Nationale Elternvertretung / Diskrepanz zwischen Schule und Maison relais: „Da muss Claude Meisch eingreifen“
Eine Woche lang lief der Schulbetrieb in Luxemburg nur über Homeschooling. Alain Massen, Präsident der nationalen Elternvertretung RNP („Représentation nationale des parents“), kann dieser Unterrichtsform nicht viel abgewinnen. Im Tageblatt-Gespräch erläutert er, wieso wir einen Masterplan brauchen und wo Bildungsminister Claude Meisch nun eingreifen sollte.
Seit Montag gehen die Schüler in Luxemburg wieder zur Schule. Nur die Klassen der 4e, 3e und 2e haben weiterhin alternierenden Unterricht. Alain Massen, Präsident der nationalen Elternvertretung RNP, begrüßt es, dass jetzt wieder Präsenzunterricht in den meisten Klassen stattfindet. Für ihn bleibt die Frage offen, ob die vergangene Woche im Homeschooling wirklich etwas gebracht hat. Dies sei aber eine andere Geschichte.
„Wir haben gemerkt, dass das Homeschooling bei einigen Schülern gut funktioniert hat, bei anderen war es eine Katastrophe“, sagt er. Der Distanzunterricht habe immer wieder zur Folge, dass die Ungleichheiten weiter zunehmen. Die einen Schüler machen Fortschritte, die anderen tun praktisch gar nichts, sagt Massen. Auch die Lehrer seien aus seiner Sicht ganz unterschiedlich mit dem Homeschooling umgegangen. Manche haben den Schülern sehr viel aufgetragen, andere fast gar nichts.
Wir haben gemerkt, dass das Homeschooling bei einigen Schülern gut funktioniert hat, bei anderen war es eine KatastrophePräsident der nationalen Elternvertretung RNP
Massen bemängelt, dass wir nicht darauf ausgelegt sind, richtig Homeschooling zu machen. Die Mittel dazu seien nicht da. Er selbst ist Vater von drei Kindern im Grundschulalter. Im Distanzunterricht vergangene Woche musste er seine drei Kinder gleichzeitig vor einen Computer setzen. „Ich habe noch Glück, da ich zwei Computer besitze und ein paar Handys habe“, sagt er. Allgemein sei das kaum zu stemmen, wenn man mehrere Kinder hat. „Wir sind immer noch nicht davon überzeugt, dass Homeschooling Sinn macht, so, wie es umgesetzt wird.“
Im Frühjahr habe man die meiste Erfahrung mit dieser Form des Unterrichts sammeln können. Seitdem seien acht Monate vergangen, in denen man dies hätte sauber aufstellen können. Dazu gehören für Massen klare Anweisungen an die Lehrer mit einem Programm, wie das aufgebaut sein soll. Stattdessen habe man das Aufstellen des Homeschoolings nun den Lehrern überlassen. Massen moniert, dass manche Schüler teils sechs Stunden am Tag vor dem Bildschirm saßen und sich verpixelte Aufnahmen ihres Lehrers anschauen mussten. Er schließt zudem nicht aus, dass im Laufe dieses Schuljahrs nochmals auf Distanzunterricht umgeschaltet werden muss.
Schulprogramm sollte angepasst werden
Der Präsident der Elternvertretung versteht auch nicht, wieso das Programm für dieses Schuljahr nicht an die Situation angepasst wurde, die sich durch das Splitting der oberen Sekundarklassen, die zahlreiche Quarantänen und Isolationen ergeben hat. Er nennt das Beispiel von Deutschland, wo die Programme nun an die Covid-Situation angepasst wurden. Massen hat als Elternvertreter viel Feedback von Eltern bekommen. Manche berichteten ihm, dass ihre Kinder durch die aktuelle Situation regelrecht den Anschluss verloren haben. Sie bekommen schlechte Noten, was die Schüler in der ohnehin schwierigen Corona-Krise zusätzlich demotiviert.
