äußeren Umstände ein Weitermachen unmöglich machten. Umzug, andere Arbeitsbedingungen, Familienzuwachs, Trennungen, all dies spielt eine Rolle. Aber wir haben glücklicherweise keine Probleme, neue Musiker zu gewinnen. Darüber hinaus hat sich ein fester Stamm gebildet, auf den wir zählen können und der dem Orchester eine gesunde Basis gibt.
Ich gehe davon aus, dass das Projekt weiterleben wird – doch in welche Richtung?
Auf jeden Fall. Vollbesetzte Konzerte und Standing Ovations haben uns gezeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Aber wir bleiben bescheiden und wollen uns auch nicht zu viel zumuten. Ziel ist es noch immer, ein Konzert pro Saison zu spielen und in jedem dieser Konzerte ein sogenanntes „großes“ Werk aufzuführen. Im ersten Konzert 2022 war das die 9. Symphonie von Dvorak, letztes Jahr waren es die Bilder einer Ausstellung von Moussorgski und in diesem Jahr wird es Pini di Roma von Respighi sein. Daneben spielen wir die Coriolan-Ouvertüre von Beethoven, die 1. Rhapsodie für Klarinette und Orchester von Debussy, das Klarinettenkonzert von Artie Shaw und für das Publikum zum Mitmachen Secret of Wind and Birds, eine Passacaglia von Tan Dun für Orchester, CD und Mobiltelefone. Solist bei den beiden Klarinettenkonzerten ist Arthur Stockel, mein Musikerkollege vom Luxembourg Philharmonic. In diesem Jahr hatten wir ja auch ein Gastspiel im CAPE in Ettelbrück, nächste Spielzeit werden wir im Trifolion in Echternach ein Weihnachtskonzert spielen und im Juli 2025 nach Berlin reisen, um im Berliner Konzerthaus zusammen mit dem dortigen Amateur-Symphonieorchester aufzutreten. Da kommen noch spannende Herausforderungen auf uns zu. Aber alle freuen sich und sind begeistert. Und das zu sehen, ist einfach schön.
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