Diesen Schülern muss man präzise Hilfen anbieten. Auf psychologischer Ebene, aber auch was die Nachhilfekurse betrifft.Präsident der nationalen Elternvertretung RNP
Die Pandemie bedeute sowohl für die Kinder als auch für deren Eltern psychologischer und sozialer Stress. „Wir haben als Elternvertreter das Gefühl, dass dem gar nicht Rechnung getragen wird.“ Neben der Anpassung des Schulprogramms sollte man laut Massen auch akzeptieren, dass gewisse Schüler Schwierigkeiten haben, die sie unter normalen Bedingungen vielleicht nicht gehabt hätten. „Diesen Schülern muss man präzise Hilfen anbieten. Auf psychologischer Ebene, aber auch was die Nachhilfekurse betrifft“, sagt Massen. Problematisch sieht er auch das Homeschooling für Schüler mit spezifischen Bedürfnissen. Das sind jene, die in den Kompetenzzentren eingeschrieben sind. Diese Schüler bekommen viele Therapien und Hilfen in ihrem Alltag im Kompetenzzentrum. Dies wird durch den Distanzunterricht einfach ausgebremst, so der Präsident. Da bleibe vieles auf der Strecke.
Im Frühjahr hat die nationale Elternvertretung dem Bildungsministerium ihre Unterstützung angeboten, um den Missständen, die Massen nun aufzählt hat, entgegenzuwirken. Die Zusammenarbeit hätte in Form von Arbeitsgruppen stattfinden können. Doch bislang sei der Bildungsminister nicht darauf eingegangen. Allgemein zufrieden zeigt sich Massen mit den sanitären Maßnahmen in den Schulen. „Ich wüsste ehrlich gesagt nicht, was ich noch zusätzlich machen würde.“ Problematisch ist für ihn allerdings die Organisation. Meischs Stufenplan wurde entwickelt, um in Situationen eingesetzt zu werden, an denen es zu Infektionen in den Schulen kommt. Was Massen allerdings vermisst, ist ein zusätzlicher Masterplan. Auch dies geht auf einen Vorschlag zurück, den die nationale Elternvertretung vor der „Rentrée“ gemacht hatte und der nicht zum Einsatz kam.
Masterplan als Ergänzung zum Stufenplan
Dieser Masterplan könnte laut Massen beispielsweise nach einem Ampelsystem funktionieren: grün, gelb, rot. Die jeweilige Farbe sollte ein bestimmtes Infektionsrisiko in der Bevölkerung darstellen. Zu jeder Stufe könnte man bestimmte Maßnahmen vordefinieren, die dann eintreten. Die Kriterien, wann eine Stufe ausgelöst wird, sollten wissenschaftlich festgelegt werden. Dies müsste nicht unbedingt an der Zahl der Neuinfektionen ausgemacht werden, sagt Massen. Auf diese Weise könnten Eltern und Schüler besser einschätzen, was sie erwartet, je nachdem, wie sich die Infektionslage entwickelt. Dies würde den Betroffenen laut Massen mehr Sicherheit geben. „Dann hat man weniger Navigation auf Sicht.“
Nicht einverstanden ist Massen mit der Diskrepanz, die zwischen Grundschule und „Maison relais“ herrscht. Dies sei ein wichtiger Punkt für die nationale Elternvertretung. „Für uns gehören die ‚Maisons relais‘ zum Schulsystem dazu, auch wenn sie anders verwaltet werden“, betont Massen. Er kann nicht verstehen, wieso manche „Maisons relais“ Kindern den Zutritt verweigern, die keinen negativen Test vorweisen können. Dies haben ihm Eltern berichtet. Auch kann er nicht nachvollziehen, dass Kinder, deren Klasse sich aufgrund eines positiven Falls in einer „Mise à l’écart“ befindet, zwar in die Schule gehen müssen, ihnen aber gleichzeitig der Zugang zur „Maison relais“ verwehrt bleibt. Die Eltern müssen dann mehrmals täglich hin- und herpendeln. „Das ist chaotisch und schwierig zu organisieren“, sagt er. Es mangele an einer harmonischen Funktionsweise zwischen Schule und „Maison relais“.
Für Alain Massen sollten die Kinder entweder zu Hause bleiben und in diesem Fall auch nicht in die „Maison relais“ gehen, oder eben in die Schule kommen und dann aber auch das Recht haben, in die „Maison relais“ zu gehen. „Für die Kinder gehört dieses Zusammenspiel zur Ganztagsbetreuung“, sagt er. Es sollten keine Unterschiede gemacht werden, denn dies sei für die Kinder schwer zu verstehen. „Da muss Claude Meisch eingreifen.“
Zurzeit arbeitet das Bildungsministerium an einer Direktive zur Reduzierung der Gruppen auf zehn Schüler in den „Maisons relais“. Die Maßnahme soll demnächst umgesetzt werden. Vielleicht trägt dies zur Harmonisierung der Regeln zwischen Schule und „Maison relais“ bei.
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Sind denn alle Kinder sobald sie zur Welt kommen des Ministers Problem?
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